San Francisco 49ers
Geprägt vom Terror-Anschlag 9/11: Das ist 49ers-Defense-Genie Robert Saleh
- Aktualisiert: 25.01.2021
- 18:23 Uhr
- ran.de / Oliver Jensen
Robert Saleh hat bei den San Francisco 49ers eine furchteinflößende Defense geformt. Vermutlich wäre er nie Defensive Coordinator geworden, hätten die Terror-Anschläge vom 11. September 2001 sein Leben nicht in eine neue Bahn gelenkt.
San Francisco/München - Es gibt Spiele, in denen wird Robert Saleh im Fernsehen häufiger eingeblendet als Head Coach Kyle Shanahan. Einfach weil es das pure Entertainment ist, dem Defensive Coordinator der San Francisco 49ers bei der Arbeit zuzusehen.
Sacks und harte Tackles werden von ihm bejubelt wie ein Titelgewinn. Er ballt die Siegesfaust, klatscht euphorisch mit seinen Spielern ab, springt mit ihnen manchmal sogar gemeinsam in die Höhe. Saleh fühlt sich laut eigener Aussage so, als wäre er selber einer der Spieler.
Kurzum: Dieser Mann lebt Defense-Football. Und noch wichtiger: Er weiß, wie eine Defense zu funktionieren hat.
Die Defense ist eine Macht
Als er im Februar 2017 sein Amt bei den 49ers einnahm, stellten die Kalifornier die schlechteste Verteidigung der gesamten NFL. Keine andere Defense ließ in der Saison 2016 so viele Punkte und Yards zu. Seitdem hat sich vieles zum Positiven verändert.
Jetzt, also knapp drei Jahre später, steht Saleh mit den 49ers im Super Bowl gegen die Kansas City Chiefs (am Sonntag ab 22:45 Uhr live auf ProSieben und ran.de) und hat die nach den New England Patriots zweitbeste Verteidigung der Liga geformt.
Der 40-Jährige ist das Mastermind hinter der Defense der San Francisco 49ers.
Bei seinen Spielern genießt er ein hohes Ansehen. "Geben Sie ihm einen Tag Zeit, an dem er frei arbeiten kann, und er wird einige wirklich einzigartige Dinge entworfen haben", sagt Cornerback Richard Sherman. Zudem hat Saleh das Talent, die richtige Formation zur richtigen Zeit anzusagen. "Er leistet einen großartigen Job als Playcaller und hat ein gutes Gefühl für die jeweilige Situation", lobt Sherman.
Der Wendepunkt: Terror-Anschläge vom 11. September
Saleh selbst war am College ein mittelmäßig begabter Tight End - ohne jegliche Profi-Ambitionen. Er machte seinen Abschluss im Bereich Finanzen und trat einen Job bei einer Bank an. Vielleicht hätte er sein ganzes Leben in diesem Beruf gearbeitet, hätte es nicht den 11. September 2001 gegeben.
Der Tag, der die Welt veränderte - und auch das Leben von Robert Saleh.
Sein älterer Bruder David war damals im Finanzbereich tätig. Dessen Büro befand sich im 61. Stock des südlichen World Trade Centers. Es war der Turm, in der das zweite Flugzeug bei den Terror-Anschlägen hineinflog. Robert musste daraufhin mehrere Stunden um das Leben seines Bruders zittern.
"Von 9 Uhr morgens, als der Anschlag geschah, bis zum späten Nachmittag haben wir nichts von ihm gehört. Man musste fast annehmen, dass er nicht mehr lebt", erzählt Robert Saleh. Rund 3000 Menschen starben damals. David Saleh zählte nicht dazu. Er schaffte es aus dem Gebäude, bevor der Turm in sich zusammenfiel.
Einen Tag später, der Schock über die Nahtod-Erfahrung seines Bruders noch längst nicht verarbeitet, ging Robert Saleh wieder zur Arbeit und wandte sich den Kreditanträgen zu. Plötzlich erschien ihm alles so sinnlos.
Er dachte darüber nach, wie schnell das Leben vorbei sein könne. Und vor allem auch darüber, was er selbst überhaupt mit seinem Leben anfangen möchte. Football war immer seine große Leidenschaft. So drängte sich die Frage auf, ob er Trainer werden könne.
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Nach dem Super Bowl fiel der Entschluss
"Dieser Gedanke lastete schwer auf mir, wurde immer größer und hat mich schließlich überwältigt", berichtet Robert Saleh.
Direkt nach dem Super Bowl im Februar 2002, Tom Brady gewann mit den New England Patriots erstmals die Vince Lombardi Trophy und die Halbzeitshow wurde den Opfern des 11. Septembers gewidmet, rief Robert seinen Bruder an und verkündete seinen Entschluss.
"Er weinte am Telefon, ich konnte ihn kaum verstehen", erzählte David Saleh gegenüber der "Sports Illustraded": "Dann sagte er, dass er das alles nicht mehr ertragen könne und zurück auf das Footballfeld müsse."
Saleh kündigte seinen Job und nahm eine schlecht bezahlte Trainerstelle als Defensive Assistant an seiner alten Universität an.
Sein Mut wurde belohnt: Nach zwei weiteren College-Stationen erfolgte bereits im Jahre 2005 sein Einstieg in die NFL bei den Houston Texans – unter anderem als Assistenztrainer der Linebacker.
Die "Legion of Boom" mitgeformt
2011 zog er weiter zu den Seattle Seahawks, wo er für die Defensive Quality Control zuständig war und in der Saison 2013 den Super Bowl gewann. Er hatte seinen Anteil daran, dass damals die legendäre "Legion of Boom" entstand.
Head Coach Pete Caroll erinnert sich: "Er wurde uns damals empfohlen und war zu der Zeit ein sehr angesehener Assistenztrainer aus Houston. Wir haben ihn interviewt, mochten ihn sehr und hatten das große Glück, ihn zu bekommen. Es bestand kein Zweifel daran, dass er ein guter Trainer und Anführer sein würde."
Es folgten zwei Jahre bei den Jacksonville Jaguars als Linebacker Coach. Im Jahre 2017, als Kyle Shanahan zum Head Coach der San Francisco 49ers ernannt wurde, ergatterte Saleh die Funktion des Defensive Coordinator.
Der Geschichtenerzähler
Saleh ist dazu in der Lage, seine Spieler nicht nur mit taktischen Geniestreiche zu überzeugen. Er ist vor allem ein Motivator, der seine Spieler auf unterschiedliche Arten erreicht.
Es genügt ihm nicht, die Spieler nur anzubrüllen und heiß zu machen. Der sechsfache Familienvater hat auch eine völlig andere Seite – und zwar die des Geschichtenerzählers.
Regelmäßig ruft er seine Spieler zusammen und erzählt ihnen Kurzgeschichten. Sie handeln von Menschen, die ihr Schicksal selber in die Hand nehmen müssen, oder von Herausforderungen, die sich nur als Team bewältigen lassen.
Defensive Liner Solomon Thomas sagt: "Manche Geschichten sind lustig, andere Geschichten sind Lektionen fürs Leben. Seine Geschichten sind eine mentale Erfrischung und eine angenehme kurze Ablenkung vom Football."
Saleh verfolgt dabei einen konkreten Plan: "Wenn du oben stehst und versuchst, wie ein Motivator zu klingen, schalten die Spieler irgendwann ab. Aber wenn es einem gelingt, sie mit einer Geschichte in den Bann zu ziehen, warten sie gespannt auf die Pointe. Und wenn ich dann zur Pointe komme, habe ich sie gepackt."
Saleh wird auch vor dem Super Bowl die richtige Geschichte zu erzählen haben.
Es könnte die Geschichte seines Bruders sein.
Oliver Jensen
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