Die Relegation LIVE in SAT.1 und auf ran.de
Hertha und der HSV: Investoren und der Niedergang
- Aktualisiert: 18.05.2022
- 16:19 Uhr
- ran / Oliver Jensen
Hertha BSC und der Hamburger SV, die in der Relegation (live in SAT.1 und auf ran.de) aufeinandertreffen, haben ein gemeinsames Schicksal. Sie wollten mit Hilfe eines Investors durchstarten, bekamen stattdessen aber viel Unruhe und den sportlichen Niedergang. Der HSV hat seine Lektion anscheinend gelernt - und die Berliner?
Hamburg – Zwei Vereine, zwei Spiele, ein gemeinsames Schicksal!
Der sportliche Niedergang von Hertha BSC und dem Hamburger SV, die nun im Relegationsduell um die Bundesliga-Zugehörigkeit spielen, hat Parallelen - der Einstieg der Investoren spielt dabei eine gewichtige Rolle. Gemeint sind Klaus-Michael Kühne beim Hamburger SV und Lars Windhorst bei Hertha BSC.
Kühne hat mit seinem Speditionsunternehmen ein Vermögen von geschätzten 37,4 Milliarden Euro erwirtschaftet und zählt zu den zehn reichsten Personen in Deutschland. Der HSV ist praktisch sein Hobby. Oder besser gesagt: Es war sein Hobby.
Rund 100 Millionen Euro soll er laut Medienberichten in den Verein investiert haben. Rückblickend bezeichnet er dies als ein "völlig missglücktes Abenteuer". Im Oktober sagte er dem "Hamburger Abendblatt": "Ich bin noch Aktionär, aber es macht keinen Spaß mehr."
Kühne stieg im Jahr 2010 beim HSV ein, als er für 12,5 Millionen Euro 33 Prozent der Transferrechte an Spielern wie Dennis Aogo und Marcell Jansen erwarb. Zwei Jahre später ermöglichte er durch ein Darlehen von 8,5 Millionen Euro die Verpflichtung von Rafael van der Vaart.
Immer wieder überwies er Geld an den HSV. Vielfach wurden die Darlehen in Anteile an der HSV Fußball AG umgewandelt, sodass er zeitweise 20,57 Prozent besaß. Heute sind es noch 15,21 Prozent.
Kurios: Je mehr Geld Kühne in den HSV steckte, desto schlechter war die sportliche Entwicklung. 2010, in Jahr seines Einstiegs, stand der Verein noch im Halbfinale der Europa League. Danach nahmen die Rothosen nie wieder an einem internationalen Wettbewerb teil.
Im Sommer 2016 wollte Kühne mit dem HSV den Erfolg erzwingen und stellte für Neuverpflichtungen 38 Millionen Euro zur Verfügung. Die Summe hätte nur zurückgezahlt werden müssen, wenn der HSV sich in den folgenden sechs Spielzeiten drei Mal für den Europapokal qualifiziert – also letztlich gar nicht.
Kühne wirft dem HSV "Unvermögen" vor
Der Ausgang ist bekannt: Der HSV vermied in der Saison darauf am letzten Spieltag gerade noch die Relegation. Ein Jahr später erfolgte beinahe unvermeidlich der Abstieg in die 2. Liga. "Dem HSV klebt das Pech und das Unvermögen an den Hacken", sagte Kühne einmal.
Dabei trägt er selbst seinen Anteil daran. Der renommierte Spielerberater Volker Struth hat Kühne bei seinen Investitionen zeitweise beraten. In seinem Buch "Meine Spielzüge" berichtet er, dass Kühne, der damalige Vereinsboss Dietmar Beiersdorfer und der frühere Trainer Bruno Labbadia eher gegeneinander als miteinander arbeiteten. Dies scheint ohnehin eher Kern des Problems gewesen zu sein als der bloße Einstieg des Geldgebers.
Wunschspieler des Trainers, beispielsweise war eine Rückholaktion von Aogo geplant, wurden vom Investor abgelehnt, der dies hätte finanzieren müssen. Wunschspieler vom Investor wiederum, Moussa Sissoko soll damals ein Thema gewesen sein, lehnte der Trainer ab.
Externer Inhalt
Getätigte Transfers waren eher ein Kompromiss als eine gemeinsame Entscheidung.
Struth schreibt in seinem Buch: "Trotz faszinierender einzelner Zukäufe fehlte das Wichtigste: eine stringente Linie. Kriegte der Trainer seinen einen Wunschspieler, durfte der Sportvorstand dafür seinen kaufen. Ich hatte einen wunderbaren Crashkurs erhalten zum Thema: Warum es mit dem HSV nie etwas wird."
Auch verbal sorgte Kühne immer wieder für Unruhe. Der frühere Sportdirektor Oliver Kreuzer wurde kurz nach seinem Dienstantritt in Hamburg von Kühne öffentlich als "Drittliga-Manager" abgekanzelt. Pierre-Michel Lasogga, der immerhin 49 Pflichtspieltore für den HSV schoss, hatte er als "Lusche" abgetan.
Kurzum: Kühne brachte viel Geld, aber genauso viel Unruhe in den Verein.
Windhorst investierte rund 375 Millionen Euro in die Hertha
Ähnliches lässt sich von Lars Windhorst bei Hertha BSC behaupten. Das Vermögen des deutschen Unternehmers wird auf bis zu 800 Millionen Euro geschätzt. Seit seinem Einstieg im Juni 2019 soll er insgesamt rund 375 Millionen Euro in den Verein gesteckt haben.
Er scheint dies ähnlich zu bereuen wie Kühne. "Bislang hat mir das Investment bei Hertha abgesehen von positiven Erfahrungen mit vielen Mitgliedern nur Nachteile gebracht", sagte er im März.
Rund 170 Millionen Euro hat die Hertha seit Sommer 2019 in Neuzugänge investiert, rund 82,4 Millionen Euro durch Spielerverkäufe eingenommen. Dies ergibt ein Transferminus von 87,6 Millionen Euro. Eine Verbesserung der Mannschaft fand allerdings nicht statt.
Im Gegenteil: Mit Tabellenplatz 10, 14 und 16 ging es seit dem Einstieg von Windhorst nur noch bergab.
Dabei hatte Windhorst noch im Juni 2020 getönt: "Wenn alle Beteiligten mitspielen und nicht zu große Fehler gemacht werden, dann gibt es theoretisch keinen Grund, warum Hertha nicht auch einmal deutscher Meister werden sollte und in der Champions League oben mitspielt."
Die Millionen von Windhorst flossen aber nicht nur in neue Spieler, sondern auch in die Schuldentilgung und die Eigenkapitalerhöhung. Zudem wurde Geld benötigt, um die Corona-Verluste zu kompensieren.
Lindhorst hält mit Peil Investment B.V. 66,6 Prozent der Anteile an der Hertha BSC GmbH & Co. KGaA. Allerdings nicht vom Hertha, Berliner Sport-Club e.V. Nur deshalb wird die 50+1-Regel nicht verletzt.
Konflikt zwischen Investor und Präsident sorgt für Unruhe
Einfluss auf den Verein versucht er trotzdem zu nehmen. Das beste Beispiel: Am Tage nach dem ersten Sieg der Hertha unter Trainer Felix Magath meldete sich Windhorst bei "Bild TV" zu Wort und sagte, es sei nicht möglich "unter der Führung von Herrn Gegenbauer (Präsident, Anm.d.Red.) als Team gemeinsam etwas zu erreichen."
Fredi Bobic ist in seiner Funktion als Sport-Geschäftsführer gefordert. "Wir haben sehr viele Nebengeräusche bei uns. Ich versuche immer, zu vermitteln. Das wird nicht immer gelingen. Es sind viele persönliche Sachen", sagte er dem ZDF.
Stellt sich die logische Frage: Warum sorgt ein Investor für Unruhe in einem Verein, in den er so viel Geld investiert hat?
Windhorst verrät auf Nachfrage des ZDF: "Manchmal zweifle ich, ob es der richtige Schritt war. Das liegt aber nicht am Verein, dessen Potenzial ich nach wie vor sehe, sondern an den dort handelnden Personen."
Die Motivation von Kühne und Windhorst scheint ähnlich gelagert zu sein. Beide wollen nicht tatenlos zusehen, wie ihre hohe Investition verbrannt werden. Also versuchen sie Einfluss zu nehmen. Sie tun das vermutlich nach bestem Gewissen.
Und doch haben sie dadurch den sportlichen Niedergang ihres Vereins begleitet - wenn nicht sogar mit eingeleitet.
Oliver Jensen
Du willst die wichtigsten Fußball-News, Videos und Daten direkt auf Deinem Smartphone? Dann hole Dir die neue ran-App mit Push-Nachrichten für die wichtigsten News Deiner Lieblings-Sportart. Erhältlich im App-Store für Apple und Android.