• Darts
  • Tennis
  • Alle Sportarten

Anzeige
Anzeige
Leihgeschäfte im Profifußball

Erst verleihen - dann verkaufen! Das Millionengeschäft mit dem Leihspieler-Irrsinn

  • Aktualisiert: 05.07.2019
  • 20:38 Uhr
  • ran.de / Oliver Jensen
Article Image Media
Anzeige

Vereine wie FC Chelsea und AS Monaco kaufen viel mehr Spieler, als sie in ihrer Profimannschaft unterbringen können. Dutzende Profis werden also verliehen und sollen später als Top-Star zurückkehren oder einfach eine dicke Ablöse bringen. Die FIFA möchte diesem "Menschenhandel" ein Ende setzen. Das wird allerdings schwer. 

München - Wären am Montag alle Spieler zum Trainingsauftakt erschienen, die beim AS Monaco angestellt sind, hätte es in den Kabinen vermutlich nicht einmal für jeden einen Sitzplatz gegeben. 74 Fußballprofis (!) stehen bei dem französischen Erstligisten unter Vertrag. Nur 22 von ihnen standen allerdings auf dem Trainingsplatz, als Trainer Leonardo Jardim die erste Übungseinheit leitete.

"Das ist immer so, am Anfang der Saison herrscht große Fluktuation. Einige Spieler sind noch nicht zurückkehrt, uns fehlen weitere", erklärte Jardim gegenüber der Zeitung "L'Éqiupe". 36 der 74 Profis gehören aktuell dem Kader der Profimannschaft an. Von diesen 36 sollen laut der Zeitung "Le Parisien" in den nächsten Wochen 20 Spieler abgegeben werden. Nicht um den Kader zu verkleinern, sondern um Platz für Neuzugänge zu schaffen.

Anzeige
Arjen Robben (FC Bayern)
News

ranSicht: Robben war ein Glücksfall für die Bayern

Nach zehn Jahren beim FC Bayern beendet Arjen Robben seine einzigartige Karriere. Wir verneigen uns vor einem Spieler, der den Rekordmeister auf ein seit Jahrzehnten nicht mehr erreichtes Level gehoben hat.

  • 05.07.2019
  • 22:23 Uhr

"Ich brauche Verstärkungen, um ein wettbewerbsfähiges Team zu bilden", stellt Jardim klar. Gut möglich, dass es genauso viele Neuzugänge wie Abgänge geben wird – oder noch mehr. Alleine in der vergangenen Saison kamen 19 neue Spieler in das Fürstentum. Akteure aus dem eigenen Nachwuchs oder zurückgekehrte Leihspieler sind hier nicht einmal mit einberechnet.

Und was machen die übrigen 38 Spieler, die aktuell gar nicht im Profikader stehen? Die sind überall in der Fußball-Welt verteilt, spielen als Leihspieler zum Beispiel für Cercle Brügge in Belgien, für Olympiakos Piräus in Griechenland oder für den FC Santos in Brasilien.

Das System hat Methode: Erst einmal möglichst viele Spieler unter Vertrag nehmen, dann irgendwo parken und hoffen, dass der eine oder andere den Durchbruch schafft.

Auch FC Chelsea hat eine "Leih-Armee"

AS Monaco ist nicht der einzige Verein, der sich eine "Leih-Armee" zusammengestellt hat. Der FC Chelsea hat ein ähnliches Geschäftsmodell entwickelt. Alleine in der vergangenen Saison wurden etwa 30 bis 40 Vertragsspieler (die Angaben weichen voneinander ab) bei anderen Vereinen untergebracht.

Die Spieler werden gefühlt überall geparkt, wo einigermaßen professionell Fußball gespielt wird – ob nun in England oder im Ausland, ob in Chile oder in Kolumbien, ob in der 1. Liga oder in der 4. Liga.  

Manche Spieler dürften teilweise selber kaum noch wissen, wo sie gerade spielen. Der jamaikanisch-britische Michael Hector beispielsweise stand von 2009 bis 2015 beim englischen Profiverein FC Reading unter Vertrag und wurde in dieser Zeit an elf verschiedene Vereine verliehen.

2015 wurde er für eine Ablöse von 5,4 Millionen Euro vom FC Chelsea verpflichtet. Endlich bei einem Spitzenverein angekommen? Fehlanzeige! Der einzige Unterschied zu vorher bestand darin, dass er nun vom FC Chelsea von Verein zu Verein geschickt wurde.

Erst ging er leihweise zurück zum FC Reading, dann zu Eintracht Frankfurt, dann zu Hull City, dann zu Sheffield Wednesday. Für den FC Chelsea absolvierte er noch kein einziges Pflichtspiel.

Externer Inhalt

Dieser Inhalt stammt von externen Anbietern wie Facebook, Instagram oder Youtube. Aktiviere bitte Personalisierte Anzeigen und Inhalte sowie Anbieter außerhalb des CMP Standards, um diese Inhalte anzuzeigen.

Große Vereine und ihre "Farmteams"

Ebenso brisant wie der Umgang mit den Akteuren selber ist, dass viele Top-Vereine eine Verbindung zu kleineren Vereinen haben und ihre Spieler vorzugsweise dorthin geben – fast so wie es im US-Sport mit den Farmteams gehandhabt wird.

Chelsea zum Beispiel verlieh viele Spieler an den niederländischen Erstligisten Vitesse Arnheim. Und zwar von dem Zeitpunkt an, als ein gewisser Alexander Chigirinsky, ein langjähriger Geschäftspartner von Chelsea-Boss Roman Abramowitsch, den niederländischen Erstligisten übernahm. Ein Zufall? Wohl kaum.

Der spanische Verein FC Girona wiederum hat eine enge Bindung zu Manchester City. Die Aktienmehrheit des Vereins liegt bei der Girona Football Group, die von Pep Guardiolas Bruder Pere geleitet wird, und bei der City Football Group, die auch im Besitz von Manchester City ist.

Alleine in der Saison 2017 / 2018 wurden in Douglas Luiz, Aleix Garcia und Pablo Maffeo drei Top-Talente von Manchester nach Girona verliehen. Girona spielte eine starke Saison, bezwang einmal sogar Real Madrid und träumte zwischenzeitlich von der Europa League.

Vergangene Spielzeit gab es nur einen Leihspieler von Manchester City. Das Ergebnis: FC Girona stieg in die 2. Liga ab.    

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass aufgrund der Leihspieler eine gewisse Wettbewerbsverzerrung entsteht.  

Erst verleihen, später verkaufen – ein Millionen-Geschäft

Für die abgebenden Vereine sind die Leihgeschäfte oftmals sogar lukrativ. Beispiel FC Chelsea: Torwart Thibaut Courtois wurde 2011 für knapp neun Millionen Euro aus Belgien wegverpflichtet, dann für drei Jahre an Atletico Madrid verliehen. 2014 kehrte er als Weltklasse-Torhüter nach London zurück und wurde vier Jahre später für 35 Millionen Euro an Real Madrid verkauft.

Auch Spieler wie Romelu Lukaku und Kevin de Bruyne wurden einst günstig verpflichtet, dann weiterverliehen und schlussendlich gewinnbringend weiterverkauft. Bis dahin entstanden für den Verein kaum Kosten. Die ausleihenden Vereine übernahmen das Gehalt, meist kam auch noch eine dicke Leihgebühr hinzu.

Anzeige

Dass es auch andere Spieler gibt, die mit den vielen Ausleihen weniger gut zurechtkommen und auf der Strecke bleiben, fällt für den abgebenden Verein nicht groß ins Gewicht – zumindest nicht finanziell.

Anzeige

Ein neues Berufsbild: Leihspieler-Betreuer

Möglicherweise wäre den Spielern geholfen, wenn sie nicht abgeschoben, sondern gut betreut fühlen würden. Ein gutes Beispiel ist der Bundesligist SV Werder Bremen, die für ihren Ex-Spieler Clemens Fritz eine völlig neue Position erschaffen haben – und zwar die des Leihspieler-Betreuers.

Werder-Geschäftsführer Frank Baumann erklärt auf werder.de: "Er holt Feedback ein, wie die Entwicklung des Spielers vorangeht und bespricht, wo vielleicht Probleme bestehen. Natürlich sind wir auch selbst vor Ort, um die Entwicklung einschätzen zu können und den Spieler spüren zu lassen, dass wir ihn nicht abgeschoben haben, um ihn loszuwerden, sondern vielmehr, um ihn besser zu machen."

Baumann glaubt, dass die Leihgeschäfte bald vom Weltverband reglementiert werden. "Es gibt Pläne der FIFA, die die Anzahl der Leihspieler auf fünf Personen pro Verein zu beschränken." Nur die Spieler aus dem eigenen Nachwuchs würden nicht unter diese Regelung fallen.

Sollte diese Regelung durchgesetzt werden, wäre dem Treiben vom FC Chelsea oder AS Monaco nicht zwingend ein Ende gesetzt. Möglicherweise würden sie die Talente dann nur etwas früher verpflichten, damit sie kurz dem eigenen Nachwuchsprogramm durchlaufen und dann verliehen werden dürfen.  

Es wird also schwierig, dem Leih-Irrsinn und den aufgeblasenen Kadern wirklich ein Ende zu setzen. Somit bleibt die Gefahr, dass irgendwann wirklich nicht jeder Spieler am ersten Trainingstag einen Sitzplatz in der Kabine abbekommt.

Oliver Jensen

Du willst die wichtigsten Fußball-News direkt auf dein Smartphone bekommen? Dann trage dich für unseren WhatsApp-Service ein unter http://tiny.cc/ran-whatsapp


© 2024 Seven.One Entertainment Group