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Ex-Eintracht-Übersetzer exklusiv: Wie ich Sebastien Haller mit der S-Bahn abholte

  • Aktualisiert: 28.01.2023
  • 16:57 Uhr
  • ran.de
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© imago/Jan Huebner
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Sechs Jahre lang war Stephane Gödde Übersetzer bei Eintracht Frankfurt. Im exklusiven Interview mit ran erklärt er, dass der Job noch viel mehr als nur Sprachmittler bedeutet, und verrät, wie er Sebastien Haller mit der S-Bahn abholte.

Von Alice Jo Tietje

Stéphane Gödde arbeitete von 2016 bis 2022 als Dolmetscher für Eintracht Frankfurt. Mit dem Klub erlebte er in den vergangenen Jahren den DFB-Pokalsieg, den Triumph in der Europa League und die erstmalige Qualifikation für die Champions League.

Im exklusiven Interview mit ran spricht er über seinen Werdegang, Tricks, um den Spielern Deutsch beizubringen, wie er Sebastien Haller mit der S-Bahn abholte und den größten Fauxpas seiner Frankfurt-Zeit. 

ran: Stephane Gödde, wie viele Sprachen sprechen Sie?

Stephane Gödde: Neben Deutsch noch Französisch als meine zweite Muttersprache, dazu Spanisch, Italienisch und Englisch. Aber dafür wurde ich nicht geholt. Englisch benutzt man dann nur, wenn man die Sprache der Spieler gar nicht beherrscht, wie zum Beispiel Japanisch bei mir.

ran: Wie wird man Dolmetscher eines Fußballvereins?

Gödde: Fredi Bobic hatte 2016 keinen großen finanziellen Spielraum und es gab sehr viele Leihspieler. Diese müssen schnell funktionieren und sich integrieren. Auch für die Medienabteilung war das schwierig, weil nur wenige Interviews auf Deutsch gegeben werden konnten - also brauchte man auch da eine sprachliche Lösung. Ich hatte bereits Dolmetschererfahrungen im Bereich der Pressekonferenzen bei Champions-League- und Europa-League-Spielen, so kam dann der Kontakt zu Bobic zustande. Es war für alle Seiten eine Win-win-Situation.

ran: Sie waren sechs Jahre lang Dolmetscher bei Eintracht Frankfurt - erklären Sie uns, was dieser Job bedeutet.

Gödde: Zunächst einmal ist man Sprachmittler, wie die Berufsbezeichnung "Dolmetscher" schon sagt. Man ist aber viel mehr: Man übersetzt nicht nur in die jeweiligen Sprachen, sondern ist auch für die Integration zuständig. Da geht es um die Betreuung der Spieler und nicht nur ums Übersetzen, wenn der Trainer was sagt. Im Grunde genommen ist man auch ein Chauffeur, denn man fährt die Spieler bei Verletzungen zum Arzt. Anschließend muss man die Diagnosen und Anweisungen der Ärzte übersetzen. Außerdem leistet man sprachliche Unterstützung bei der Ernährungsberatung, weil der Verein will, dass der Spieler versteht, worum es geht.

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ran: Ist man also mehr Berater oder Vertrauter als Dolmetscher?

Gödde: Es ist ein sehr großes Themenspektrum. Du musst den Spieler und den Menschen verstehen. Das beinhaltet auch die Familien. Es bringt nichts, wenn sich der Spieler wohlfühlt und rundum betreut wird, aber der Familie geht es nicht gut. Das darf man nicht unterschätzen. Da muss man sich dann um Kitas und Hortplätze kümmern und darauf achten, dass sich auch die Partnerin in der neuen Umgebung zurechtfindet. Damit sind nicht in erster Linie irgendwelche Läden gemeint, sondern auch für sie das Thema Integration durch Spracherwerb.

ran: Wie ist das innerhalb des Vereins aufgebaut, sie können ja nicht bei jedem Spieler gleichzeitig sein?

Gödde: Ich hatte über die Jahre hinweg immer "Kollegen" durch die Spieler selbst. Sie sind zwar nicht speziell dafür ausgebildet, und schlüpfen nicht immer gerne in die Rolle des Dolmetschers, helfen dann aber doch. Gelson Fernandes, Mijat Gajinovic und David Abraham waren drei, die mir geholfen haben, wenn ich zum Beispiel verstärkt die neuen Franzosen betreuen musste. Wenn Spieler für Teamkollegen aus demselben Sprachraum dolmetschen, muss ich das Ganze moderieren, aber nicht selbst aktiv werden. Einmal habe ich für den Mexikaner Carlos Salcedo auf Französisch übersetzt und für den Franzosen Simon Falette auf Spanisch, das sorgte für großes Gelächter, aber das kann im Eifer des Gefechts schon mal passieren.

ran: Was sind Ihre Tricks, um den Spielern Deutsch beizubringen oder sich besser zu verständigen?

Gödde: Man hat ein breit gefächertes Publikum und muss sich darauf einstellen. Man muss sich daher fragen: Was ist zumutbar? Es darf nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig sein. Es darf auch nicht zu einer Missstimmung führen. Wir haben die Familien mit eingebunden, um die Sprache zusammen zu lernen, oder auch innovative Spiele genutzt. Ich habe auch viel mit Sprachnachrichten gearbeitet. Es reagiert aber jeder Spieler anders darauf. Einige freuen sich, andere schreiben gar nicht zurück.

ran: Wie geht man denn mit Spielern um, bei denen die Integration nicht klappt? Sieht man das als eine persönliche Niederlage an, wie zum Beispiel bei Fabio Blanco, der als großes Talent galt, aber nie richtig in Frankfurt angekommen ist?

Gödde: Ich muss ganz ehrlich zugeben, dass mich das ein Stück weit traumatisiert hat. Ich habe das sehr persönlich genommen, und es hat mir sehr leidgetan. Da habe ich gemerkt, dass es etwas anderes ist, wenn du einen Spieler hast, der minderjährig ist. Für mich war das eine neue Erfahrung, auch wenn ich mich dahinter nicht verstecken will.

ran: Was ist schiefgelaufen?

Gödde: Vieles steht und fällt mit den Vorstellungen des familiären Umfelds, das wiederum den Einflüssen der Berater ausgesetzt ist. Da dauert es manchmal sehr lange, bis du eine Unterschrift von den Erziehungsberechtigten eingeholt hast, gerade beim Thema Schule. Wir haben ihm einiges angeboten und ihm klar aufgezeigt: Wir lassen dich nie fallen und tun alles für dich. Außersportlich. Was auf dem Platz passiert, liegt allerdings nicht in unserer Hand. Mit den fehlenden Einsatzzeiten steigt aber natürlich die Unzufriedenheit beim Spieler, bei der Familie und den Beratern. Da kann die Schule noch so gut sein, wenn die rein fußballerische Zufriedenheit mit sich und der Welt beim Spieler nicht mehr gegeben ist, wird es schwierig.

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ran: Welche Rolle hat der Verein gespielt?

Gödde: Der Wechsel zu Eintracht Frankfurt ist vielleicht von einigen Seiten zu offensiv und zu optimistisch kommuniziert worden. Das hat für eine große Erwartungshaltung gesorgt, mit entsprechender Fallhöhe. Man stößt bei der Integration auch irgendwann an seine Grenzen, lernt aber daraus. Ich würde bei minderjährigen Spielern in Zukunft etwas anders vorgehen.

ran: Wie ist die Zusammenarbeit mit dem Trainer und den Spielern? Wie läuft die Kommunikation ab?

Gödde: Ich habe versucht, in meiner Rolle nicht groß aufzufallen. Man ist immer da, aber nicht immer sichtbar - vielleicht nur hörbar (lacht). Bei internen Absprachen der Spieler, wie zum Beispiel beim Mannschaftsrat, habe ich immer gefragt, ob man mich dabeihaben will. Mein Leitbild war: Wenn der Trainer auf dem Platz zur Mannschaft spricht, muss ich in der Nähe sein, aber ich muss nicht unbedingt eingreifen oder den Hampelmann spielen. Bei vielen Einzelgesprächen bin ich dabei, das ist auch wichtig und wird vom Trainer honoriert. Daneben gibt es gesetzte Termine, wie Videoanalysen und Besprechungen.

ran: Welche Rolle haben Sie während der Spiele und wie viel Fußballwissen braucht man dafür?

Gödde: Bei der Halbzeitansprache bin ich natürlich für die Übersetzung zuständig und bei Einwechslungen übersetze ich letzte taktische Anweisungen. Der Vorteil ist, dass man ja alles im Vorfeld mitbekommen hat und weiß, worum es geht. Ich würde mich dennoch nicht als großen Fußballexperten bezeichnen - vor allem im Verhältnis zu den Trainern. Vor meinem Job bei der Eintracht dachte ich, ich habe Ahnung von Fußball, aber ich habe schnell gemerkt, dass man da nochmal eine Schippe drauflegen und herausfinden muss: Was will der Trainer eigentlich genau? Das geht aber dann doch schnell, weil man gerade in der Saisonvorbereitung sehr viel Zeit miteinander verbringt.

ran: Wie gehen Sie mit Interviews um? Wird alles wörtlich übersetzt - oder übersetzt man freier, um vielleicht auch den Spieler zu schützen, wenn er sich "unglücklich" äußert?

Gödde: Eine gewisse Verpackungskunst sollte man in dem Metier mitbringen. Gerade die jungen Spieler treffen die eine oder andere Aussage, die bei einer wörtlichen Übersetzung etwas unglücklich wäre. Ein Spieler hat zum Beispiel nach einem verlorenen Spiel unter der Woche vom Pokal-Aus gesprochen. Dann musste ich ihm erklären, dass wir in einer Englischen Woche sind und es ein ganz normaler Spieltag war. Wenn es eine Aussage gibt, die ins Negative gewertet werden könnte, habe ich versucht, es neutraler zu formulieren, aber natürlich nicht komplett das Gegenteil übersetzt.

ran: Was erwartet der Verein von seinem Dolmetscher - ist es gewünscht, auch mal eine Floskel wie "Wir gucken von Spiel zu Spiel" zu übersetzen?

Gödde: Das nicht unbedingt, aber bei den Briefings kam es manchmal schon vor, dass den Spielern gesagt wurde: 'Das bitte nicht thematisieren oder nicht groß darauf eingehen, aber nach Möglichkeit xy sagen.' Das hat mich immer etwas gewundert, da man nicht weiß, welche Frage gestellt wird. Ich gebe ja nicht die Antworten, ich übersetze ja nur. Ich entschärfe vielleicht hier und da, aber ich erfinde nichts. Da hat man mir aber mit der Zeit auch vertraut und kannte meinen Duktus.

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ran: Was war Ihr größter Fauxpas bei den Übersetzungen?

Gödde: Unter Niko Kovac gab es die eine oder andere Rede, die er mit einer gehörigen Portion Wut im Bauch gehalten hat. Da habe ich den Fehler gemacht, genauso energisch zu dolmetschen. Und musste mir von einem Spieler anhören lassen: 'Wer bist du eigentlich, dass du so mit mir sprichst?' Da habe ich mir angewöhnt, eine gewisse Verärgerung der Trainer sachlich zu übersetzen. Ich muss das nicht künstlich reproduzieren und den Papagei spielen. Ich bin ruhiger und sachlicher geworden.

ran: Was war denn die lustigste Situation, die Sie bei der Eintracht erlebt haben?

Gödde: Ich habe Sebastien Haller samt Berater mit meinem Job-Ticket mit der Bahn vom Flughafen abgeholt. Als das am nächsten Tag rausgekommen ist, gab es Ärger: 'Wie konntest du nur? Das geht doch nicht. Was mutet der unserem Spieler zu? Ach, der macht das doch nur, weil er keinen Bock auf diese Aufgabe hat.' Ich hatte aber im Vorfeld mit Haller gesprochen, er hatte mir gesagt, dass es für ihn kein Problem sei, da er in der Pariser Metro groß geworden ist. Er fand das sogar richtig gut und opportun. Und meinte nur: 'Also, eure Züge hier sind ziemlich leer, muss ich sagen.' Einige meiner Kollegen klangen da nicht so begeistert wie er. Rückblickend habe ich jede mir anvertraute Aufgabe gerne erfüllt, sie aber das eine oder andere Mal so gestaltet, wie ich es in dem Moment für richtig hielt.

ran: Wie sehen sie die Rolle des Dolmetschers im Fußball? Er wird dringend benötigt, aber Trainer machen sich zum Beispiel auf Pressekonferenzen darüber lustig.

Gödde: Ich habe selbst das Stahlbad Jürgen Klopp erlebt. Wenn du ihn einigermaßen zufriedenstellst, dann bist du schon mal auf der sicheren Seite. Es gibt ja auch Gedanken, diese Position technisch zu ersetzen, aber beim Sprachmittler spielt auch die Seele eine Rolle - gerade in so einer emotionalen Sportart. Am Ende gehört man zum erweiterten Teammanagement und das ist ein sehr wichtiger Bestandteil des Vereins, das wird auch immer betont.

ran: Kommen wir zu Eintracht Frankfurt: Sie waren ja bei dem Gewinn der Europa League mit dabei. Wie ist ihr Eindruck von Oliver Glasner?

Gödde: Ein akribisch arbeitender Trainer, der erfolgsversessen ist. Er ist immer gierig nach Erfolg - auch im Training. Dabei aber menschlich absolut fair und nahbar. Es gibt keinen großen Unterschied bei ihm zwischen der internen und der externen Kommunikation. Er verstellt sich nicht. Die Erfolge sprechen für ihn. Ich hoffe, dass er der Eintracht noch lange erhalten bleibt. Er ist ein Glücksgriff für Frankfurt.

ran: Gibt es noch Kontakt zu ehemaligen Spielern oder aktuellen Eintracht-Verantwortlichen?

Gödde: Jesús Vallejo meldet sich regelmäßig bei mir auf Deutsch, auch wenn er nur eine Saison bei der Eintracht war. Simon Falette schreibt mir aus der Türkei und bedankt sich, dass ich so hartnäckig beim Deutschlernen war und wie viele Türen ihm das geöffnet hat, auch und gerade in der Türkei. Das ist sehr schön zu hören. Über die sozialen Medien kommuniziere ich weiterhin viel mit David Abraham, Gonçalo Paciência und Marco Fabián.

Das Interview führte Alice Jo Tietje


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