Anschläge in Paris: Weltmeister "erschüttert und schockiert"
- Aktualisiert: 14.11.2015
- 10:02 Uhr
- SID
"Erschüttert und schockiert": Angesichts der Anschläge in Paris geriet das 0:2 im EM-Härtetest gegen Frankreich für die deutschen Weltmeister völlig in den Hintergrund.
Paris - Es lag eine gespenstische Stille über dem Stade de France, als die verängstigten und schockierten deutschen Weltmeister erst am Samstagmorgen die Endspielarena der EM 2016 verließen.
Bundestrainer Joachim Löw blickte fast zehn Stunden nach der 0:2 (0:1)-Niederlage der DFB-Elf gegen Frankreich in übermüdete und blasse Gesichter, die Anschläge in Paris während des EM-Härtetests hatten auch Kapitän Bastian Schweinsteiger und Co. erschüttert. Angesichts von weit über 100 Toten an diesem schwarzen Freitag rückte der Fußball völlig in den Hintergrund.
Drei Tote in Stadionnähe
"Wir sind alle erschüttert und schockiert", sagte Löw am Abend in der ARD. Über das Spiel gab es aus seiner Sicht "nichts zu sagen". Erst langsam wurde ihm und den Spielern bewusst, wie nahe auch sie dran waren an dieser Katastrophe. Drei Menschen wurden bei Explosionen in unmittelbarer Nachbarschaft zum Stadion in St. Denis getötet; von der Gegentribüne aus soll der Tatort Augenzeugen zufolge sogar zu sehen gewesen sein.
Die DFB-Elf blieb aufgrund der Sicherheitslage bis zum Morgen im Stadion, ehe die Abreise organisiert werden konnte. "Ich kann bestätigen, dass die Mannschaft jetzt gerade in den Flieger steigt und nach Frankfurt fliegt", sagte der DFB-Sicherheitsbeauftragte Hendrik Große Lefert dem SID um kurz nach acht Uhr am Morgen: "Alles andere wird im Laufe des Tages entschieden."
Jubel beim zweiten Knall
In der 17. und 20. Minute war jeweils ein lauter Knall im Rund zu hören gewesen. Beim zweiten Mal brandete Jubel auf - die französischen Fans glaubten wohl an einen Böller.
Löw fühlte sich eigenen Angaben zufolge an die Bombendrohung im Teamhotel Molitor am Freitagvormittag erinnert, derentwegen die Mannschaft das Quartier für mehrere Stunden hatte verlassen müssen - bis die Entwarnung kam. "Wir alle auf der Bank haben daran gedacht, weil wir heute Mittag schon in Schrecken versetzt wurden", sagte Löw.
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Unsicherheit und Angst in der Kabine
Doch aus dem "großen Schreck", wie es Teammanager Oliver Bierhoff nannte, wurde Stunden später der blanke Horror. In der Kabine der Weltmeister habe bereits in der Halbzeitpause "große Unsicherheit und große Angst" geherrscht, berichtete Bierhoff.
Einige Spieler hatten Angehörige oder Freunde im Stadion, die sie über die überlasteten Netze nur schwer erreichen konnten. "Man hat gemerkt, wie geschockt die Spieler sind. Sie haben sofort nach ihren Telefonen ergriffen, um sich zu informieren oder zu Hause anzurufen", sagte Bierhoff.
Abfahrt erst am frühen Morgen
Zunächst schien es, als hätte die DFB-Delegation die Arena um 2.15 Uhr verlassen. In den Kleinbussen, in denen sich Spieler und Betreuerstab befinden sollten, saßen jedoch nach DFB-Angaben vom Samstagmorgen die "Freunde der Nationalmannschaft".
Frankreichs Staatspräsident Francois Hollande, der wie Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier im Stadion war, hatte da schon den nationalen Notstand ausgerufen und den Attentätern den Kampf angesagt. Die Grenzen des Landes wurden geschlossen.
Frühere Abreise gilt als sicher
Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) war auch am Morgen noch im Unklaren darüber, wie es weitergehen sollte. Angesichts der Umstände galt aber eine frühere als die erst für Sonntag geplante Abreise als sicher.
Ob die Weltmeister am Dienstag (20.45 Uhr) in Hannover zum letzten Länderspiel des Jahres antreten würden, blieb offen. "Wir sind etwas ratlos, müssen beraten, was wir tun", sagte Löw. Pressekonferenz und Spieler-Interviews nach der Partie im Stadion wurden abgesagt.
"Sport tritt in Hintergrund"
Der kommissarische DFB-Präsident Reinhard Rauball berichtete unterdessen betroffen von der während des Spiels immer angespannteren Lage. "Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier saß neben mir. Die Nachrichten, die er bekommen hat, waren von Minute zu Minute tragischer", sagte er: "Da war schnell klar, dass an einem solchen Tag der Sport eindeutig in den Hintergrund tritt."
Rauball dachte auch sofort an die EM 2016 (10. Juni bis 10. Juli), bei der Eröffnungs- und Endspiel im Stade de France stattfinden sollen. "Ich hoffe, dass die richtigen Schlüsse gezogen und Einfluss genommen werden kann, gerade im Hinblick auf das große Fest, das nächsten Sommer in Frankreich stattfinden soll", sagte er.
Gerüchte über Schüsse im Stadion
Wenige Minuten nach dem Schlusspfiff reagierten einige Fans beinahe panisch, als sie verängstigt auf das Spielfeld strömten. Gerüchte von Schusswechseln machten die Runde, die Sicherheitsleute im Stadion hatten die Lage aber im Griff.
Dass die "Blauen" durch die Tore von Olivier Giroud (45.+1) und Andre-Pierre Gignac (86.) einen großen Sieg errungen hatten, wollte niemand feiern. Ebensowenig wie sich bei der deutschen Elf jemand für das ordentliche Comeback von Mario Gomez oder das gelungene Debüt von Leroy Sane interessierte.