Track-Designer und Joker-Driver
Timo Scheider über neue Aufgaben in der Extreme E: "Dem Motorsport eine Perspektive schaffen"
- Aktualisiert: 15.03.2021
- 12:15 Uhr
- ran.de / Kevin Obermaier
Im ran-Interview erklärt ran racing-Experte Timo Scheider seine Aufgaben in der Extreme E - und warum die neue Elektro-Rennserie zeigt, dass Motorsport mehr sein kann, als nur im Kreis zu fahren.
München - Wenn die Extreme E im April in ihre Debütsaison startet (live auf P7 MAXX und ran.de), wird auch Timo Scheider mit von der Partie sein.
Der ran racing-Experte hat in der Elektro-Rennserie für SUVs gleich zwei Aufgaben: Track-Designer und Joker-Driver. Beide für Scheider komplett neu - und beide für die Extreme E extrem wertvoll. Im ran-Interview verrät er, was dahintersteckt.
ran: Timo, im April geht die Extreme E los, eine vollelektrische Rennserie für SUVs, in ihre erste Saison - und du bist mittendrin! Was ist deine Aufgabe und wie kamst du dazu?
Timo Scheider: Ich habe mich in Saudi-Arabien mit Alejandro Agag (Entwickler der Extreme E, Anm. d. Red.) und dem Extreme-E-Team getroffen. Dort haben sie mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, die Strecke für das Auftaktrennen zu designen. Ich habe dann kurz überlegt und dachte: 'Wie eine Strecke vom Verlauf her sein muss, damit sie cool und spektakulär ist, kann ich mir schon vorstellen.' Und so hat das dann seinen Lauf genommen.
ran: Wie gefällt es dir bisher?
Scheider: Es ist eine coole Truppe, es macht Spaß, und es ist eine neue Erfahrung für mich. Es ist wirklich interessant, eine Strecke nach seinem eigenen Empfinden, nach seinen eigenen Emotionen im Niemandsland zu erfinden, über Dünen, über Steine, durch Büsche, durch Bäume.
ran: Wie ist der Entwicklungsprozess für so ein Streckendesign?
Scheider: Ich habe in Saudi-Arabien in verschiedensten Landesgegenenden angefangen, willkürlich Strecken zwischen acht und 15 Kilometern aufzuzeichnen bzw. abzufahren. Wenn die erste Idee vom Design gestanden war, muss das dann erst einmal mit der Gemeinde, dem Ordnungsamt usw. abgeklärt werden. Da gibt es zig Auflagen, und das dauert auch schon mal ein paar Tage.
Zwischen meinen Gedanken und dem Verständnis der Extreme E - etwas Spektakuläres, Besonderes zu kreieren - und den Möglichkeiten vor Ort - ist das technisch überhaupt machbar mit Strom und Frequenzen? - ist da oft eine gewisse Diskrepanz.
ran: Wie ging es nach dem ersten Layout weiter weiter?
Scheider: Als wir das finale Layout hatten, war das dann der Startschuss von allem. Als die Extreme E gesehen hat, wie wertvoll und wichtig diese Aufgabe ist, hat sie mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, das für die gesamte Saison zu tun. Da habe ich gesagt: 'Leute, ich bin Rennfahrer, kein Designer.' (lacht) Und dann haben sie mir ganz spontan angeboten, on top auch den Job des Joker-Drivers zu übernehmen.
ran: Was kann man sich darunter vorstellen?
Scheider: Durch Corona kann es immer dazu kommen, dass Teams Ausfälle haben. Und bei der Extreme E ist an einem Wochenende nur ein begrenztes Team von fünf Leuten erlaubt, die haben also nicht übermäßig Manpower dabei. Und in die Wüste oder in den Urwald kriegst du halt nicht mal eben jemanden eingeflogen. Deswegen gibt es einen Ersatzfahrer für alle Teams - und das bin ich.
ran: Bis zum ersten Rennen der Extreme E ist noch ein knapper Monat Zeit. Was ist bis dahin deine Aufgabe? Hast du auch schon andere Strecken entworfen?
Scheider: Nach Saudi-Arabien habe ich jetzt auch schon die Strecke im Senegal designt. Das hat mir super gefallen. Da sind wir am Strand, ein bisschen im Hinterland, mit geilen technischen Passagen zwischen Bäumen, über Dünen und dann wieder runter an den Strand, das wird richtig cool!
Als Nächstes kommt dann Grönland, da freue ich mich schon drauf. Brasilien wird auch eine sehr spezielle Herausforderung. In Argentinien könnte es dagegen etwas einfach zu werden, eine Strecke zu finden.
ran: Wann und wie lange bist du für die Extreme E jeweils vor Ort?
Scheider: Für das Streckenlayout bin ich immer fünf bis sieben Tage da, mit An- und Abreise. Und in der Rennwoche bin ich immer von Montag bis Sonntag vor Ort. Da teste ich die Strecke vorab auch live mit dem Rennauto und nehme sie final ab, ob das alles funktioniert mit den Durchfahrten, den Winkeln und der Batteriedauer.
ran: Was fasziniert dich so an dem Projekt, dass du gesagt hast: 'Da will ich dabei sein'?
Scheider: Ich würde ja lügen, wenn ich nicht sagen würde, dass ich ein 'Petrolhead' bin, ein Fan des klassischen Motorsports. Beim Start der Formel E vor sieben Jahren habe ich auch daran gezweifelt, ob das was wird. Aber wenn du Rennfahrer bist, am Lenkrad sitzt, um Positionen kämpfst, dann ist das Fahren ohne Sound nichts anderes als das Fahren mit Sound.
Natürlich ist es als Fan geil, wenn es nach Benzin stinkt und laut ist. Aber wir haben eine Verpflichtung gegenüber unserem Planeten, die Welt dreht sich weiter, wir müssen aufgeschlossen sein. Wenn wir dem Motorsport eine Perspektive schaffen wollen, müssen wir alle gemeinsam etwas dafür tun. Nicht einfach sagen, das ist cool und das ist schlecht, sondern Optionen abwägen.
ran: Aber warum gerade die Extreme E?
Scheider: Alejandro Agag hat mit der Extreme E ein Konzept entworfen, das völlig neu war. Auf fünf Kontinenten über den Motorsport auf Umweltprobleme aufmerksam zu machen - sei es auf bedrohte Schildkröten oder Plastikmüll - und aktiv zu helfen. Zu zeigen, dass Motorsport mehr sein kann, als nur im Kreis zu fahren.
Für mich war das am Anfang auch etwas widersprüchlich - mit Motorsport machst du doch was kaputt, aber gleichzeitig willst du grün sein? Aber wenn man sich mit dem Konzept näher beschäftigt, sieht man, dass es wirklich komplett durchgedacht ist, bis hin zu den Ladestationen, die eben nicht mit Diesel betrieben werden, sondern mit Sonnenenergie und Wasser. Da hat man über den Tellerrand hinausgeblickt und macht nicht nur Show.
Das Interview führte: Kevin Obermaier
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