Xabi Alonso hat keine Zeit. Mal kurz verweilen, alles sacken lassen, verarbeiten?
Das ist nahezu unmöglich in diesem Geschäft.
Vor allem auch deshalb, weil der Trainer von Meister Bayer Leverkusen keine Titel-Tingeltour durch die letzten fünf Bundesliga-Spieltage veranstaltet, sondern noch zwei große Pokale im Visier hat. Bayer will das Triple aus Meisterschaft, DFB-Pokal und Europa League, und dafür benötigt die Werkself weiterhin die höchstmögliche Seriosität, die der Coach vorlebt.
Mit der er die Mannschaft geformt, den Klub geprägt und ihm eine neue DNA verpasst hat. Früher war Leverkusen die Wohlfühloase. Ein Verein, der Ambitionen hatte, stets zum erweiterten Favoritenkreis zählte und in der Champions League spielte.
An der eigenen Gemütlichkeit, der Selbstgefälligkeit. Man hatte sich wohl oder übel mit dem wenig schmeichelhaften Titel "Vizekusen" abgefunden und es sich in der eigenen, unbedarften, aber auch bieder-langweiligen Provinzialität irgendwie gemütlich gemacht.
Alonso hat einen Schalter gefunden.
Und den Klub binnen Monaten schnell, aber doch auch behutsam auf links gedreht. Ihm einen gewissen Glanz verliehen.
Seine Mannschaft hat Hunger, besitzt einen enormen Willen, einen festen Glauben an das, was der Trainer vermittelt.
"Alle fühlen sich gut, jeder liebt den Coach. Seitdem er hier ist, hat er Leverkusen verändert", sagt Jeremie Frimpong. Und Robert Andrich betont: "Du merkst, er macht etwas mit dir."
"Wenn man so eine Persönlichkeit wie ihn, der alles gewonnen hat, vor sich hat, muss man einfach Gas geben - für ihn“, meint Granit Xhaka.
Alonso legt generell viel Wert auf Nähe zu seinen Spielern, auf Authentizität, ohne dabei zu kumpelig zu sein. Dass er auch mal laut werden kann, mag man fast kaum glauben, ist aber angeblich so.
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Wichtig ist ihm auch die kontinuierliche Kommunikation, er bezieht alle mit ein, und schafft so ein Vertrauensverhältnis, das die Spieler pusht. Sie zahlen es mit Leistung zurück. Das Team hat eine ganz neue Siegermentalität, dazu echte Comeback-Qualitäten.
"Sie müssen an das glauben, was du ihnen sagst. Du musst sie füttern: Sie müssen das Gefühl bekommen, dass sie mit deinem Coaching besser werden. Sie müssen wissen, dass du da bist, um ihnen zu helfen - mit deiner Kenntnis, deiner Führung, deiner Motivation. An erster Stelle kommt die Menschenführung - erst danach kommen Fußballwissen und Taktik“, sagt Alonso über seine Herangehensweise. "Die Hauptaufgabe besteht darin, dass die Spieler dir folgen müssen", betont Alonso auch.
Dass hat er perfektioniert. Alonso vermittelt den Glauben an das eigene Können, an die Chance auf das Triple aus Meisterschaft, DFB-Pokal und Europa League. Für Leverkusen sind das historische, aber auch tatsächlich machbare Möglichkeiten. Das Selbstvertrauen scheint unerschütterlich.
Xabi Alonso: Besondere Bescheidenheit
Alonso strahlt inmitten der immer noch etwas ungläubigen Euphorie im Umfeld eine besondere Bescheidenheit, aber auch Besonnenheit aus. Bayer 2023/2024 lässt nie locker, seine Mannschaft steht wie er unter Strom, ist dabei aber taktisch diszipliniert.
Mit einer wilden, aber auch seriösen und geordneten Herangehensweise. Alonso agiert am Rand wie ein Dirigent seines perfekt organisierten Orchesters, in dem jeder weiß, was er zu tun hat. Und das 90 Minuten lang. "Wenn du nach 80 Minuten abschaltest, bist du tot“, sagt er. Stattdessen lebt der Traum vom Triple. Mit dem er sich wohl endgültig unsterblich machen würde in Leverkusen.
Mit 42.
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Für ihn sei Bayer vor allem eine gute Station, um seine Entwicklung als Trainer zu machen, sagte er: "Es ist meine erste ganze Saison als Trainer und das Gefühl ist unglaublich. Vielleicht ist es alles zu schnell für mich, aber ich akzeptiere und genieße es", sagte Alonso, der seine Karriere als Coach penibel plant. Gladbach sagte er 2021 ab, weil er sich als Trainer erst selbst kennenlernen wollte und fand, dass es nicht der richtige Moment für den nächsten Schritt war.
Im Oktober 2022 war mit Leverkusen dann der richtige Moment gekommen. Für den Klub ist er ein historischer Glücksgriff. Für Alonso ist Bayer der Beweis, dass er nicht nur als Spieler, sondern auch als Trainer Großes vollbringen kann.
Und das ist der große Haken. Ja, Alonso hat im März etwas überraschend verkündet, dass er auch 2024/2025 Trainer in Leverkusen sein wird.
Doch klar ist: Die Ära, die er bei Bayer prägen wird, dürfte kurz ausfallen. Die Karriere, die er penibel plant, sieht weitere Schritte vor.