Seattle Seahawks
Wilson-Beschützer Brandon Shell: Der Kampf gegen das Stottern
- Aktualisiert: 03.10.2020
- 18:57 Uhr
- ran.de / Oliver Jensen
Der Offensive Tackle Brandon Shell von den Seattle Seahawks (Sonntag ab 18 Uhr gegen die Miami Dolphins auf ProSieben MAXX und ran.de) soll Quarterback Russell Wilson Zeit verschaffen. Abseits des Spielfeldes kämpft er gegen das Stottern und setzt sich für Betroffene ein.
München / Seattle – Interviews mit Brandon Shell gestalten sich relativ normal. Der Offensive Tackle der Seattle Seahawks hört den Fragestellern aufmerksam zu und antwortet ausführlich. Nur vereinzelt gerät sein Redefluss minimal ins Stocken, wenn er eine Wortsilbe nicht sofort über die Lippen bekommt.
Diese kurzen Augenblicke erinnern an seine Jugendzeit, in der er sich kaum traute, überhaupt den Mund aufzumachen. Brandon Shell hat in seiner Kindheit und Jugend stark gestottert. Heute nutzt er seine Popularität, um den Heranwachsenden mit dem gleichen Problem Mut zu machen.
Das Stottern definiert nicht, wer oder was du bist
"Es gibt sehr viele Kinder, die mit dem Stottern zu kämpfen haben", sagte Shell in einer Medienrunde am Mittwoch. "Ich möchte die Plattform nutzen, um all die Betroffenen wissen zu lassen, dass es in Ordnung ist, dieses Problem zu haben. Du kannst das durchstehen. Das Stottern wird Dich nicht aufhalten und definiert auch nicht, wer oder was du bist."
Der 28-Jährige weiß, wie sehr Kinder und Jugendliche unter dem Stottern leiden. Das Hauptproblem ist nicht die Sprachbehinderung an sich. Es sind vielmehr die Reaktionen des Umfelds. Shell litt stark unter den Hänseleien seiner Mitschüler. Und zwar so sehr, dass er einmal gewalttätig wurde.
Der Offensive Liner wuchs in Goose Creek (South Carolina) auf. Er war ein schüchternes und zurückhaltendes Kind, konnte eines Tages beim Mittagessen die Anfeindungen eines Mitschülers allerdings nicht mehr ertragen. "Ich stand auf und schlug ihn einfach. Ich hielt das einfach nicht mehr aus", erzählt er.
13 Jahre war er damals alt. "Ich erkannte, dass das nicht der richtige Weg war", erinnert er sich. Auf dem Football-Feld bekam er die Anerkennung, die er sonst im Leben oft vermisste. 2016 wurde er in Runde 5 von den New York Jets gedraftet. Erst in diesem Jahr wechselte er zu den Seattle Seahawks und unterschrieb einen Zwei-Jahres-Vertrag über elf Millionen US-Dollar.
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Werbekampagne gegen Mobbing
Der 1,96 Meter große und 146 Kilogramm schwere Offensive Liner setzt sich aktiv für stotternde Kinder ein. Er ist Botschafter der Stuttering Association for the Young, also von einer Stiftung für stotternde Kinder, nahm zudem an einer Werbekampagne gegen Mobbing teil. Einfach weil er aus Erfahrung weiß, wie sehr psychische Gewalt schmerzt.
Shell ist es wichtig, sich auch mit betroffenen Kindern und Jugendlichen auszutauschen: "Es ist toll, mit ihnen zu sprechen und ihre Fragen zu beantworten, ihnen einfach zu erklären, wie ich das durchgestanden habe."
Wichtig ist vor allem das persönliche Umfeld, wie er weiß: "Meine Familie und meine engen Freunde, die wussten, dass ich ein Problem habe und mich auch verstanden haben, halfen mir dabei, Selbstvertrauen zu bekommen."
Die fünftbeste Offensive Line im Pass-Blocking
Sonntag hat er die Aufgabe, seinen Quarterback Russell Wilson vor dem Pass Rush der Miami Dolphins zu beschützen (ab 18 Uhr live auf ProSieben MAXX und ran.de). Sieben Sacks bekam Miami in den ersten drei Spielen zustande – ein durchschnittlicher Wert. Die Seahawks ließen bislang neun Sacks zu. Was Shell besonders ärgern dürfte: Zwei davon sind ihm zuzuschreiben
Insgesamt allerdings leistet die Offensive Line der Seahawks, die früher als chronisch schwach galt, bislang eine gute Arbeit. Laut "ESPN"-Analytics stellen die Seahawks die derzeit fünftbeste Offensive Line im Bereich Pass-Blocking.
Am vergangenen Sonntag, als die Seahawks mit 38:31 gegen die Dallas Cowboys gewannen, hatte Wilson bei elf Spielzügen mehr als vier Sekunden Zeit, um einen Wurf abzufeuern. Seitdem ESPN in der Saison 2017 diese Daten aufnahm, kam keine andere NFL-Mannschaft auf diesen Wert.
"Es ist unsere Mentalität, einfach immer weiterzumachen", sagt Shell über die O-Line. "Du musst Russell eben einfach die Zeit geben, die er braucht – wie lange das auch immer sein mag. Du musst einfach weitermachen."
Eine Einstellung, die bei Shell nicht nur auf dem Football-Feld gilt, sondern auch im ganzen Leben.
Oliver Jensen
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