Anzeige
Super-Bowl-MVP

Julian Edelman: Wie der Kleinste der Größte wurde

  • Aktualisiert: 05.02.2019
  • 21:50 Uhr
  • ran.de/ Andreas Reiners
Article Image Media
© imago/ZUMA Press

Am Anfang wusste Bill Belichick nicht einmal so richtig, was er mit Julian Edelman bei den New England Patriots anfangen sollte. Knapp neun Jahre später ist der Wide Receiver MVP des Super Bowl LIII.

München – Es wirkt auf den ersten Blick ein bisschen seltsam, als sich Julian Edelman im größten Trubel hinkniet. Als alles von ihm abfällt und sich löst, um ihn herum alles ausrastet, laut wird, ekstatisch, verrückt - da spielt der Wide Receiver der New England Patriots mit Konfetti. Nimmt die Schnipsel in die Finger, ist in sich gekehrt, in Gedanken, starrt ins Nirgendwo.

Eine Übersprungshandlung. 

Ein Versuch, diesen Moment, der für ihn so viel bedeutet, aufzusaugen, zu fassen, irgendwie im Eiltempo zu begreifen. Da hilft auch die beste Vorbereitung nichts. Denn auch mit 32 kann man von seinem dritten Super-Bowl-Sieg noch umgehauen werden. Als wertvollster Spieler (MVP) sowieso. 

Dann geht man kurz in sich, was dabei helfen kann, die lange Reise von der Kent State University bis zum Super Bowl LIII nach Atlanta zu realisieren.

Denn angedeutet hatte sich diese Art von Karriere nicht. Nein, überhaupt nicht. 

Auf dem College war Edelman nämlich Quarterback. Ein Signal Caller auf der Suche nach seiner Football-Identität, denn natürlich träumte Edelman zwischen 2006 und 2008 von der NFL, als er für Kent State in drei Jahren für 4997 Yards und 30 Touchdowns warf.

Anzeige
Anzeige

Kein Träumer

Er war aber kein so großer Träumer, dass er fest davon ausging, es mit seinen für einen Quarterback sehr überschaubaren 1,78 Meter tatsächlich in die NFL zu schaffen. Dann passte er schon eher in die Canadian Football League, wo alles eine Nummer kleiner ist und die Rahmenbedingungen besser passten.

Trotzdem schaffte er es im Draft 2009 zu den New England Patriots. Was zum einen daran lag, dass sein Agent Don Yee ihn davon überzeugte, sein Glück zu versuchen, ob nun als Special Teamer oder Wide Receiver. Und dann war da noch der Journalist Rick Gosselin von den Dallas Morning News, der, wie Bill Belichick jüngst verriet, den Head Coach der Patriots als Erster auf Edelman aufmerksam machte. Mit Erfolg.

Edelman wurde in der siebten Runde gedraftet, an 232. Stelle. 24 Plätze an "Mr. Irrelevant" vorbei. 

Anzeige
Anzeige

Belichick hatte keine Ahnung

An den Anruf von Belichick kann er sich noch genau erinnern. Edelman war nervös, hatte bis dato nur ein paar Angebote für einen Vertrag als Free Agent. 20.000 Dollar Gehalt. Besser als nichts. Die Green Bay Packers sollten es werden. Bis das Telefon klingelte.

"Hey, hier ist Coach Belichick. Wir werden dich draften. Wir haben keine Ahnung, welche Position du spielen wirst, aber wir wissen, dass du Football spielen kannst. Nancy Meier wird dich heute Abend anrufen und dich über alles informieren. Schönen Tag noch."

Und damit gehörte er zu den Pats. 

Ein halbes Jahr später, als Rookie, traf er Belichick spätabends auf dem Trainingsgelände. Edelmans Spruch: "Hey Coach, Sie müssen den Football ja echt lieben, was?" konterte der mit den Worten: "Besser als ein Klempner zu sein. Bis morgen."

Der Perfektionismus, die Arbeitsmoral, die Liebe zum Job, zum Football – wie Belichick das alles vorlebte, das färbte ab. Wobei Edelman sowieso einer war, der mit seiner Einstellung beeindruckte. 

Ob Belichick zunächst als Quarterback für Kent State ("Sie wurden gegen Ohio State getötet, aber er hat mit einer unglaublichen Intensität gespielt") oder als Mädchen für alles in den ersten Jahren bei den Patriots.

"Julian verkörpert die Arbeitsmoral, die körperliche Härte, mentale Härte, die Hingabe und den Willen und die außergewöhnliche Gabe, unter Druck zu performen", sagte Belichick anlässlich Edelmans Wahl zum Super-Bowl-MVP. Und erinnerte sich, wie er mit Edelman anfangs auf dem Trainingsplatz stand und seinem Spieler erklärte, wie man Punts fängt.

Externer Inhalt

Dieser Inhalt stammt von externen Anbietern wie Facebook, Instagram oder Youtube. Aktiviere bitte Personalisierte Anzeigen und Inhalte sowie Anbieter außerhalb des CMP Standards, um diese Inhalte anzuzeigen.

Ein bisschen von allem

Er war ein bisschen Receiver, ein bisschen Defensive Back und ein wenig Return Spezialist, ehe er in Saison 5 (!) erst so richtig durchstartete, der Durchbruch gelang ihm 2013 mit 1056 Yards und sechs Touchdowns.

Langsam aber sicher hatte er sich auch das Vertrauen von Quarterback-Superstar Tom Brady erarbeitet, gehörte immer mehr zum inneren Kreis, inzwischen verbindet ihn mit Brady eine tiefe Freundschaft, beide sind auf einer Wellenlänge.

Edelman erhielt als frisch gebackener MVP eine ungewöhnliche Ladung an Liebe von seinem sonst so mürrischen Head Coach, der normalerweise mit Worten geizt. "Niemand hat in meiner Karriere härter gearbeitet als Julian, um seine Stärken und Fertigkeiten zu verbessern. Denn er hatte nicht wirklich den Hintergrund als College-Spieler", so Belichick, der Edelmans Comeback-Story nach dem Kreuzbandriss 2017 als "unglaublich" bezeichnete. "Wie er jeden Tag gegen sich selbst gekämpft hat, um die Reha durchzustehen, um besser zu werden und seine alte Klasse zurückzugewinnen", so Belichick.

Das Comeback wurde verzögert durch eine Vier-Spiele-Sperrewegen eines Verstoßes gegen die Anti-Doping-Regeln der NFL. Welche Substanz ihm genau nachgewiesen wurde, ist bis heute nicht bekannt. Auch eine absichtliche Einnahme bestreitet der 32-Jährige. Die eher lasche Anti-Doping-Politik machte seinen Erfolg allerdings auch überhaupt erst möglich. In der MLB zum Beispiel hätte er die Postseason vergessen können.

Doch das ist abgehakt. Und wie Edelman nun mal so ist, sprach er nach zehn gefangenen Pässen für 141 Yards lieber über die Verdienste anderer. Auch wenn er von den Rams nie zu stoppen war. 

"Die gesamte Verteidigung sollte der MVP sein"

"Ich bin so stolz auf diese Truppe, wir haben zusammengehalten, immer an uns geglaubt", sagte er: "Unsere Defensive war der Wahnsinn heute. Die haben nur drei Punkte zugelassen. Die gesamte Verteidigung sollte der MVP sein."

Der wertvollste Spieler des Super Bowl ist aber er. Drei Ringe hat er mit den Pats geholt, zudem ist er mit 115 Receptions und 1412 Receiving Yards in den Postseasons die ewige Nummer zwei hinter Legende Jerry Rice. Um nur ein paar beeindruckende Fußstapfen zu nennen, die er hinterlässt.

"Surreal", wie Edelman sagt. "Vielleicht werde ich in ein paar Wochen in der Lage sein, mich zurückzulehnen und darüber nachzudenken."

In aller Ruhe. Ganz ohne Konfetti.

Andreas Reiners

Du willst die wichtigsten NFL-News direkt auf dein Smartphone bekommen? Dann trage dich für unseren WhatsApp-Service ein.