Broncos-Quarterback Drew Lock: Die Angst vor dem Missverständnis

Canton/München - Es war nicht das Spiel des Drew Lock. Der Zweitrundenpick der Denver Broncos ließ im Hall of Fame Game gegen die Atlanta Falcons erahnen, warum Head Coach Vic Fangio ihn so kritisch beurteilt. Der 22-Jährige stand insgesamt bei sieben Drives auf dem Feld, brachte sieben von zwölf Pässe für 34 Yards an den Mann. Fünf Drives endeten mit einem Punt, einer mit einem Fumble, ein weiterer mit einem Turnover on Downs.

"Ich habe gehofft, mehr von ihm zu sehen, war aber nicht überrascht. Er hat noch viel Arbeit vor sich. Seine Genauigkeit und seine Reads waren nicht immer sauber", sagte Fangio. Tatsächlich war die Ungenauigkeit seiner Würfe auffällig. Die Receiver wurden mehrmals überworfen. In einem anderen Play geriet der Wurf so kurz, sodass er fast von einem Gegenspieler abgefangen worden wäre.

Coach über Lock: Er ist noch kein Quarterback

Es sind vermutlich Plays dieser Art, die Fangio an seinem Rookie zweifeln lassen. "Er ist noch kein Quarterback", hatte Fangio bereits vor zwei Wochen gesagt. "Er ist ein hart werfender Pitcher, der noch nicht weiß, wie er pitchen soll."

Dabei zählte Lock zu den gehyptesten Spielmachern im Draft. Er selber tönte im Februar sogar: "Ich glaube definitiv, dass ich der beste Quarterback in dieser Klasse bin." Auch wenn er mit dieser Einschätzung etwas hoch gegriffen haben mag, galt er zumindest als sicherer Erstrundenpick.

Vier Spielzeiten spielte er am College für die Missouri Tigers und überzeugte mit seinem starken Wurfarm, einer guten Physis und einem hohen Spielverständnis. In der Saison 2017 war er Passing Leader der gesamten Football Bowl Subdivision, wurde zudem in das First Team der Southeastern Conference gewählt.

Die Schwächen: keine Konstanz, wenig Genauigkeit

Allerdings erkannte der kompetente Scout bereits damals, dass der 1,93 Meter große Passgeber nicht frei von Schwächen ist. Seine größten Probleme: mangelnde Konstanz und Ungenauigkeit. Top-Spielzüge und einfachste Fehler wechselten sich teilweise ab. Er verließ sich zu sehr auf seine Armstärke, vernachlässigte dadurch zum Beispiel auch die Beinarbeit.

Seine Wurfquote war am College nie überragend. Die starken 3964 Passing-Yards und 44 Touchdown-Pässe aus der Saison 2017 täuschten darüber hinweg, dass er nur 57,8 Prozent seiner Pässe an den Mann brachte. Auch wenn die Quote in der Spielzeit 2018 mit 62,9 Prozent besser wurde, blieben seine Defizite sichtbar.

Das dürfte auch der Grund dafür gewesen sein, dass Lock im Draft überraschend in die 2. Runde rutschte. Die Denver Broncos hat es gefreut: So bekamen sie an Position 42 noch einen eigentlich hochveranlagten Passgeber, der nach Joe Flacco das Zepter übernehmen könnte. Doch ist Lock überhaupt dazu in der Lage?

Tatsache ist: Nicht jeder gute College-Quarterback ist auch ein guter NFL-Quarterback (siehe die ran.de Story Lynch & Co: Warum College-Stars in der NFL scheitern). Die Spielsysteme der Uni-Mannschaften sind längst nicht so vielseitig wie die in der Profiliga.

Kritikpunkt: Sidearm-Quarterback

Auch Fangio macht das Spielsystem der Missouri-Offense, die nicht dem System einer traditionellen NFL-Offense entspricht, für die Anpassungsprobleme von Lock mitverantwortlich. Zudem ist Lock von der Wurftechnik her eher ein Sidearm-Quarterback. Eine Eigenschaft, die in der NFL eher selten ist, allerdings auch bei einigen Top-Stars wie Patrick Mahomes oder Philip Rivers zu beobachten ist.

Dennoch behagt Fangio diese Wurftechnik überhaupt nicht – zumindest nicht, wenn das die einzige funktionierende Wurfbewegung bei Lock ist. "Ich denke, ein Quarterback sollte seinen Armwinkel verändern können, wenn das nötig ist", sagte Fangio.

Wie lange wird es dauern, bis aus Lock ein gestandener NFL-Quarterback wird, der auch aus der Pocket heraus funktioniert? "Es könnte ein Prozess sein, der mehrere Jahre dauert. Ich habe ihm gesagt, was Sache ist. Er muss an sich arbeiten", sagt Fangio.

Lock: Ich betrachte das als Lernspiel

Und was sagt der in der Kritik stehende Lock selber über sein erstes Spiel? "Ich werde es als Lernspiel bewerten", so der junge Spielmacher. "Es war das Hall of Fame Spiel. Es war nicht der Super Bowl, es waren nicht die Playoffs - also gibt es eine Menge Dinge für mich zu lernen, eine Menge Dinge, auf die ich mich freuen kann und wo ich mich ein bisschen verbessern kann."