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Corona und der Fußball: Ein unglaubwürdiges Schauspiel

  • Aktualisiert: 16.11.2020
  • 23:22 Uhr
  • ran.de
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© imago images

Im Frühsommer galt der Fußball mit seinen Hygiene- und Schutzkonzepten als gesellschaftliches Vorbild in der Corona-Pandemie. Diese Rolle hat er mittlerweile verwirkt. Der Umgang mit der Krise wirft immer mehr Fragen auf.

München – Am Samstagabend spielte die deutsche Nationalmannschaft gegen die Ukraine. Ein Spiel, welches rauf- und runterdiskutiert, über das Köpfe geschüttelt und geschimpft wurde. Nicht aber aus den gängigen Gründen, wenn die DFB-Elf zuletzt antrat. Sondern, weil das Spiel überhaupt stattfand.

Vier Spieler und ein Betreuer der Ukrainer waren 24 Stunden vor der Partie positiv auf das Coronavirus getestet worden. Alle hatten laut Verband aber keinen intensiven Kontakt zum restlichen Team – nicht beim vorhergehenden Spiel gegen Polen, bei der gemeinsamen Anreise nach Leipzig oder im Mannschaftshotel. Wie praktisch. Also wurde gespielt.

Dass am Montag die Meldung über zwei weitere positive ukrainische Spieler die Runde machte, war also keine Überraschung. Sondern vielmehr ein Tiefpunkt im Umgang des Fußballs mit der Pandemie.

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Löw überrascht: Zwei Ukrainer nach Spiel positiv

Zwei am Samstag im Länderspiel gegen Deutschland eingesetzte ukrainische Nationalspieler sind im Nachgang positiv auf das Coronavirus getestet worden.

  • 16.11.2020
  • 19:23 Uhr
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Schutzkonzepte der Bundesliga wurden gefeiert

Eines vorweg: Dass der Fußball nicht nur im Sport, sondern auch in der Gesellschaft eine Sonderrolle in dieser Pandemie bekam, ist – oder zumindest war – in Ordnung.

Zum einen als wohltuende, Arbeitsplätze sichernde Unterhaltung; als Zeichen von ein bisschen Normalität in diesen bizarren Zeiten. Zum anderen, weil sich vor allem hierzulande die Bundesliga hervortat und mit ihren von allen Seiten mit Lobeshymnen bedachten Schutz- und Hygienekonzepten viel Kredit aufbaute.

Aus der ganzen Welt traten Sportligen an die DFL heran, derart gute Konzepte brauche es überall hieß es. Der Fußball könne hier ein Vorbild sein, hieß es. Für Veranstaltungen aller Art, ja sogar für die Schulen. Und tatsächlich: die Fußballligen fuhren ihren Betrieb wieder hoch. Und es funktionierte.

Auftritt: UEFA.

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Internationale Wettbewerbe sorgen für Unverständnis

Ein paar Monate später hat der Fußball seine Vorbildrolle verwirkt, was sich die Union der Europäischen Fußballverbände zu einem nicht unbedeutenden Teil auf ihre Fahne schreiben darf. Die Pandemie hat die Welt wieder im Griff und ein Land nach dem anderen rutscht in einen Lockdown. Fußballklubs reisen derweil in Risikogebiete, um dort Supercup- oder Champions-League-Spiele auszutragen.

In Deutschland sollen sich Menschen dem Vernehmen nach ab sofort bei Schnupfen in Quarantäne begeben. Und in der Nations League – dem ohnehin überflüssigsten Wettbewerb der Fußballwelt – werden Spiele mit aller Macht, dafür ohne Sinn und Verstand durchgedrückt. "Wir haben gefiebert", lieferte DFB-Direktor Oliver Bierhoff vor dem Spiel gegen die Ukraine einen passend düsteren Blick auf die Prioritäten der Fußballmacher, "dass es keine weiteren Fälle gibt".

Was wie ein schlechter Witz klingt (und wohl auch ist), zeigt brutal deutlich, dass der Fußball an vielen Ecken seinen vorsichtigen, demütigen Blick verloren hat. Und selbigen lieber wieder auf Dinge wie lukrative Fernsehverträge richtet. Das Normale eben – in einer Welt, in der es sonst leider noch keine Normalität gibt.

Nicht umsonst lautet die Vorgabe der UEFA, jedes Spiel unter ihrer Obhut habe stattzufinden, solange sich zwölf Feldspieler und ein Torwart auftreiben lassen. Es wird nicht einmal der Anschein bemüht, es könne auch um die Gesundheit der Spieler gehen.

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Manche sind gleicher als andere

Diese verantwortungslose Gefährdung der Akteure ist nicht der einzige Grund, warum auch die Vereine die Leidtragenden der Situation sind. Der Spielplan ist dank Corona ohnehin schmerzhaft vollgequetscht, Pausen gibt es quasi keine mehr. Was Verletzungen vorprogrammiert, was Erkrankungen vorprogrammiert. Was zu Ausfällen und damit wiederum zu noch mehr Belastung führt.

Freizusprechen sind die Vereine aber freilich auch nicht. Während hierzulande die Klubbosse mit ihren Konzepten weiter für Zuschauer in den Stadien werben, wird hinter den Kulissen gedeichselt, dass Spieler wie Dortmunds Angreifer Erling Haaland - der nach einem positiven Test eines Mitspielers nach den Vorschriften seines Heimatlandes Norwegen eigentlich zehn Tage in Quarantäne müsste – dank der im Überfluss vorhandenen Tests schon am Samstag wieder auf dem Platz stehen dürfen.

Der Fußball war schon immer eine bittersüße Erinnerung daran, dass manche gleicher sind als andere. Aktuell ist es eher ein unwürdiges Schauspiel.

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