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Bundesliga

FC Bayern: Mitgliederaufstand eine Zerreißprobe für den Verein

  • Aktualisiert: 27.11.2021
  • 08:19 Uhr
  • ran.de
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© 2021 imago
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Der Eklat bei der Jahreshauptversammlung hat das Spannungsverhältnis beim FC Bayern München zwischen Vereinsführung und Fans offenbart. ran erklärt die Gründe für das Bayern-Dilemma.

München - Denkwürdige Jahreshauptversammlungen hat es beim FC Bayern München schon einige gegeben. Etwa als Uli Hoeneß 2007 die Südkurven-Fans für die beklagte "Scheiß-Stimmung" wutentbrannt selbst verantwortlich machte. Oder als Mitglied Johannes Bachmayr vor drei Jahren in einer Brandrede mit Hoeneß und der gesamten Vereinsspitze hart ins Gericht ging. Schon damals war der umstrittene Sponsoring-Deal mit Qatar Airways übrigens einer der Kritikpunkte.

Doch auch wenn Emotionen in der Vergangenheit überkochten, das "Mia san Mia"-Selbstverständnis des Klubs stand nie auf dem Spiel. Bis jetzt. Der Eklat bei der diesjährigen Jahreshauptversammlung droht für den Verein zur Zerreißprobe zu werden. Erschreckend tief ist der Graben zwischen Vereinsführung und einigen Mitgliedern derzeit.

Auch weil dem FC Bayern ein Spagat gelingen muss, der schier unmöglich ist: Auf der einen Seite ein Global Player zu sein, der mit Scheich-Klubs wie Paris St. Germain und Manchester City mithalten will. Auf der anderen Seite die Wahrung der Fankultur eines eingetragenen Vereins, der mit 290.000 Mitgliedern der größte der Welt ist.

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Sponsoring-Deal mit Katar als Pulverfass

Schon vor Wochen hatte sich abgezeichnet, dass die Kooperation mit Qatar Airways, die bereits seit 2018 besteht, großes Eskalationspotenzial in sich birgt. Die Menschenrechtsverletzungen im Emirat seien mit den Werten des FC Bayern München nicht vereinbar, heißt es in einem Antrag auf Beendigung des Sponsoren-Vertrags von Initiator Michael Ott.

Die Bayern rechtfertigen die Zusammenarbeit seit Jahren damit, dass Dialog immer besser sei als Ausgrenzung. Nur im Austausch könne man auf Missstände aufmerksam machen und Veränderungen herbeiführen. Einen Dialog mit den Mitgliedern scheuten den Bosse jedoch, weshalb die Jahreshauptversammlung laut Ehrenpräsident Hoeneß zur "schlimmsten Veranstaltung wurde, die ich je beim FC Bayern erlebt habe".

Kahn und Hainer keine Identifikationsfiguren

Die Gründe für die verhärteten Fronten zwischen Klub und Fans sind vielfältig. Das größte Problem dabei: die handelnden Akteure.

Die frühere Doppelspitze um Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß konnte sich der Gefolgschaft der Fans meist sicher sein. Zwar wurde auch hier gestritten und diskutiert. Vor allem Hoeneß als absolute Integrationsfigur lockte aber viele linientreue Fans zur jährlichen Veranstaltung. 

Seine Nähe zum Herzstück des Vereins ermöglichte es ihm auch erst, dass er 2016 nach abgesessener Haftstrafe wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe mit großer Mehrheit wieder zum Präsident gewählt wurde. Er galt als das Herz des Klubs, Rummenigge als der Kopf. Heißblütiger Präsident, kühler Vorstandsboss - diese Kombination funktionierte.

Dieser Zugang eines Uli Hoeneß, der sich auch mal zu eingefleischten Ultras an den Biertisch setzte, fehlt der neuen Führung. Hainer ist als ehemaliger Chef des Weltkonzerns Adidas keiner, mit dem sich die Fans identifizieren können. Und Kahn galt schon als Spieler als Titan, als unnahbar.

Statt einem emotionalen Hoeneß und einem kühlen Rummenigge stehen nun zwei Macher an der Spitze, die ihre Rolle noch finden müssen.

Die fehlende emotionale Bindung zu den Fans sorgt jetzt wohl auch dafür, dass kritische Stimmen lauter scheinen. Denn rund 800 Mitglieder bei der JHV repräsentieren eher unwahrscheinlich die dominierende Meinung der 290.000 Mitglieder weltweit.

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Fans mit großen Mitspracherecht

Auch die Struktur des FC Bayern München verkompliziert die Arbeit für die Klub-Bosse. 2001 wurde die Profifußball-Abteilung aus dem eingetragenen Verein in die FC Bayern München AG ausgegliedert. Damit öffnete sich der Rekordmeister für Investoren, allerdings nur bedingt. Der e. V. – also die Mitglieder – halten derzeit 75 Prozent der Anteile an der AG.

Die restlichen 25 Prozent teilen sich Adidas, Audi AG sowie die Allianz mit jeweils 8,33 Prozent. Laut Vereinsstatuten könnte die AG zwar noch Anteile in Höhe von fünf Prozent veräußern. Dennoch haben die Mitglieder für einen so bedeutenden Klub ein ungewöhnlich umfangreiches Mitspracherecht. Eine Tatsache, mit der sich Hainer und Kahn offenbar noch anfreunden müssen.

Vor allem Hainer wirkte bei der Jahreshauptversammlung wie jemand, dem man demokratische Mitsprache in einem Verein noch erklären muss. Kein Wunder - er war es als CEO von Adidas eher gewohnt, dass alle nach seiner Pfeife tanzten. Mit moralischen Fragen a la Katar musste er sich als Herr der drei Streifen ohnehin nicht allzu sehr herumschlagen. In der freien Wirtschaft ist der moralische Rahmen eben noch ein weniger weiter als in einem Fußballklub, der von emotionalen Fans unterstützt wird.

"Wir setzen uns gerne mit unseren Mitgliedern an einen Tisch", so der Präsident in der "tz". Die JHV am Tag zuvor bewies jedoch das Gegenteil. Hainer selbst fiel bei den Fans besonders in Ungnade, als er die Versammlung trotz noch ausstehender Wortmeldungen kurzerhand abgebrochen hatte. Ein Fehler, der ihm noch teuer zu stehen kommen könnte. Denn für seine Wiederwahl in einem Jahr braucht er die Mehrheit der anwesenden Mitglieder der Jahreshauptversammlung. 

Eine geringe Mitgliederbeteiligung aufgrund von Corona, ein starker "Volkstribun" als Gegenkandidat und schon könnte Hainer seinen Job als Präsident los sein. Auch wenn es unwahrscheinlich klingt, so mancher rebellische Fan träumt von solch einem Szenario.

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Mitglieder befürchten zu großen Katar-Einfluss

Doch zurück zum eigentlichen Zank-Apfel, dem Sponsoren-Vertrag mit Qatar Airways.

Kritik seitens der Fans gibt es seit Bestehen im Jahr 2018. Zwar sind Sponsoren-Geschäfte im Verantwortungsbereich der AG verankert. Weil die Qatar Holding, zu der die Airline gehört, aber 17 Prozent Anteile am Audi-Mutterkonzern VW hält, befürchten die Mitglieder eine zu große Einflussnahme der Araber durch die Hintertür. 

Die Menschenrechtsproblematik im Emirat spielt dabei eine wichtige Rolle. Wenn Vorstandsboss Kahn sich auf Compliance-Regeln für Sponsoren beruft, fragt man sich, was sich ein potenzieller Vertragspartner eigentlich zu Schulden kommen lassen muss, um sich selbst zu disqualifizieren. Die Missachtung von Menschenrechten war bislang jedenfalls kein ausreichender Grund.

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Wenzel Michalski, Direktor von Human Rights Watch Deutschland, hat den Umgang des FC Bayern mit den Fans kritisiert.

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Jüdische Geschichte mit Katar-Deal unvereinbar

Der laute Protest vieler Mitglieder liegt auch in der jüdischen Vergangenheit des FC Bayern begründet. Seit jeher pflegen die Ultras das jüdische Erbe des Rekordmeisters, wurden dafür von Karl-Heinz Rummenigge mehrmals öffentlich gelobt und im Jahr 2014 sogar vom DFB mit dem Julius-Hirsch-Preis ausgezeichnet. Gewürdigt wurde dabei das Engagement der Fans im Zusammenhang mit dem ehemaligen Bayern-Präsident Kurt Landauer.

Dieser hatte den Verein 1932 zur ersten Deutschen Meisterschaft geführt, ehe er 1933 aufgrund seiner jüdischen Herkunft auf politischen Druck der Nazis zurücktreten musste. Nach KZ-Aufenthalt und Exil kehrte Landauer 1947 zum FC Bayern zurück, wurde erneut zum ersten Vorsitzenden des Vereins gewählt und baute den Nachkriegs-FC Bayern wieder auf.

Noch heute veranstalten die Ultras jedes Jahr ein antirassistisches Fußballturnier um den Kurt-Landauer-Pokal. Dass mit Katar ein judenfeindliches Land mit dem FC Bayern kooperiert, erschüttert das Selbstverständnis der Fans in seinen Grundfesten. Wie viele fragen sich: Wie kann man sich von einem Land unterstützen lassen, in das ein Kurt Landauer nicht einmal einreisen dürfte?

Bayern setzt ein Zeichen

Allerdings muss man der Bayern-Führung zugute halten, dass sich der Rekordmeister tatsächlich darum bemüht, positive Entwicklungen in Katar in Gang zu setzen.

So schickt der Rekordmeister beispielsweise ganz bewusst sein Frauen-Team ins Trainingslager nach Doha. Um Zeichen zu setzen. Wohlwissend, welches frauenverachtende Bild Katars Machthaber propagieren. Glaubt man den Verantwortlichen, sollen sich die Verhältnisse in Katar auch dadurch zumindest ein wenig verbessert haben.

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Mitglieder beklagen Doppelmoral

Dennoch: Die Doppelmoral des FC Bayern bleibt vielen Fans ein Dorn im Auge. Tatsächlich ist es wenig verständlich, wenn Kahn in seiner Rede bei der JHV europäische Topklubs wie Manchester City und Paris St. Germain für Ihre Investoren an den Pranger stellt, selbst aber eine Zusammenarbeit mit Katar gutheißt.

Ebenso schwer nachvollziehbar ist es, wenn sich der FC Bayern seit Jahren den Kampf gegen Rassismus auf die Fahne schreibt, im Gegenzug den eigenen Rassismus-Skandal im Nachwuchsleistungszentrum in den Augen der Anhänger nur ungenügend und intransparent aufgearbeitet hat. 

All das muss sich bei den Mitgliedern in den vergangenen Monaten, vielleicht Jahren aufgestaut und am Donnerstag schließlich entladen haben. Wie die neue Bayern-Führung mit diesen brisanten Themen künftig umgeht, wird auch darüber entscheiden, ob das "Mia san Mia" des mitgliederstärksten Klubs der Welt daran endgültig zerbricht.

Carolin Blüchel

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