Bayer Leverkusen lässt die Bayern und den BVB ganz alt aussehen – ein Kommentar
Aktualisiert: 15.04.2024
19:22 Uhr
Andreas Reiners
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Es gab schon länger keinen so verdienten Meister mehr wie Bayer Leverkusen. Die Werkself hat den Bayern und dem BVB vorgemacht, wie man es macht. Ein Kommentar.
Aus Leverkusen berichtet Andreas Reiners
Xabi Alonso haute auf dem Höhepunkt der Party zur Feier des Tages einen raus.
"Wir wollen noch mehr", rief der Spanier unter dem Jubel der noch rund 10.000 Fans, die über eine Stunde nach dem Ende des Spiels gegen Werder Bremen auf dem Platz der BayArena ausgeharrt hatten. Die Mannschaft zeigte sich in einer Loge auf der Südtribüne, feierte den historischen Coup mit den Anhängern.
Und Alonso erinnerte alle daran, dass es ja trotz der historischen Meisterschaft noch weitergeht. Und wie!
"Wir wollen den DFB-Pokal, und wir wollen die Europa League", rief der 42-Jährige. Wieder Jubel. Ekstase. Euphorie.
Und das vollkommen zu Recht. Denn der lange belächelte und seit 1993 auf einen Titel wartende Klub spielt eine Saison für die Geschichtsbücher.
Mit der man zwei andere "Großmächte" ganz alt aussehen lässt.
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"Vielleicht ist es gesund für den deutschen Fußball und die Bundesliga, wenn eine andere Mannschaft die Bundesliga gewinnt", hatte Alonso zuvor erklärt. Und Mittelfeldspieler Robert Andrich konnte sich einen Seitenhieb nicht verkneifen.
Auf den Fakt, dass es Kinder gibt, die nur Bayern als Meister kennen, sagte er: "Falls ihr nur Bayern München gesehen habt, jetzt ist Bayer-Leverkusen-Zeit. Jetzt könnt ihr den deutschen Meister feiern und es gibt endlich mal einen guten deutschen Meister."
Tatsächlich gab es schon länger keinen Meister mehr, der den Titel so verdient hat, wie Leverkusen in dieser Saison. Ob nun mannschaftliche Geschlossenheit, mannschaftliche Qualität, konsequentes Umsetzen der Spielidee, taktische und spielerische Dominanz – Bayer hat es nicht nur den Bayern, sondern auch Borussia Dortmund vorgemacht, wie man einen Titel gewinnt, verdient und ganz nebenbei auch noch eine Ära beendet. Zuletzt hatte es 2012 einen anderen Meister als die Bayern gegeben – die Dortmunder.
Bayern mit sich beschäftigt
Die Bayern waren in dieser Saison allerdings chancenlos, und vor allem mit sich und ihren eigenen oft großen und belastenden Problemen beschäftigt. Alonso lebt Seriosität vor, auf dem Platz und abseits davon. Skandale oder Ausraster sind unter ihm unvorstellbar. Ein "TV-Duell" mit Sky-Experte Lothar Matthäus wie bei Bayern-Coach Thomas Tuchel?
Undenkbar bei dem stets höflichen und zurückhaltenden Spanier.
Nebenkriegsschauplätze gibt es natürlich aufgrund der Bayer-Beschaulichkeit schon grundsätzlich wenige bis keine, es werden aber auch nicht grundlos Fässer aufgemacht, die für Ablenkungen sorgen. Es ist eben jene erwähnte Seriosität, spielerisch und menschlich, die Bayer von den Konkurrenten abhebt, weil sie die Grundlage für den Rest ist.
Alonso hat den Klub in 18 Monaten umgekrempelt und dem Dauer-Bayern-Jäger BVB vorgemacht, wie man die Bayern angreift und dann auch entthront – und sich nicht aus der Ruhe bringen lässt.
Nervenflattern wie zum Beispiel beim BVB in der vergangenen Saison? Unsicherheiten wie in dieser Saison? Oder Rückschläge? Diskussionen?
Nicht in Leverkusen.
Die Faktoren für den Erfolg und das beeindruckende Selbstverständnis bei nunmehr 43 ungeschlagenen Pflichtspielen in Folge, bei 38 Siegen und fünf Remis, sind aber vielfältig.
"Dass wir nie zufrieden waren und immer versucht haben, in den Spielen und im Training noch ein Prozent mehr rauszuholen. Da haben der Trainer und das Trainerteam einen großen Einfluss drauf gehabt, dass sie uns in Momenten, wo alle uns gelobt haben, uns immer gepusht haben. Am Ende führt das zu Erfolg", sagte zum Beispiel Nationalspieler Jonathan Tah.
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Knackpunkte einer Saison
Das führte auch zu Momenten, die die Saison geprägt haben, als Knackpunkte des Erfolgswegs. Weil man den Erfolg am Ende wohl auch einfach mehr wollte, hungriger war, fokussierter und zielstrebiger.
"Es gab auch Momente, wo wir uns als Mannschaft zusammengesetzt haben, wenn ein Training scheiße war. Dann haben wir uns in der Kabine zusammengesetzt, die Türen geschlossen und angesprochen, dass das Training eine absolute Sauerei war", verriet Jonas Hofmann. "Das zeichnet uns diese Saison extrem aus, dass wir extrem selbstkritisch sind. Man kann dem anderen seine Meinung sagen und es wird angenommen." Es hat in dieser Saison einfach alles gepasst. Was die Bayern und den BVB ganz alt aussehen lässt.
Denn wie sagte es Alonso? Leverkusen will noch mehr.