Motorsport DTM
Feller sorgt für Audi-Podest: Ermöglichte Grasser den Strategiecoup?
Damit hatte keiner gerechnet: Ricardo Feller, in der Startaufstellung noch Elfter, überrumpelte im DTM-Samstagsrennen am Nürburgring beinahe das komplette Feld. Zwischenzeitlich sah er sogar wie ein möglicher Siegkandidat aus, musste sich im Schlussstint aber noch den beiden Emil-Frey-Ferrari von Sieger Jack Aitken und Ben Green beugen. Trotzdem ist der Schweizer Matchwinner des Samstags.
Beide waren gleichermaßen überrascht, dass sie sich überhaupt begegneten. "Ricky war für mich nicht wirklich auf dem Radar. Als sie sagten, dass ich mit ihm an der Boxenausfahrt kämpfen würde, war ich etwas überrascht", gesteht Aitken. Und auch Feller stößt ins selbe Horn: "Ich hätte nie erwartet, dass wir so weit vorne landen würden."
Feller ging vom elften Startplatz ins Rennen. Beim Restart war er Neunter und gewann zwei weitere Plätze - einen gegen Marco Wittmann auf der Strecke und einen wegen der Strafe gegen Maro Engel. Als Siebter kam er dann bei der erstmöglichen Gelegenheit an die Box und schnappte sich mit einem Undercut beinahe jeden.
"Wir sind mit der Strategie ein Risiko eingegangen", gibt er zu. Doch das zahlte sich aus: "Niemand hatte uns auf dem Radar. Niemand hat auf uns reagiert. Es ist einfach gut gelaufen." Viele Teams erinnerten sich offenbar noch ans Vorjahr, als die Strategie, spät zu stoppen, vorteilhaft gewesen war. Doch diesmal stach der klassische Undercut alles aus.
Was ebenfalls mit in die Sache reinspielt und für den TV-Zuschauer nicht nachvollziehbar war: Feller fuhr auf einer anderen Reifenstrategie. Da in der DTM die Top 10 auf den Reifen starten müssen, die sie im Qualifying verwendet hatten, Feller aber von P11 startete, konnte er mit frischen Reifen starten. Als er dann die angefahrenen Reifen beim Boxenstopp nahm, konnte er sie wesentlich schneller auf Temperatur bringen als die Gegner ihre brandneuen Pirellis.
Warum niemand reagierte, erklärt Jordan Pepper: "Es war ein großartiger Schachzug von ihnen. Ich denke, es hat niemand auf ihn geachtet, weil er im Meisterschaftskampf keine Rolle spielte. Wir hatten ihn auf dem Radar, aber wussten, dass wenn wir an die Box kommen würden, Auer uns covern würde. Das hätte dann eine Kettenreaktion ausgelöst."
Pepper lag vor den Stopps direkt hinter Auer. Beide wurden wegen ihrer späten Stopps von Feller kassiert. "Wir haben heute einfach versucht, Feller zu vergessen und wollten schauen, ob wir ihn am Ende angreifen können. Wir sind dicht rangekommen, aber P4 ist schon perfekt für mich."
Ferrari-Überlegenheit nur wegen der Reifen?
Aitken hatte die überraschende Ansage am Funk, dass er mit Feller um die Führung kämpfen würde, noch gar nicht richtig verdaut, da ging es auch schon los: "Als ich aus der Box kam, war er natürlich sofort in meinem Rückspiegel. Also habe ich ihn ein paar Kurven lang aufgehalten, aber dann kam er auf der Gegengeraden vorbei."
Dann aber rutschte Feller in der Veedol-Schikane von der Strecke und gab die Führung wieder ab. Aitkens Reifen waren aber immer noch nicht komplett im Arbeitsfenster und so ging der Land-Audi wieder an die Spitze. Nur um kurze Zeit später, als Aitkens Reifen ihren Peak erreichten, wieder von Aitken und auch dem anderen Briten, Ben Green, eingefangen zu werden.
"Am Ende war klar, dass ich die Führung aufgrund des reinen Tempos nicht halten konnte. Natürlich auch wegen der Reifen", sagt Feller. "Meine Hinterreifen waren schon ziemlich abgefahren, als wir angefangen haben zu kämpfen. Daher hatte er natürlich einen großen Vorteil. Aber schon im Qualifying konnten wir sehen, dass wir einfach nicht das Tempo haben, um um die Spitze zu kämpfen. Deshalb fühlt sich das Podium umso besser an."
Das war die diplomatische Formulierung. Im Rennen klang es am Funk nämlich ganz anders: "Die managen es echt gut." Worauf sein Ingenieur antwortet: "Diese ganze BoP-Änderung und die hauen uns immer noch [auf der Geraden] ab wie die Verrückten."
Auch Aitken bezieht sich auf die frischeren Reifen: "Die Reifen haben auf jeden Fall geholfen. Ich meine, unsere Reifen waren etwa 18 Runden frischer als die von Ricky, das macht einen großen Unterschied. Je länger der Stint dauerte, umso schlechter wurde es für sie."
"Wir lieferten uns ein paar Kurven lang einen schönen Kampf, Seite an Seite. Ja, das hat Spaß gemacht. Als ich vorbei war, wollte ich mich nur noch von dem Chaos hinter mir befreien. Ben und ich konnten einen kleinen Vorsprung herausfahren, aber es war wirklich schwer, den Abstand zu halten und die Verfolger hinter uns zu lassen."
Selbst für ihn sei es dabei nicht einfach gewesen, die Reifen im Fenster zu halten: "Es ist heute sehr warm und wir mussten am Ende wirklich Vollgas geben. Zum Glück waren wir durch unseren kleinen Vorsprung sicher."