Motorsport DTM
"Titel auf Silbertablett präsentiert": Wie Rast heute über den Güven-Vorfall denkt
Rene Rast war nach dem entscheidenden Ausfall beim DTM-Finale in Hockenheim, der auf eine Kettenreaktion nach dem Duell mit dem späteren Meister Ayhancan Güven zurückzuführen war, stinksauer. Zunächst applaudierte er dem Türken zynisch vom Streckenrand und zeigte mit dem Daumen nach oben, dann bezeichnete er Güvens Aktion in der ersten Runde auf ProSieben als "aussichtslos", "unnötig" und "komplett over the limit".
Auch BMW-Motorsportleiter Andreas Roos fand harte Worte. Zwei Wochen später sieht Rast, dessen Traum vom vierten Titel durch die Folgen des Manövers platzte, die Situation etwas differenzierter. "Es war natürlich in dem Moment sehr emotional für mich, ganz klar. Die vierte Meisterschaft war auf einem Silbertablett serviert. Ich musste das Rennen 'nur' gewinnen", beschreibt er die Situation.
Seine Reaktion sei auch darauf zurückzuführen gewesen, dass er sich bereits am Manthey-Porsche-Piloten vorbei und voll auf Titelkurs wähnte, ehe dieser in der Spitzkehre zurückschlug und das Drama auslöste. "Deswegen war das in dem Moment, als ich da stand, ein kleiner Schockmoment. Ich dachte, das kann doch nicht wahr sein, dass das jetzt passiert."
Rast nach Aus emotional: "Dann sagst du solche Dinge"
Die Emotionen seien "extrem hoch" gewesen, auch weil Rast am Freitagabend vor dem Saisonfinale bekanntgegeben hatte, sich vorläufig aus der DTM zurückzuziehen. "Ich wusste: vorläufig letztes Rennen, die Mechaniker alle tottraurig, man hat so viel Energie reingebuttert. Und dann sagst du natürlich solche Dinge."
Wie er Güvens Aktion und seine Aussagen mit etwas Abstand sieht? "Ob es jetzt komplett über dem Limit war, weiß ich nicht", relativiert er. "Es war sehr hart und sehr spät auf der Bremse. Er hat nichts Illegales gemacht, er hat nichts Falsches gemacht. Er hat spät gebremst, und ich war dadurch der Leidtragende. Er war der Auslöser meines Schlamassels."
Es sei eine Tatsache, dass Güven den Ausfall verursacht habe, denn "wenn er nicht so spät gebremst hätte, wäre ich nicht in die Situation gekommen", sagt Rast, der zunächst von Ben Green, dann von Jules Gounon und am Ende von Thierry Vermeulen getroffen wurde. "Und deswegen habe ich natürlich auch die Meisterschaft verloren."
Rast über Güven-Aktion: "Hätte auch ihn treffen können"
Rast ist aber davon überzeugt, dass es genauso gut den Türken hätte treffen können, denn die sieben Titelkandidaten haben beim entscheidenden Rennen viel riskiert. "Auch ich. Das sieht man am Start, als ich die erste Berührung hatte. Ich weiß gar nicht, wer es war, als mein Auto schon fast im 90-Grad-Winkel querstand", verweist er auf den Zwischenfall, bei dem Rast zunächst Güven hinten links rammte und dann in Greens Ferrari geschleudert wurde.
"Ich wusste, dass ich vor Ayhancan ankommen musste, um die Meisterschaft zu gewinnen - und er wusste es genauso", sagt Rast. "Daher haben wir viel Risiko genommen."
Durch sein spätes Bremsmanöver habe Güven beide in eine schwierige Situation gebracht. "Ich wurde aus dem Rennen genommen, aber es hätte genauso ihn treffen können", meint der 38-jährige BMW-Werksfahrer. "Es ist ja nicht gesagt, dass es nur mich trifft, wenn er dieses Risiko geht. Ich glaube, er hat in der Situation sogar eine Position verloren."
Güven für Rast verdient Meister: "Gigantischen Job gemacht"
Rast nimmt Güven aber in Schutz und sagt, dieser "musste" das Risiko eingehen und habe "gesetzeskonform gehandelt". Obwohl die Angelegenheit für ihn schlecht ausging, wolle er die Leistung des Champions "nicht kleinreden. Er hat die Meisterschaft sicher verdient gewonnen. Fünf Siege gab es in den letzten Jahren selten. Daher hat er das ganze Jahr über einen gigantischen Job gemacht."
Ob Rast im Nachhinein in den entscheidenden Momenten etwas anders machen würde? "Wahrscheinlich nicht", antwortet Rast. "Ich war im Kopf schon an ihm vorbei und war vor Turn 6 schon relativ weit vorne." Er habe zwar überlegt, ob es vielleicht klüger gewesen wäre, eine Runde später anzugreifen, "aber der Ausgang wäre wahrscheinlich der gleiche gewesen", ist Rast überzeugt.
"Vielleicht nicht komplett identisch, denn das Feld hätte sich vielleicht ein bisschen entzerrt, aber du weißt nicht, ob du eine Runde später wieder in der Lage bist, ihn zu überholen", erklärt Rast. "Daher musst du diese eine Chance nehmen. Ich habe sie mit Kusshand genommen, bin an ihm vorbeigefahren."
War Rast zu ungeduldig? "Wusste nicht, dass wir gewinnen"
Ob es besser gewesen wäre, wenn er sich im Zweikampf anders positioniert hätte? "Ich hätte weiter innen fahren können, um die Kurve noch mehr abzudecken", meint Rast. "Aber dann wäre mein Eintrittswinkel für Turn 6 so eng gewesen und ich hätte so stark verzögern müssen, dass die Gefahr besteht, dass jemand von hinten kommt, das nicht mitkriegt und mich einfach torpediert."
Dass er nach dem verlorenen Duell sofort wieder aufs Gas ging und nicht aus Sicherheitsgründen eine weitere Linie fuhr, sei darauf zurückzuführen, dass er kontern wollte. "Dann gibst du ja eine Möglichkeit auf, ihn im Anschluss wieder zu überholen", erklärt Rast sein Verhalten. "Aber auch in dem Moment hätte jemand in uns reinfahren können."
Daher ist Rast nach seiner gründlichen Analyse davon überzeugt, dass die dramatischen Ereignisse nicht vorhersehbar waren - und kommt zum Schluss: "Ich hätte wahrscheinlich alles genau so wieder gemacht."
Auch wenn einige nach Teamkollege Marco Wittmanns furioser Aufholjagd von Platz 17 auf Platz zwei sagen, dass Rast das Rennen locker gewonnen hätte, hätte er nur in der entscheidenden Situation etwas mehr Geduld gehabt. "Wenn ich mir sicher gewesen wäre, dass wir das Rennen gewinnen, hätte ich vielleicht weniger Risiko genommen", sagt er. "Aber ich wusste es nicht."