NFL-Spiele von 1990 bis 1994 in Berlin
Als die NFL nach Deutschland kam: Joe Montanas Ende und ein Weltmeister im Pfeifen
- Aktualisiert: 03.06.2022
- 21:42 Uhr
- ran/Martin Jahns
2022 findet in München das erste Regular-Season-Spiel der NFL-Geschichte in Deutschland statt. Doch schon von 1990 bis 1994 gastierte die NFL für fünf Partien in Deutschland – und sorgte dabei für skurrile Geschichten.
München – The Hype is real! 250.000 Ticket-Anfragen gab es laut NFL-Deutschland-Chef Alexander Steinfort innerhalb der ersten zwei Tage nach Bekanntgabe des Spielorts München für ein NFL-Saisonspiel 2022. Auch in den kommenden Jahren gastiert die NFL in Deutschland. Und auch dann dürften die Spiele mühelos ausverkauft werden.
Was wohl nur noch alteingesessene Football-Fans wissen: Es ist bereits der zweite Anlauf, den die NFL mit Spielen in Deutschland unternimmt.
Schon von 1990 bis 1994 gastierten die Stars der Liga für insgesamt fünf Begegnungen in der Bundesrepublik. Zwar nicht für reguläre Saisonspiele, sondern lediglich Vorbereitungspartien in der Preseason. Doch im Berliner Olympiastadion sorgte die NFL trotzdem für unvergessliche Momente - und skurrile Geschichten.
"Berlin Wall Gone – Rams Wall Number One"
Zu Verdanken war das vor allem dem aufkommenden Kabelfernsehen. Das machte es in den 1980ern auch in Europa möglich, NFL-Übertragungen zu verfolgen. Rasch bildete sich vor allem in Großbritannien, aber auch in Deutschland und Skandinavien eine Fanbase. Die NFL reagierte mit der Einführung des American Bowls, eine Art Vorläuferserie der späteren International Games.
In diesen Freundschaftsspielen vor Saisonstart traten ab 1986 NFL-Teams auf dem ganzen Globus gegeneinander an. Nach drei Austragungen in London ging es unter anderem nach Schweden, Japan, Spanien und Irland – und 1990 erstmals nach Berlin.
Am 11. August 1990, noch vor der Wiedervereinigung, trafen dort im Olympiastadion die Los Angeles Rams auf die Kansas City Chiefs. Mit im Gepäck: der Weltmeister im Pfeifen. Der war eine der Attraktionen bei der Tailgate-Party vor dem Spiel auf dem benachbarten Maifeld.
Nach einer Schweigeminute für die Opfer der Berliner Mauer ging es dann vor immerhin rund 55.000 Zuschauern auch auf dem Platz zur Sache. Die favorisierten Rams behielten mit 19:3 die Oberhand. "Berlin Wall Gone – Rams Wall Number One" prangte dazu passend auf dem Transparent eines Fans. Rams-Quarterback Jim Everett schwärmte nach dem Spiel, er werde sich "noch in fünfzig Jahren" an seine Reise nach Berlin erinnern.
Joe Montanas letztes Spiel als 49ers-Starter
Im Jahr darauf wurde es sogar noch eine Nummer größer: 66.876 Zuschauer waren beim Duell der San Francisco 49ers mit ihren Superstars Joe Montana, Steve Young und Jerry Rice gegen die Chicago Bears zugegen. Auch hier wurde fleißig gepfiffen. Diesmal allerdings gegen Eiskunstläuferin Katarina Witt, die den Coin Toss vor der Partie ausführte. Witts kolportierte Nähe zum SED-Regime der DDR bescherte ihr ein Pfeifkonzert. Obwohl am selben Tag die Fußball-Bundesliga in ihre neue Saison startete, war kein Stadion in Deutschland besser besucht.
Nach dem Spiel wurde es noch kurioser, als Montana bei seinem Besuch im aktuellen Sportstudio auf die berühmt-berüchtigte Torwand werfen durfte – und mit jedem Wurf verfehlte. Was NFL-Fans damals noch nicht ahnten: Montanas Spiel in Berlin war sein letztes als Starter der San Francisco 49ers. Wenig später setzte ihn eine Ellbogenverletzung fast zwei Saisons lang außer Gefecht. In Berlin legte er beim 21:7 gegen die Bears noch einmal einen Touchdown-Pass für Rice auf.
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Das punktreichste Spiel der Serie? In Deutschland
Auch in den kommenden Jahren gaben sich die Quarterback-Superstars in Berlin die Klinke in die Hand: 1992 trafen Dan Marinos Miami Dolphins auf John Elways Denver Broncos. Der 31:27-Sieg der Dolphins war das punktreichste der insgesamt über 40 weltweiten American-Bowl-Spiele. 1993 sorgte das Duell der Minnesota Vikings gegen die Buffalo Bills (20:6) mit 67.132 Fans noch einmal für einen neuen NFL-Zuschauerrekord in Berlin, ehe am 13. August 1994 der Vorhang für American-Bowl-Spiele in Berlin fiel. Zum Abschluss besiegten die New York Giants die San Diego Chargers mit 28:20.
Zwar lief die American-Bowl-Reihe noch bis 2005 weiter, in Deutschland gastierte sie jedoch nicht mehr, obwohl der damalige NFL-Commissioner Paul Tagliabue zur Jahrtausendwende sogar einen weiteren deutschen Spielort in Aussicht gestellt hatte: "Vielleicht 2001 erstmal in Hamburg, in Berlin dann etwas später."
Warum die NFL-Rückkehr noch größer wird
Am Ende mussten die deutschen Fans noch über zwei Dekaden auf eine NFL-Rückkehr warten. Die wird dafür aber umso besser. Denn in Berlin bekamen die Zuschauer die größten Stars einst nur kurz zu Gesicht. In den Preseason-Spielen hatten die Hinterbänkler mehr Spielzeit erhalten, um sich zu zeigen. So saß der damalige Superstar Dan Marino 1992 die komplette Partie im Olympiastadion nur auf der Bank.
Auch auf den Rängen dürfte sich in München ein anderes Bild bieten. Anfang der 1990er Jahre unterstützten noch unzählige in Deutschland stationierte US-Soldaten auf den Tribünen des Olympiastadions die Stars ihrer Heimat. Es war kein Zufall, dass 1990 Chiefs-Linebacker Derrick Thomas, dessen Vater als Soldat in Vietnam gefallen war, vor der Partie mit einem Militärorden ausgezeichnet wurde. Bei den GIs auf den Tribünen dürfte der militärische Akt gut angekommen sein.
Football-Boom im Jahr 1990? "Das wird noch viele Jahre dauern"
Und: Waren die damaligen Preseason-Spiele vor allem Promotion für den in Europa startenden NFL-Ableger WLAF beziehungsweise die spätere NFL Europe, kommt nun die Hauptattraktion selbst nach Deutschland: Regular-Season-Spiele mit allen Stars.
1990 sagte Running Back Christian Okoye von den Kansas City Chiefs nach dem ersten NFL-Spiel in Berlin über einen möglichen Football-Boom in Deutschland: "Das wird noch viele Jahre dauern." Über 32 Jahre später ist er Realität - und wird am 13. November in München zu bestaunen sein.
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