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U21-EM 2023 : Markus Babbel im exklusiven ran-Interview: "Rudi ist ja nicht blind"

  • Aktualisiert: 02.07.2023
  • 01:46 Uhr
  • ran.de / Tobias Hlusiak
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© imago
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Die deutsche Mannschaft ist bei der U21-Europameisterschaft sang- und klanglos gescheitert. Markus Babbel verfolgt das Turnier als Experte vor Ort. ran hat mit dem Ex-Profi über die Folgen für den deutschen Fußball gesprochen.

Das Interview führte Tobias Hlusiak

ran: Die deutsche Mannschaft ist bei der U21-EM als Letzter in einer Vorrundengruppe mit Israel, Tschechien und England ausgeschieden. Nur einen Punkt konnte das Team von Antonio Di Salvo sammeln. Wie fällt Ihr Fazit aus, Herr Babbel?

Markus Babbel: Ernüchternd und enttäuschend. Wenn man es schafft, in einer solchen Gruppe - die für mich eine der schwächstmöglichen war - Letzter zu werden, ist einiges schiefgelaufen. Ich hätte gedacht, dass die Mannschaft eine ordentliche Rolle hätte spielen können. Dass wir nicht Europameister werden, war allen bewusst und klar. Die Gruppenphase zu überstehen, wäre in meinen Augen aber das Minimalziel gewesen. Selbst das wurde nicht geschafft. Das ist nicht gut.

ran: Die Mannschaft hatte viel Qualität verloren vor dem Turnier. Wäre ein Einzug in die K.o.-Phase wirklich drin gewesen, jetzt wo Sie den Kader über zwei Wochen hautnah beobachtet haben?

Babbel: Ja, auf alle Fälle. Wir müssen die Mannschaft nicht kleiner machen, als sie ist. Da sind genügend Spieler dabei, die regelmäßig in ihren Klubs spielen und das Potential und den Anspruch haben sollten, bei einem solchen Turnier weiterzukommen. Aber es ist vom Anfang bis zum Schluss viel schiefgelaufen. Drei Spieler haben sich in der Vorbereitung verletzt und konnten gar nicht mitfahren. Dann das unglückliche Spiel gegen Israel mit zwei verschossenen Elfmetern. Zu allem Überfluss kam danach der Rassismus-Skandal hinzu. Man hat gemerkt, dass das die Truppe belastet hat. Nichtsdestotrotz war es dann auch gegen Tschechien zu wenig, auch wenn die zweite Halbzeit in Ordnung war. Gegen England - und das muss man knallhart sagen - hatte man dann nicht den Hauch einer Chance. Das waren fast zwei Klassen Unterschied. Insgesamt fühlt es sich sehr ernüchternd an.

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Babbel über DFB-Nachwuchs: "Vielleicht reicht auch mal ein Drei-Sterne-Hotel"

ran: Spielglück und die genannten Dinge spielen eine Rolle, aber: Welche Fehler wurden gemacht?

Babbel: Ich kenne Toni (Di Salvo) und weiß, dass er jedes kleinste Detail akribisch vorbereitet und für die Mannschaft organisiert. Das wird er - gemeinsam mit seinem Staff - auch bei diesem Turnier getan haben. Ich denke eher, dass ein generelles Problem vorliegt. Vielleicht wird es den Jungs zu perfekt gemacht. Teilweise haben sie noch nichts bewiesen, werden aber behandelt wie Stars. Eventuell sollte man da mal wieder einen Gang runterschalten. Vielleicht reicht auch ein Drei-Sterne-Hotel und es muss nicht gleich das Hilton sein. Das ist nur ein Beispiel. Mir geht es darum, dass sich Spieler auch Kleinigkeiten wieder verdienen sollten. Das ist aber kein reines DFB-Problem sondern eher ein generelles. Wir packen die Spieler zu sanft an, weil wir in einem unheimlichen Wettstreit mit Vereinen und Nationen stehen. Junge Spieler müssen aber wieder widerstandsfähiger und härter werden. Mir sind auch viel zu viele Spieler immer wieder verletzt, haben Muskelverletzungen. Da schafft es mal einer in die erste Mannschaft, bekommt eine Chance; schon muss er wieder ein, zwei Wochen pausieren. Da tue ich mich schwer.

ran: Was wäre die Lösung für dieses Problem?

Wenn ich als junger Spieler eine Chance bekomme, muss ich auch stabil bleiben. Die Jungs müssen wieder so vorbereitet werden, dass der Körper Belastungen des Profialltags zulässt. Früher war nicht alles besser. Aber zu meiner Zeit, konnten wir zumindest physisch immer mithalten. Technisch und taktisch muss man im Laufe seiner Karriere immer von Top-Trainern dazulernen. Das ist normal. Aber es kann nicht sein, dass junge Talente physisch nicht auf einem akzeptablen Niveau sind. Hermann Gerland ist Co-Trainer bei der U21. Mit ihm unterhalte ich mich regelmäßig und gerne. Er sagt über die heute so gern angeführte Belastungssteuerung: Man kann erst steuern, wenn auch belastet wurde. Und da stimme ich ihm zu! Der Körper muss auch mal über längere Zeit in den roten Bereich gebracht werden, dann kann man entlasten. Das Körperliche war mal die ganz große Stärke des deutschen Fußballs. Dafür waren wir bekannt. Heute liegt da ein ganz großes Problem. Andere Nationen haben uns längst überholt. 

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ran: Nicht nur auf das Körperliche runtergebrochen - wann hat der deutsche Fußball den Anschluss verloren?

Babbel: Es passt natürlich ins Bild, dass unsere A-Nationalmannschaft hinterherhinkt und nun auch die U21 nicht performt. Auf der anderen Seite war die U21 in den vergangenen Jahren immer top. Da hat niemand von einem Nachwuchsproblem gesprochen. Dazu ist unsere U17 erst kürzlich Europameister geworden. Trotzdem passt die Leistung der U21 bei diesem Turnier ins Bild. Unsere jungen Spieler haben in der Bundesliga viel zu geringe Einsatzzeiten. Das ist auffallend. Da haben uns viele Nationen einiges voraus. Als Nachwuchstalent muss ich mir heutzutage vielleicht auch überlegen, ob ich nicht eine Etage tiefer angreife, in eine Top-Ausbildungsliga wechsle. In die Schweiz, nach Tschechien, in die Niederlande zum Beispiel. Da bekomme ich viel Fußball im Herrenbereich in den Körper. Es ist wichtig in einer Saison 30 bis 35 Spiele zu machen.

ran: Gibt es in unserer U21 einen Spieler, der sich bei diesem Turnier für höhere Aufgaben empfohlen hat?

Babbel: Keiner hat wirklich herausgestochen. Bei einigen Spielern kann man aber eine Fantasie entwickeln. Kevin Schade zum Beispiel. Bei ihm sieht man das Potential. Er war aber unfassbar unsauber, ja schlampig bei der EM. Er könnte aber einer werden. Oder auch Eric Martel. Bei ihm hat man gesehen, dass er in Köln viel gespielt und eine wichtige Rolle eingenommen hat. Auch bei Josh Vagnoman sieht man das Potentiel. Er nimmt mir aber auch viel zu viele Auszeiten. Er bringt alles mit. Wenn Vagnoman zu einhundert Prozent fit und körperlich auf der Höhe wäre, hätten wir einen sensationell guten Außenverteidiger. Gleiches gilt für Jessic Ngankam, über den selbst sein Vereinstrainer Pal Dardai gesagt hat, er sei nicht fit. Er könnte mit seiner Bulligkeit eine gute Rolle spielen. Sein Sturmkollege Youssoufa Moukoko ist auch ein sehr gutes Beispiel. Er ist für sein junges Alter viel zu oft verletzt, kommt nie in einen Spielrhythmus. Bei ihm muss man sich fragen: Wird er richtig trainiert? Wird alles ausgeschöpft, was möglich ist? Oder hat er selbst nicht die richtige professionelle Einstellung? Das kann ich von außen natürlich nicht beurteilen.

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Babbel über DFB: "Man wird Zeit brauchen"

ran: Der DFB hat nun eine Umstrukturierung des Jugendbereichs auf den Weg gebracht. In den oberen Jugendligen soll der Modus verändert werden. Der Übergang ins Profitum soll für junge Spieler verbessert werden. Wie sehen Sie diese Schritte?

Babbel:Man macht sich Gedanken. Das ist ganz, ganz wichtig und immer positiv. Vielleicht ist die aktuell schwere Phase im deutschen Fußball gut für die Zukunft. Ich kann mich erinnern, dass um die Jahrtausendwende herum alles am Boden lag. Damals wurden strukturelle Veränderungen getroffen und wir wissen alle, was danach passiert ist. Die Turniere ab 2006 waren sagenhaft - mit der Krönung 2014. Solche Dinge gehen nie von heute auf morgen. Man wird Zeit brauchen. Wenn es aber zu einem ähnlichen Erfolg führt, dann hat man sehr viel richtig gemacht.

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ran: Jochen Sauer, der Leiter des FC Bayern Campus, hat in einem Interview kritisiert, der DFB würde sich nicht genug um Talente kümmern, die potentiell auch für andere Verbände spielen könnten...

Babbel: Man sollte natürlich immer versuchen, Top-Talente im eigenen Land zu halten. Da kommen aber immer viele Dinge zusammen. Lasar Samardzic hat die ganze U21-Zeit für Deutschland gespielt. Toni Di Salvo hat sich sehr um ihn bemüht. Nun hat er sich aber für das A-Team von Serbien entschieden, weil er dort eine höhere Chance gesehen hat, zu spielen. Da kann man beim DFB niemandem einen Vorwurf machen. bei Jamal Musiala ist die Sache zwischen England und Deutschland übrigens genau andersherum gelaufen. Von daher ist diese Sache nicht so einfach.

ran: Rudi Völler war in Georgien, um die Mannschaft zu unterstützen. Der DFB-Sportdirektor strahlte zwar Zuversicht, aber auch eine gewisse Besorgnis aus. Muss er denn besorgt sein, wenn er auf das Große und Ganze im deutschen Fußall schaut?

Babbel: Der Rudi ist nicht blind. Er hat in seiner Karriere schon viel gesehen. Er war Spieler, Trainer, jetzt Funktionär. Man kann ihm nichts vormachen. Und ja, er hat einige Sorgenfalten dazubekommen. Er versucht eine positive Grundstimmung zu vermitteln, Euphorie zu entfachen. Man merkt im gleichen Atemzug bei ihm aber: Auch er hat Zweifel. Wir haben im Moment gute Spieler, klar. Aber uns fehlen die sehr guten. Von der Sorte haben wir zu wenige. Besonders wenn ich mir die Defensive anschaue, da hätte ich auch Sorgenfalten.

ran: Muss Hansi Flick sich auch Sorgen machen?

Babbel: Ich habe das Gefühl, Hansi hat die Aufgabe etwas unterschätzt. Er war Everybodys Darling, als er den Job des Bundestrainers übernommen hat. Sein erstes Turnier ist nun bei der WM völlig in die Hose gegangen, man ist in einer schwachen Gruppe nicht weitergekommen. Trotzdem kam Hansi relativ glimpflich davon, die Kritik fokussierte sich zu einem großen Teil auf Manager Oliver Bierhoff. Jetzt dreht sich aber gerade der Wind und ich habe das Gefühl, Hansi ist das nicht gewohnt. Plötzlich fängt die Nation an, ihn zu kritisieren. Berechtigterweise, wie ich finde.

ran: Inwiefern ist die Kritik berechtigt?

Babbel: Viele seiner Entscheidungen sind einfach nicht nachvollziehbar. Mir fehlt auch die Kommunikation. Niemand wäre ihm böse gewesen, wenn er die letzten drei Länderspiele vor einigen Wochen klar und deutlich zu einer Testphase ausgerufen hätte, Spieler eingeladen hätte, die es auf Grund einer starken Saison verdient gehabt hätten. Stattdessen hat er Stars berufen wie Kimmich und Goretzka, die körperlich durch waren und trotzdem am System herumgetestet. Jetzt fehlen ihm obendrein noch die Ergebnisse und er hat ein Riesenproblem. Im September soll nun plötzlich alles besser werden. Der Druck wird dann so immens hoch sein. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie das funktionieren soll. Man wird Japan und Frankreich nicht plötzlich einfach so aus dem Stadion schießen. Da fehlt mir die Fantasie. Ich weiß nicht, wie er das handeln will.

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