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Extreme E live auf ProSieben MAXX und ran.de

Claudia Hürtgen: "Es ist eine Anspannung, als ob es mein erstes Rennen wäre"

  • Aktualisiert: 01.04.2021
  • 15:13 Uhr
  • ran.de / Andreas Reiners
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Claudia Hürtgen ist die einzige deutsche Fahrerin bei der neuen Elektro-Rennserie Extreme E. Vor dem Saisonstart am 3./4. April (live auf ProSieben MAXX und ran.de) spricht die 49-Jährige im exklusiven Interview über Nervosität nach 25 Jahren im Motorsport, kochendes Blut bei Carlos Sainz, dem Wandel sowie Frauen im Motorsport. 

München - Die Extreme E geht in ihre Debüt-Saison (der Auftakt am 3./4. April live auf ProSieben MAXX und ran.de). Mittendrin: Claudia Hürtgen.

Im exklusiven ran-Interview spricht die deutsche Racing-Legende über Nervosität, kochendes Blut und Frauen im Motorsport.

ran: Claudia Hürtgen, lange ist es nicht mehr hin bis zum Saisonstart der Extreme E. Wie sieht ihre Gefühlswelt aus: Aufgeregt, angespannt, voller Vorfreude?

Claudia Hürtgen: Es ist von allem etwas. Es ist eine Anspannung, als ob es das erste Rennen meiner Karriere wäre. Es ist alles neu: Neuer Untergrund, neues Auto, ein neues Team, ein neuer Teamkollege und ein neues Format. Ich hatte viele schlaflose Nächte, aber ich freue mich riesig. 

ran: Was hat Sie dazu bewogen, mitzumachen?

Hürtgen: Florian Modlinger, der Technische Direktor von Abt Sportsline, hatte mir von dem Projekt erzählt. Mein jetziger Arbeitgeber BMW hat mich dazu ermutigt, das zu machen. Im November fanden die ersten Testfahrten statt, und da habe ich gemerkt: ‚Ja, das ist es. Die Herausforderung möchte ich angehen.' Und jetzt geht es endlich los.

ran: Hatten Sie denn Bedenken, weil Sie keine Vollzeit-Rennfahrerin mehr sind?

Hürtgen: Nein, das Gute ist, dass Mattias Ekström von Anfang an dabei war. Er sagte: ‚Claudia, man hört, wenn du fährst, dann gibt es entweder Gas oder Bremse.' Am Ende macht es auch das Team aus, und wir schätzen uns sehr.

ran: Was konnten Sie von Ihrem Teamkollegen Ekström lernen?

Hürtgen: Einiges, denn durch seine Rallycross-Karriere hat er schon sehr viel Erfahrung in dem Bereich. Er kennt das Format – stehender Start und kurze Rennen – sehr gut. Man muss in der kurzen Zeit alles auf den Punkt bringen und darf sich keine Fehler erlauben. Das Paket muss stimmen. Die Effizienz beim Fahren, die Strategie, wie man die Energie einsetzt – das sind Faktoren, die es spannend machen. 

ran: Und was bringen Sie dem alten Hasen noch bei?

Hürtgen: Wir ergänzen uns ganz gut, weil ich die Themen etwas ruhiger angehe und bei der Strategie einwirken kann. Durch die Langstreckenerfahrung kenne ich mich mit Teamwork bestens aus.

ran: Das Konzept ist zum Großteil neu: Was finden Sie an der Extreme E am spannendsten und was am herausforderndsten? 

Hürtgen: In einem elektrischen SUV auf einem Offroad-Kurs, und das auf Sand oder auch auf Schnee: Die sportliche Herausforderung ist für mich das Größte. Aber auch das Zusammenspiel mit den Elektromotoren oder alles in einer Runde zusammenzubekommen, damit die Performance stimmt, ist etwas Besonderes.

ran: Auf welchen Gegner freuen Sie sich am meisten?

Hürtgen: Carlos Sainz ist ein alter Hase. Ich glaube, wenn ihm eine Frau auf der Strecke einheizt, wird das spanische Blut ordentlich kochen.

ran: Welche Ziele haben Sie sich gesetzt?

Hürtgen: Der Fokus liegt auf dem Erfolg. Aber wir versuchen auch, das ganze Projekt und die Idee in die Welt zu tragen. Ich selbst möchte vor Ort sehen, welche Folgen der Klimawandel hat und zu diesen Themen Erfahrungen sammeln.

ran: Sie als Petrolhead: Wie stehen Sie dem Wandel im Motorsport gegenüber? 

Hürtgen: Der Fokus geht mehr in Richtung Umwelt. Ich glaube aber nicht, dass der Motorsport-Spirit dadurch negativ beeinflusst wird, es können weiterhin tolle Rennen gefahren werden. Natürlich spielt der Sound für manche eine Rolle, doch der Sport bleibt das Wichtigste. 

ran: Was kann eine Serie wie die Extreme E machen, um auf Anhieb Zuschauer anzulocken?

Hürtgen: Vieles geht über die Locations. Wir gehen an die Orte, wo man den Klimawandel schon sieht, fahren in Saudi-Arabien in der Wüste oder am Lac Rose im Senegal. Dazu kommt die Kombination mit dem speziellen Format. Das sollte es für die Fans interessant machen.

ran: Sie selbst sind recht kurios zum Motorsport gekommen, und zwar durch die Programmzeitschrift "prisma"?!

Hürtgen: Es gab damals, 1985, eine Ausschreibung, die haben Deutschlands besten Kartfahrer gesucht. Mein Papa hat mir die Bewerbung erlaubt und ich habe dann über diverse Lehrgänge am Ende den Top-Lehrgang gewonnen. Dafür wurde mir ein Kart und das erste Startgeld gesponsert. Das hat dann auch meinen Papa überzeugt.

ran: Wie schwierig war es damals in den 1990er Jahren für eine Frau im Motorsport?

Hürtgen: Da habe ich nicht drüber nachgedacht, sondern einfach Gas gegeben. Ich bin bereits im Kartsport schnell an Sponsoren gelangt, darüber bin ich dann zu Ford gekommen. Über die Sponsoren und Förderer habe ich die nächsten Schritte gemacht. Überall wo ich gefahren bin, habe ich mir vorgenommen, im zweiten Jahr vorne mitzufahren. Das ist mir auch meistens gelungen. Ich hatte immer gute Leute um mich herum, die meine Leistungen geschätzt haben. Ich selbst habe mir nie Gedanken gemacht, ob ich es als Frau leichter oder schwerer habe. Ich bin einfach meinen Weg gegangen. 

ran: Akzeptanz oder Respekt holt man sich durch Leistung. Mussten Sie als Frau mehr Leistung bringen als die Männer?

Hürtgen: Nein, das Gefühl hatte ich nicht. Mein Förderer Dr. Helmut Marko (heutiger Motorsportberater bei Red Bull) hat mir immer gesagt: ‚Hole das Maximum raus, und wenn du die Schnellste bist, muss den Rest das Team machen.' Das habe ich immer probiert. Später im GT-Sport waren wir mit mehreren Fahrern auf einem Auto, und damit hat man auch einen guten Vergleich. Und wenn du da bei der Musik bist, geht es mit der Karriere voran.

ran: Bereuen Sie in Ihrer Karriere etwas oder hätten Sie gerne etwas anders gemacht?

Hürtgen: Den Formel-3-Unfall hätte ich mir sparen können. Dann wäre es vielleicht in Richtung Formel 1 ganz gut gegangen. Der Motorsport hat mir viel gegeben und ich musste schnell auf eigenen Füßen stehen. Ich bereue keine Sekunde. Vielleicht eine Sache: Als 19-Jährige hatte ich Angebote von BMW, Porsche, Ford und Alfa. Und ich habe mich nicht fokussiert auf einen Hersteller. Das war ein Fehler.

ran: Was war der dümmste Spruch, den Sie sich anhören mussten?

Hürtgen: Unter den Fahrern war das Verhältnis völlig in Ordnung, dumme Sprüche gab es vor allem aus dem Umfeld der Fahrer. Da fielen dann so Sätze wie: 'Ey, die da ist vor dir gefahren!'. Oder aber: 'Du lässt dich von einer Frau schlagen?'. Ich bin dann immer lächelnd weitergegangen. Es waren viele Neider dabei. Auch hier gab mir Dr. Marko den Rat: 'Claudia, Neider musst du dir erarbeiten. Alles andere bekommst du geschenkt, also schau nach vorne.'

ran: Was würden Sie dem weiblichen Nachwuchs heute raten?

Hürtgen: Voller Fokus auf das Ziel, auf das, was man erreichen möchte. Und volle Performance zeigen und versuchen, das Maximale aus dem Paket herauszuholen, und dabei nicht nach rechts und links schauen. Wenn die Rundenzeiten passen, kann man die Kommentare wunderbar weglächeln. Das ist das schönste Gefühl.

ran: Sophia Flörsch steigt in die DTM ein. Wie bewerten Sie das?

Hürtgen: Das ist sehr positiv. Irgendwann muss sie den Schritt aus dem Formelsport nach rechts oder links machen. Das Sportwagen-Projekt hat sie ja auch noch. Zusammen mit Abt in der DTM ist definitiv spannend, ich hoffe auch erfolgreich.

ran: Wie sehen Sie generell die Entwicklung, was Frauen im Motorsport betrifft? Wird genug getan?

Hürtgen: Es könnte besser sein. Bis zu einem gewissen Punkt sieht man ein, zwei Frauen mitfahren. Aber dass eine Frau wirklich um den Titel fahren kann oder sogar einen gewinnt, da sind wir von entfernt. Siege sind wichtig, auch zum Beispiel in einem GT Masters. Mit meinen Siegen dort kann ich heute noch angeben (lacht). 

ran: Es gibt ja zahlreiche Initiativen für Frauen im Motorsport: Woran hapert es denn?

Hürtgen: Am Ende müssen sich die Frauen in den Klassen mit den Gegnern messen, die dort fahren. Wenn man im zweiten Jahr einer Meisterschaft fährt, müssen Rennsiege her. Wenn das mal eine Frau schafft und dann in ein Nachwuchsprogramm kommt, könnte das zielführend sein. Aber die ganz großen Budgettöpfe sind dann offenbar doch nicht da oder werden anders genutzt.  

ran: Was kann noch getan werden, um Talente zu fördern?

Hürtgen: Wenn im Kartsport schon 100.000 Euro hingelegt werden müssen, wo soll das enden? Das ist in meinen Augen der falsche Weg. Es braucht eine Vision, ein Ziel, konkrete Schritte. Die Budgets müssen überschaubar sein, und irgendwann muss man als Fahrer in ein Förderprogramm kommen. Solche Möglichkeiten gibt es noch nicht, allerdings gibt es im Kartsport auch noch keine Fahrerinnen, die aktuell um Siege kämpfen. Da muss man ansetzen, sich auf ein, zwei Fahrerinnen konzentrieren und ihnen die Möglichkeiten geben, sich so aufzustellen, dass sie gewinnen können. Ein reines Damenteam in der WEC zum Beispiel ist ein tolles Projekt, aber ganz sicher keine langfristig ausgerichtete Strategie.

ran: Welchen Beitrag kann die Extreme E bei dem Thema leisten?

Hürtgen: Der Fokus liegt darauf, gemeinsam an einem Projekt zu arbeiten. Es werden aber sicher auch Sponsoren auf Rennfahrerinnen und das ganze Thema aufmerksam. Es ist unter dem Strich immer gut, wenn man über Frauen im Motorsport spricht. Und vielleicht ergibt sich ja etwas in der Formel E. Aber auch da gilt: Die Performance muss da sein.

Das Interview führte: Andreas Reiners.

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