Sportdirektor von st. louis im ran-interview
Lionel Messi in der MLS - Lutz Pfannenstiel: "Er ist der Jackpot"
- Aktualisiert: 25.07.2023
- 13:52 Uhr
- Tobias Wiltschek
Im Gespräch mit ran spricht Lutz Pfannenstiel über den kometenhaften Aufstieg seines Klubs St. Louis City in der MLS, seinen Leistungsträger Eduard Löwen und die Euphorie in den USA um Lionel Messi.
Seit dem Wechsel von Lionel Messi in die USA zu Inter Miami ist die weltweite Aufmerksamkeit für die MLS enorm gestiegen.
Dabei wurde schon vor dem Wechsel des argentinischen Superstars zum Klub von David Beckham in der US-Profiliga sehr gute Arbeit geleistet.
Die große Überraschung ist bislang St. Louis City mit dem deutschen Sportdirektor Lutz Pfannenstiel.
Das Team, das erst seit dieser Saison in der MLS mitspielt, führt nach 23 Spieltagen die Western Conference an.
Das Wichtigste in Kürze
Bei ran spricht Pfannenstiel über die Aufbauarbeit in St. Louis, Leistungsträger Eduard Löwen und die Bedeutung des Messi-Transfers für die MLS.
Pfannenstiel spricht über Aufstieg von St. Louis
ran: Nehmen Sie eigentlich schon Glückwünsche für die bislang phänomenal verlaufende Debüt-Saison Ihres Klubs St. Louis City an?
Lutz Pfannenstiel: Bisher braucht es noch keine Glückwünsche. Denn wir haben noch gar nichts erreicht. Für viele Außenstehende ist es ohne Frage eine Sensation, dass wir als neue Mannschaft nach 23 Spielen ganz vorne stehen. Aber zurzeit kann man sich halt noch nichts dafür kaufen. Wir konzentrieren uns jetzt erstmal drauf, die letzten elf Liga-Spiele so gut wie möglich abzuschneiden. Die MLS hat ein komplett anderes Format als die Bundesliga. In Europa kann man eine Saison nach 34 Spieltagen bewerten. Hier geht es mit den Playoff-Spielen erst richtig los. Unsere bisherigen Ergebnisse sind bisher ganz ordentlich.
Externer Inhalt
St. Louis-Sportchef schwärmt von Trainingsgelände
ran: Nach der langen Aufbauarbeit einer neuen Franchise. Welches Gefühl überwiegt bei Ihnen jetzt? Ist eher der Stolz auf das Erreichte oder eher Erleichterung?
Pfannenstiel: Stolz bin ich grundsätzlich nie. Dazu bin ich einfach zu ambitioniert. Es gibt noch wahnsinnig viel zu tun. Ich habe einen Vertrag bis Ende 2025. Dann kann man das Projekt erst bewerten. Als deutscher Fußball-Fan kann man sich das gar nicht ausmalen, was es bedeutet, hier einen Verein zu bauen. Als wir anfingen, hatten wir kein Stadion, keinen Spieler, keinen Trainer, nicht einmal einen Ball. Ich bin jetzt seit drei Jahren hier. 2020 war eine reine Planungsphase, 2021 ging es darum, eine gute Akademie aufzubauen, ein Leistungszentrum, in das wir sehr viel Energie und Zeit investiert haben. 2022 ging es darum, sich mit unserer zweiten Mannschaft auf 2023 vorzubereiten, als schon viele Bundesliga-Spieler dazugekommen sind. Zwischendurch haben wir noch das modernste fußballspezifische Stadion samt Trainingsgelände in den USA gebaut. Auf das Trainingsgelände bin ich schon ein bisschen stolz (lacht). Das hat europäisches Top-Niveau. Es waren aber insgesamt drei Jahre knochenharte Arbeit.
Lionel Messi zu Inter Miami: Co-Owner spricht über Vertragsdetails
Pfannenstiel will mit St. Louis dauerhaft die Playoffs erreichen
ran: Was ist Ihr mittelfristiges Ziel mit St. Louis?
Pfannenstiel: Jetzt geht es darum, das Ganze zu konservieren, diese Euphorie mit in die zweite Halbserie und dann mit nach 2024 zu nehmen. Mein persönliches großes Ziel ist es, ab 2025 eine Mannschaft zu haben, die es jedes Jahr in die Playoffs schaffen kann. Wir wollen nicht nur im ersten Jahr ein paar Leute schocken, sondern mittel- und langfristig erfolgreich sein.
ran: Wie sehr sind Sie selbst überrascht davon, dass Ihr Team derzeit die Western Conference anführt?
Wir wollen nicht nur im ersten Jahr ein paar Leute schocken.
Lutz Pfannenstiel
Pfannenstiel: Positiv überrascht, wie so ziemlich jeder. Ich glaube, das hängt auch damit zusammen, dass traditionell MLS-Expansion-Teams eigentlich schön auf die Mütze bekommen. Ich habe aber von Anfang an gesagt, wir wollen kein Prügelknabe sein. Wir wollen sofort wettbewerbsfähig sein und es jedem Gegner so schwer wie möglich machen. Ich bin überrascht, dass wir auf Platz eins stehen. Ich bin aber nicht überrascht, dass wir bislang ganz gute Ergebnisse erzielt haben.
ran: Welche Spieler haben sich als Stützen der Mannschaft erwiesen?
Pfannenstiel: Die Mannschaft steht über allem. Wir haben eine junge, hungrige Truppe in der Roman Bürki bislang eine herausragende Saison spielt. Eduard Löwen macht es hervorragend. Wir haben aber auch talentierte Spieler, wie Njabulo Bloom, den wir aus Südafrika geholt haben. Joao Klauss hatte einen wahnsinnig guten Einstand, leider ist er seit einigen Wochen verletzt, kommt aber bald wieder. Bei uns steht aber die Philosophie mit Pressing und Gegenpressing sowie harter Arbeit über den einzelnen Spielern. Wir haben das zweitniedrigste Budget der ganzen Liga, dafür aber die disziplinierteste Mannschaft mit hoher Intensität und Laufbereitschaft. Wenn die gegnerischen Mannschaften in St. Louis den großen Arch (Gateway Arch, bogenförmiges Denkmal, Anm. d. Red.) sehen, dann sollen ihnen schon die Knie schlottern.
ran: Leistungsträger Eduard Löwen hat seine letzten Spiele im DFB-Trikot vor zwei Jahren bei Olympia in Japan bestritten. Hätte er nicht mittlerweile auch eine Einladung von Hansi Flick ins Nationalteam verdient?
Pfannenstiel: Das ist ein langer Weg von Amerika nach Deutschland. Das sieht man auch bei Hany Mukhtar, der für mich seit zwei Jahren der beste Spieler in der Liga ist. Es ist eben nicht einfach, außerhalb von Europa auf sich aufmerksam zu machen. Edu hat nach einer schwierigen Zeit in Berlin wieder Spaß am Fußball gefunden und bringt Woche für Woche gute Leistungen. Der Rest kommt von selbst. Der Kollege ist ja auch erst 26 Jahre alt.
ran: Es scheint aber dennoch so zu sein, dass die Spieler in der MLS nicht das allergrößte Standing beim DFB haben. Wie sehen Sie das?
Pfannenstiel: Ich glaube, dass die MLS noch mit den Nachwehen einer Zeit zu kämpfen hat, in der viele ältere Spieler dahin gegangen sind. Das hat sich aber in den letzten zehn Jahren komplett verändert. Jetzt wechseln auch Topspieler hierher, wie Thiago Almada von Atlanta, der mit Argentinien Weltmeister geworden ist. Dass Miami Messi an Land zieht, ist natürlich sensationell. Aber im Großen und Ganzen wird das Niveau vor allem im Hinblick auf die WM 2026 von Jahr zu Jahr stärker werden.
ran: Gäbe es Teams, die in der europäischen Champions League spielen könnten?
Pfannenstiel: Das ist schwer zu vergleichen, das ist ein anderer Fußball. Ich denke schon, dass sich einige Top-Mannschaften in Europa gut verkaufen würden. Aber aufgrund des Nicht-Abstiegs und der Art und Weise, wie die Liga gebaut ist, ist es einfach schwer, das Ganze zu messen. Aber die Spieler, die kommen, werden vom Niveau her immer stärker. Die Amerikaner produzieren immer mehr gute junge Spieler. Mit der WM 2026 und der Leuchtturm-Figur Lionel Messi herrscht eine Aufbruchstimmung.
Sein Einstand war wie ein Hollywoodfilm.
Lutz Pfannenstiel über Lionel Messi
ran: Was erwarten Sie von ihm, und was erwartet Messi in der MLS?
Pfannenstiel: Wenn mit Messi einer der besten Fußballer aller Zeiten in die MLS kommt, dann ist das ein ganz klares Ausrufezeichen. Das ist das Beste, was dem Fußball in Amerika passieren konnte. Messi hat eine wahnsinnige Wirkung auf alles. Er wird ein Vorbild sein. Dadurch wird die Liga besser, andere Spieler werden ihm noch folgen. Das ist der Jackpot, den die MLS gezogen hat. Er wird in Miami und in der Liga der beste Fußballer sein. Aber Miami ist derzeit Letzter der Eastern Conference und wurde von uns vor ein paar Tagen 3:0 geschlagen. Ein Messi wird das nicht sofort ändern können, Miami wird nicht gleich jedes einzelne Spiel gewinnen. Auch Messi braucht gute Leute um sich herum. Das wird Miami auch schaffen, aber nicht von heute auf morgen.
ran: Was sagen Sie zum Traumeinstand von Messi gegen Cruz Azul?
Pfannenstiel: Sein Einstand war wie ein Hollywoodfilm. 3. Minute der Nachspielzeit und dann der perfekte Freistoß zum Siegtreffer. Es war ein magischer Moment.
ran: Messis langjähriger Rivale Cristiano Ronaldo spielt in Saudi-Arabien. Seinem Beispiel folgten im Sommer viele weitere Stars. Wie beurteilen Sie die zunehmende Attraktivität der saudischen Liga?
Pfannenstiel: Ich habe für die FIFA einige Jahre die Trainerausbildung in Saudi-Arabien geleitet. Ich kenne die Liga relativ gut. Man darf sie nicht unterschätzen. Die Saudi-Liga ist in Asien eine Top-Liga. Die dortigen Nationalspieler mussten nie ins Ausland wechseln, weil man dort schon immer auf gutem Niveau spielen konnte und dazu auch die Gehälter gut waren. Woche für Woche wechseln einige große Namen dorthin. Der Fußball wird boomen, die Liga wird stark werden. Trotzdem muss man aufpassen, dass man nicht die Richtung von China einschlägt. Dort hat man zwei, drei Jahre viel in Spieler investiert. Nach Corona ging der Liga komplett die Luft aus. Das wird aber in Saudi-Arabien nicht passieren, glaube ich. Das wird den Fußball noch mehr globalisieren.
ran: Nimmt die MLS diese Liga als Bedrohung im Werben um europäische Spieler wahr?
Pfannenstiel: Ich würde das nicht als Bedrohung sehen, sondern als gesunde Konkurrenz. Momentan gehen mehr ältere Spieler mit großen Namen nach Saudi-Arabien als in die MLS. Aber Wettbewerb macht alles interessanter. Inzwischen muss man nicht mehr unbedingt in Europa spielen, um in einer vernünftigen Liga zu spielen und viel Geld zu verdienen.
ran: Ronaldo sagte neulich, die saudische Liga sei besser als die MLS. Was entgegnen Sie ihm?
Pfannenstiel: Schwieriger Vergleich. Außerdem ist es für Ronaldo schwer zu beurteilen, welche die bessere Liga ist. Ich glaube aber, dass es eher ein kleiner Gruß an seinen ewigen Konkurenten Messi ist. Ich sehe das eher als ein Spielchen …