Wirbel um WM-Vergabe 2006
"Sommermärchen-Prozess" verjährt: Fragen und Antworten zum Stand der Dinge
- Aktualisiert: 27.04.2020
- 09:06 Uhr
- ran.de
Der Prozess um die WM-Vergabe 2006 fällt am 27. April der Verjährung zum Opfer. Doch wie konnte es soweit kommen? ran.de hat die Antworten.
München - Der 27. April 2020 ist ein besonderer Tag – zumindest aus juristischer Sicht.
Denn an diesem heutigen Montag wird der sogenannte "Sommermärchen-Prozess" offiziell eingestellt, knapp fünf Jahre nachdem die ersten Verdachtsmomente publik wurden.
Dazwischen lagen zahlreiche juristische Winkelzüge, endlose Verfahren und ein immer weiter schwindendes Interesse der Öffentlichkeit. Doch wie konnte es überhaupt soweit kommen und warum wird das Verfahren nun doch eingestellt? ran.de hat die wichtigsten Fragen und Antworten zum "Sommermärchen-Prozess".
Warum kam es überhaupt zum "Sommermärchen-Prozess"?
Auslöser war eine Pressemitteilung des DFB am 16. Oktober 2015. Darin wurde von einer Zahlung in Höhe von 6,7 Millionen Euro an die FIFA berichtet. Der Grund der Zahlung war unklar. Am selben Tag berichtet das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel", dass die WM 2006 in Deutschland gekauft gewesen sei. Die beteiligten Protagonisten widersprachen der Darstellung in den folgenden Tagen vehement.
Zehn Tage nach dem ersten Bericht räumt Franz Beckenbauer, OK-Präsident der WM 2006, ein, dass der Deal mit der FIFA ein Fehler gewesen sei. Einen Stimmenkauf bestreitet er aber. Im November 2015 führt die Steuerfahndung Frankfurt eine Razzia in der DFB-Zentrale und den Privathäusern der Protagonisten durch. Schließlich nehmen die Schweizer Bundesanwaltschaft und das FBI die Ermittlungen auf.
Im Mai 2018 erhebt schließlich die Staatsanwaltschaft Frankfurt Anklage wegen des Verdachts der schweren Steuerhinterziehung. Im Oktober 2018 jedoch lehnt das Landgericht Frankfurt am Main die Eröffnung eines Hauptverfahrens mangels hinreichenden Tatverdachts ab. Im August 2019, nach mehr als drei Jahren Ermittlungsarbeit, erhebt schließlich die Schweizer Bundesanwaltschaft Anklage.
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Welche Beteiligten wurden angeklagt und was wurde ihnen vorgeworfen?
Von der Schweizer Bundesanwaltschaft angeklagt wurden Wolfgang Niersbach, Theo Zwanziger, der ehemalige DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt und der frühere FIFA-Generalsekretär Urs Linsi. Ihnen wurde allesamt Betrug zur Last gelegt. Auch gegen den Chef des Organisationskommittees der WM 2006, Franz Beckenbauer, wurde Anklage erhoben. Doch sein Verfahren wurde ausgegliedert, da Atteste bescheinigten, dass er "nicht vernehmungsfähig" sei.
Die verschwundenen 6,7 Millionen Euro wurden als Beitrag für eine Gala zur WM 2006 deklariert, die nie stattfand. Im Jahr 2002 hatte der damalige WM-Organisationschef Franz Beckenbauer ein Darlehen von Louis-Dreyfus in gleicher Höhe erhalten, das letztendlich auf Konten des damaligen FIFA-Finanzchefs Mohamed bin Hammam verschwand. Wofür ist immer noch unklar.
Warum zog sich der Prozess so lange hin?
Alle Beschuldigten hatten die Vorwürfe stets bestritten und somit den Prozess nie wirklich in Gang kommen lassen. Zusätzlich sorgten weitere Baustellen, wie beispielsweise die Ausgliederung des Prozesses gegen Beckenbauer, für eine weitere Verlangsamung des Geschehens. Zu guter Letzt kam dann noch die Coronakrise dazu, die den Prozess endgültig lahmlegte und die Verjährung besiegelte. "Die Verjährung wird am 27. April 2020 eintreten. An den materiellrechtlichen Verjährungsfristen wurde notrechtlich nichts geändert", teilte Bernhard Isenring, Anwalt von Niersbach, der "Deutschen Presse-Agentur" mit.
Wie geht es nun weiter?
Die Angeklagten entgehen aller Wahrscheinlichkeit einer Strafe und die Vorgänge rund um die WM-Vergabe sind noch immer weitestgehend im Dunkeln. Zumindest letzteres möchte der aktuelle DFB-Präsident, Fritz Keller, ändern. "Es ist höchst unbefriedigend, ja frustrierend, dass wir noch immer kein abschließendes Bild rund um die infrage stehenden Abläufe der WM 2006 haben. Damit will ich mich nicht abfinden", sagte Keller. Niersbach und Co. könnten hingegen sogar noch finanziell profitieren. Aber ob sie Anspruch auf eine Entschädigung haben, muss das Gericht zu einem späteren Zeitpunkt klären.
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