Frust beim Superstar
Cristiano Ronaldo in der Krise: So schlecht wie Union Berlin
- Aktualisiert: 14.11.2019
- 18:02 Uhr
- ran.de/Thomas Gaber
Der Superstar erlebt schwierige Wochen bei Juventus Turin. Zuletzt musste er mehrmals vorzeitig vom Platz. Für Ronaldo persönlich ein Affront, für andere aufgrund seiner Leistungen alternativlos. Die Zahlen belegen: Ronaldo ist auf dem absteigenden Ast.
München - Ronaldo grinst mit Joao Cancelo um die Wette, während er Bruma Bangna im Schwitzkasten hält. Seine Bewegungen im 5-gegen-2 sind flüssig, ebenso seine Torschussübungen. Hier ein bisschen Schabernack mit den Kollegen, dort ernsthafte Spielvorbereitung auf das EM-Quali-Spiel gegen Litauen (ab 20.45 Uhr im ran.de-Liveticker). Der Superstar vermittelt während des Trainings im Kreis der portugiesischen Nationalmannschaft den Eindruck, dass alles bestens ist.
Die Luftveränderung scheint Ronaldo gutzutun und das liegt nicht nur an der Sonne und den angenehmen 18 Grad an der Algarveküste im Gegensatz zu 4 Grad und dem traditionell dichten November-Nebel in seiner Wahlheimat.
Ronaldos Alltag in Turin ist grau, weil es zuletzt für ihn sportlich nicht lief wie gewohnt. Juventus liegt in der Serie A und der Champions League wie immer auf Kurs, auch wenn der Vorsprung des Liga-Tabellenführers auf Inter Mailand mit einem Punkt verhältnismäßig mickrig ist.
Ärger um vorzeitige Auswechslung
Doch CR7 wirkt zunehmend frustriert. In den letzten beiden Spielen wurde er frühzeitig ausgewechselt, gegen den AC Milan bereits nach 55 Minuten. Blasphemie in seinen Augen. Was Ronaldo davon hält, ließ er Trainer Maurizio Sarri und seine Juve-Kollegen deutlich spüren. Beim ersten Mal lieferte er sich ein Wortgefecht mit Sarri, beim zweiten Mal verließ er das Stadion noch vor Spielende. Italienische Medien berichteten umgehend, dass der Juve-Spielertross eine Entschuldigung Ronaldos einforderte.
Vielmehr sollte man sich aber der Frage nach dem Warum widmen. Warum wagt es Sarri, Ronaldo vorzeitig vom Feld zu nehmen, und das gleich mehrfach? Ist er so naiv und weiß nicht, welches Echo das beim Spieler und in der Öffentlichkeit hervorruft?
Diese Frage muss mit einem klaren Nein beantwortet werden. Sarri ist nicht erst seit gestern im Geschäft. Er muss sich der Tragweite seiner Entscheidung bewusst sein. Zudem ist der Coach dafür bekannt, nicht nach Namen aufzustellen. Beim FC Chelsea ließ er Eden Hazard in der Saison 2018/19 immer wieder mal draußen, obwohl dieser eine sehr starke WM gespielt hatte und als der Spieler bei den Blues galt, der den Unterschied ausmachen kann. Hazard passte nicht so gut in sein System.
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Auf einer Stufe mit Unions Andersson und Augsburgs Niederlechner
Das gleiche Schicksal trifft aktuell auch Ronaldo. Unter Sarris Vorgänger Massimiliano Allegri durfte sich Ronaldo im 4-3-3 auf seiner geliebten linken Außenbahn austoben und war nur bedingt für Defensivaufgaben eingeplant. In Sarris 4-3-1-2 bekleidet er eine der beiden Stürmerpositionen, was Ronaldo (noch nicht) wirklich behagt.
Zwar schießt kein Spieler in der Serie A (39 Mal) und der Champions League (elf Mal) so häufig aufs Tor wie Ronaldo, doch des Öfteren sind es eher Verzweiflungsversuche. "Wo Ronaldo in seinem ersten Jahr bei Juve noch den besser postierten Mitspieler gesucht hat, versucht er jetzt auf eigene Faust. Man kann seine Frustration auf dem Platz förmlich greifen", schrieb die Zeitung "Corriere dello Sport".
50 Torschüsse in 14 Pflichtspielen sind für Ronaldo nichts Ungewöhnliches, die Zahlen decken sich in etwa mit denen aus seiner Zeit bei Real Madrid. Doch die Erfolgsquote ist in dieser Saison deutlich schlechter. Mit sechs Scorerpunkten (fünf Tore, ein Assist) liegt Ronaldo im internationalen Vergleich mit Europas Topligen auf dem geteilten 78. Platz - mit Sebastian Andersson von Union Berlin und Florian Niederlechner vom FC Augsburg.
Dramatischer Einbruch bei der Torquote
Für Italiens Trainerlegende Fabio Capello hängen Ronaldos Leistungen eng mit seinem Frust-Abgang nach dem Milan-Spiel zusammen.
"Die Tatsache, dass er nicht auf der Bank saß und Sarri beschimpfte, gibt kein schönes Bild ab. Man muss ein Champion sein, auch wenn man ausgewechselt wird, nicht nur, wenn alles gut läuft. Derzeit geht es ihm nicht gut. Er hat seit drei Jahren keinen Gegner mehr ausgespielt. Ich erinnere mich, als er seine Gegner überholt hat und sie zurückließ. Jetzt passiert das nicht mehr", sagte Capello.
Mag sein, dass Ronaldo mit mittlerweile 34 Jahren nicht mehr so leichtfüßig Gegenspielern davonrennt, aber er war stets ein absoluter Torgarant. In seiner letzten Saison für Real Madrid traf er im Schnitt alle 83 Minuten. Seitdem er bei Juve ist, fällt die Quote dramatisch: Alle 130 Minuten im ersten Jahr, aktuell sind es 202 Minuten.
Portugals Fußball beherbergt 29 Cristiano Ronaldos
Es ist Ronaldo selbst, der sich bei der Beurteilung seiner Leistungen gerne an seinen Toren messen lässt. Insofern kann auch er selbst nicht mit seinem Ertrag zufrieden sein. Und eine Sache dürfte ihn zusätzlich wurmen: Dass ein anderer Juve-Spieler derzeit die positiven Schlagzeilen bestimmt. Paulo Dybala ist nämlich quasi das Gegenstück zu Ronaldo. In der letzten Saison hat der Argentinier unter Ronaldos Allmacht bei Juve gelitten, in dieser Saison blüht er auf. Gegen Milan erzielte er das entscheidende 1:0 - als Einwechselspieler für Ronaldo.
Ob und inwieweit Ronaldos unrühmlicher Abgang in dieser Partie noch ein Nachspiel haben wird, ist ungewiss. Sarri will das der Mannschaft überlassen. "Wenn Cristiano vor dem Ende gegangen ist, ist es ein Problem, das er mit seinen Kollegen lösen muss", stellte er klar. Er habe ihn ausgewechselt, weil Ronaldo auf ihn angeschlagen gewirkt habe, so Sarri.
Davon war im Training der Portugiesen nichts zu sehen. Seine Heimat erlebt einen anderen Ronaldo. Und seine Landsleute liegen ihm ohnehin zu Füßen, egal wie gut oder schlecht er derzeit im Verein spielt. Der "Bleacher Report" berichtet, dass es in der Datenbank des portugiesischen Verbandes 29 Spieler mit dem Namen Cristiano Ronaldo gibt. Alle wurden nach dem ersten Profispiel des Originals geboren. Der letzte im Februar 2003, wenige Monate nach Ronaldos Debüt bei Sporting Lissabon.
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