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Chaostage bei Schalke 04

ranSicht zum Rangnick-Rückzieher: Wenn selbst Liebe nicht mehr reicht

  • Aktualisiert: 20.03.2021
  • 22:59 Uhr
  • ran.de / Andreas Reiners
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© Imago

Schalke präsentiert sich bei der Suche nach einem Sportvorstand mal wieder planlos und chaotisch. Die Absage von Wunsch-Kandidat Ralf Rangnick zeigt, wie viel Glanz und Charme der Klub verloren hat, findet ran-Mitarbeiter Andreas Reiners.

München - Der Name der Vereinshymne bringt es schon auf den Punkt. Mehr braucht man fast nicht.

"Blau und Weiß, wie lieb' ich dich."

Ein Satz, eine Liebeserklärung, eine hingebungsvolle Hommage, erst recht, wenn er von 60.000 Kehlen in den Gelsenkirchener Himmel geschmettert wird. Denn Schalke ist so ziemlich alles an Emotionen, was der Fußball zu bieten hat. 

Tränen. Triumphe. Jubel. Trauer. Leidenschaft. Kult. Komödie. Drama. Und Chaos. Ganz viel davon.

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Herzensangelegenheit für Rangnick

Doch für wen dieser Verein eine Herzensangelegenheit ist, der lebt den Klub, und der liebt ihn auch. Ohne Wenn und Aber.

Für Ralf Rangnick ist S04 laut eigener Aussage "eine Herzensangelegenheit". Was kann es da also Besseres geben für einen Fußball-Architekten wie ihn, die Geschicke dieses Klubs zu lenken, den Neuaufbau nach dem Abstieg anzugehen, einzuleiten und umzusetzen? 

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Nicht viel, sollte man meinen. Trotzdem setzte es am Samstag eine Absage, und die ist eine echte Ohrfeige. 

Denn Rangnick sagte mit den Worten ab: "Ich hätte mich gerne eingebracht, um Schalke auf dem schwierigen Weg zurück zu alter Stärke zu helfen. Leider sehe ich mich aufgrund der zahlreichen Unwägbarkeiten innerhalb des Vereins derzeit nicht in der Lage, die sportliche Verantwortung bei S04 zu übernehmen", wurde der 62-Jährige in einer Presseerklärung zitiert.

Zack. Der saß. 

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Buchta "sehr verwundert"

Und all das nur zwei Tage nach einem – so Schalke am Donnerstag - "konstruktivem Gespräch über ein mögliches Engagement". Dabei waren für den Anfang nur die Schalker Rahmenbedingungen für die 2. Bundesliga vorgestellt worden, in Details ging man gar nicht. Der Aufsichtsratsvorsitzende Jens Buchta war im Gespräch mit "Sky" "sehr verwundert" über Rangnicks Rückzieher. "Ich sah keinen Anlass, an einem Folgegespräch zu zweifeln", so Buchta. Das sollte in der kommenden Woche mit Rangnick stattfinden, wird aber nun mit dessen Berater Marc Kosicke geführt. "Dann wollen wir noch einmal ausloten, was möglich ist", sagt Buchta.

Nun könnte es gut sein, dass Rangnick der Bundestrainer-Job angeboten wurde. Auch der riesige Schuldenberg von über 200 Millionen Euro macht die Aufgabe für den Neuen nicht einfacher. Mehr klingt es in der Absage jedoch nach der Dauer-Unruhe und nach den Grabenkämpfen, die inzwischen traditionell geführt werden. 

Pathos und Politik

Denn traurig ist es vor allem, wie Schalke in den Wochen des Neuaufbaus schon wieder mehr falsch als richtig macht, gute Chancen versiebt, angetrieben durch ein Innenleben, das von genauso Politik wie Pathos geprägt ist.

Die Posse um Rangnick ist das beste Beispiel, denn der grundsätzlich gut gemeinte Schuss ging kolossal nach hinten los: So hat die Gruppe "Tradition und Zukunft" um Sponsoren, Mitglieder, ehemalige Mitarbeiter und Spieler des Vereins wie Ingo Anderbrügge die Bemühungen um die Verpflichtung des angeblichen Retters und Hoffnungsträgers Rangnick angetrieben und dabei das Umfeld auch emotionalisiert - immerhin hatten sich bei einer Online-Petition 50.000 Fans für Rangnick ausgesprochen. 

Mit den Sehnsüchten einer Anhängerschaft zu spielen, die den Verein so intensiv lebt, kann helfen, aber auch lähmen und für Unruhe sorgen. Genau das ist nun passiert. 

Der Aufsichtsrat geriet in die Kritik, dabei ließ Buchta keine Missverständnisse aufkommen: "Sie werden im Aufsichtsrat keinen finden, der gegen eine Verpflichtung von Ralf Rangnick ist." Parallel kassierte er eine Absage von Markus Krösche, aktuell Sportdirektor bei RB Leipzig.

Klar: Wer übernimmt einen Job, für den offenbar nur einer in Frage kommt? Genau das könnte nun auch die weitere Suche und Gespräche erschweren.

Wie verzweifelt die Lage ist, wie verfahren, zeigte sich am Samstagabend. Da klammerte sich Jörg Grabosch, ein Mitglied der Gruppe "Tradition und Zukunft", live bei "Sky" an das Wörtchen "derzeit" aus der Rangnick-Mitteilung, unkte, dass sich an der Meinung des Trainers vielleicht doch noch etwas ändern könnte. 

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Selbst Matthäus hätte keine Lust

"Wenn keine Ruhe im Verein ist, würde ich mir das auch nicht antun. Wenn er irgendwo arbeiten will, muss alles nach seiner Pfeife tanzen. Und das ist auf Schalke ein Ding der Unmöglichkeit", sagte hingegen Sky-Experte Lothar Matthäus. 

Grabosch meinte, dass es jetzt am Verein liege, für klare Strukturen zu sorgen, die Gruppe wolle sich dabei einbringen, muss sich aber parallel Vorwürfe gefallen lassen, vereinsschädigend agiert zu haben.  

Was alles unweigerlich an den Spruch mit den vielen Köchen und dem Brei erinnert. "Wir rennen nicht planlos durch die Gegend. Ich gehe davon aus, dass wir sehr kurzfristig eine Lösung präsentieren können", betonte Buchta.

Doch bei aller Liebe: Schalke hat in den vergangenen Jahren viel falsch gemacht, speziell in dieser Saison viel verspielt, viel kaputtgemacht, und jetzt verläuft auch der Neustart holprig und chaotisch. Es wirkt zumindest nicht so, als hätte man aus den Fehlern gelernt. So hat der Verein eine Menge Glanz verloren.

Alleine auf die Tradition zu setzen, mit dem eigenen Namen zu klotzen, ist deshalb schon lange nicht mehr genug.

Denn die Rangnick-Absage zeigt: Liebe alleine reicht manchmal dann doch nicht. 

Andreas Reiners

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