Motorsport DTM
Mercedes kontrolliert Set-ups eigener Teams: Warum war Engel so stark?
Grund war eine Anweisung von ganz oben: Mercedes-AMG hatte angeordnet, dass die Boliden in die Boxen der internen Konkurrenz gestellt werden, damit nichts mehr verändert werden kann. "Wir haben die Autos eingesammelt, wie wir es jedes Jahr machen, und sie dann nachuntersucht", erklärt der bei AMG für die DTM zuständige Sportdirektor Thomas Jäger.
"Wir haben geschaut, ob die Fahrzeuge technisch dem Homologationsstand entsprechen und ob die Set-ups dem entsprechen, was auf dem Server hinterlegt wurde", konkretisiert er im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'.
Engel-Dominanz trotz One-Team-Approach bei AMG
Denn Mercedes-AMG setzt in der DTM auch dieses Jahr auf den One-Team-Approach: Das bedeutet, dass Set-up sowie Onboard-Kameras von allen sechs Fahrzeugen nach jeder Session auf einen Mercedes-AMG-Server hochgeladen werden, um eine möglichst große interne Leistungsdichte zu erreichen.
Das ergibt in einer Serie mit Balance of Performance Sinn, denn die Einstufung richtet sich in der Regel nach dem besten Fahrzeug der Marke. Dennoch sorgte die bärenstarke Performance von Landgraf-Mercedes-Pilot Engel, der beide Freien Trainings und am Samstag Qualifying und Rennen dominierte - und auch am Sonntag trotz Erfolgsballasts starker Fünfter wurde - AMG-intern für Gesprächsstoff.
Denn die anderen Mercedes-AMG-Teams verloren am Samstag im Qualifying über eine halbe Sekunde auf Engel - und auch Landgraf-Rookie Jusuf Owega war schneller als Werksfahrer wie Auer oder Stolz. Das ist wesentlich denn auf Strecken wie Zandvoort, auf denen man kaum überholen kann, ist ein guter Startplatz die halbe Miete.
David Schumacher: "Denke, dass wir einen Fehler machen"
"Ich denke, wir haben generell im Team noch ein paar Probleme. Wenn wir das mit Maro vergleichen, der ist auf Poleposition im selben Auto - das müssen wir auch hinkriegen", klagte Winward-Mercedes-Pilot David Schumacher nach Startplatz 19 und 0,713 Sekunden Rückstand bei 'ran.de'.
Ob er eine Idee habe, wo die Ursache liegt? "Ich denke, dass es Richtung Tyre-Warmup geht", antwortet Schumacher. "Der Reifen ist sehr sensibel, gerade bei den Temperaturen. Ich denke, dass wir da einen Fehler machen."
Tatsächlich fällt auf, dass das Landgraf-Team beim Qualifying in Zandvoort einen Weg gefunden hat, dass der Pirelli-Reifen schon nach einer sogenannten Prep-Lap, also einer Anwärmrunde, schnelle Zeiten zulässt. Auch die HRT-Piloten waren rasch auf Tempo, während die Winward-Piloten mit den schwierig auf Temperatur zu bringenden Pneus zwei Prep-Laps benötigen.
Landgraf-Stärke: Liegt das Geheimnis im Qualifying?
Das ist eine Erklärung, warum Vizemeister Lucas Auer in der Startaufstellung bislang nicht über Platz zehn hinausgekommen ist. Denn auch der Pirelli-Reifen klebt am besten am Asphalt in den ersten drei Runden. Nur kann man diesen "Peak" nicht nutzen, wenn die Reifen nicht auf Temperatur sind.
Um das zu erreichen, nutzen viele Teams einen Trick: Man fährt zu Beginn des Qualifyings eine Runde, um über die Bremse den Reifen von innen anzuwärmen, fährt aber dann wieder an die Box, um den durch die Hitze steigenden Reifendruck nach unten zu korrigieren. Dann ist es die Kunst, die Temperatur im System zu halten, denn laut Reglement ist es nur erlaubt, 50 Prozent der Fläche bei Bodywork-Öffnungen abzukleben.
"Es hilft natürlich, durch dieses Vorwärmen den Luftdruck in den richtigen Bereich zu kriegen, denn mit der Wärme im Reifen kommt der Druck. Und wenn der Druck nach oben rausgeht, ist auch keine Performance mehr da", erklärt HRT-Teamchef Ulrich Fritz, wie man den perfekten Zieldruck für die Qualifying-Runde erreicht.
Dass Landgraf das aktuell besser versteht, führt Fritz auch auf die Erfahrung aus dem ADAC GT Masters zurück: "Sie haben eine komplette Saison hinter sich, mit genau diesem Qualifying-Format und dem Pirelli-Reifen. Sie wissen daher, wie der ungeheizte Reifen funktioniert, während er in der GT-World-Challenge geheizt wird. Das müssen wir uns anschauen."
Set-up-Transparenz: "Vertrauen nicht missbraucht worden"
Aber hilft es diesbezüglich nicht, dass die Set-ups am Ende jeder Session auf den Server geladen werden? "Das ist sicher nicht verkehrt - und manchmal hilft es einem auch", sagt Fritz. "Dennoch legt man sich beim Testen auf eine Strategie fest. Wenn man dann sieht, wie viel Flügel der andere fährt, dient das eher als Orientierungshilfe als dass man das dann nachbaut."
Jäger ist der Meinung, dass das Landgraf-Team bereits beim Zandvoort-Test verstanden hat, worauf es beim Set-up ankommt. "Sie haben im Mittelsektor die Zeit geholt - das war der Schlüssel zum Erfolg. Die anderen haben sich herangearbeitet, aber sie konnten den Rückstand nicht wettmachen." Das zeigt der dritte Platz von HRT-Pilot Luca Stolz am Sonntag.
Aber ist das Überprüfen der Fahrzeuge ein Indiz dafür, dass man den Teams nicht vertraut, korrekte Daten zur Verfügung zu stellen? So weit will Jäger nicht gehen. "Das Vertrauen ist in den letzten Jahren nicht missbraucht worden. Es hat alles gut funktioniert", sagt der Sportdirektor. "Aber um ein bisschen zu untermauern, dass wir das sehr ernst nehmen und ein großes Interesse daran haben, dass es keine Performance-Unterschiede gibt, die nicht rechtens sind, machen wir das von Zeit zu Zeit", stellt er klar.