• Darts
  • Tennis
  • Alle Sportarten

Anzeige
Anzeige

Dr. Brych: "Mir hat keiner etwas gesagt"

  • Aktualisiert: 20.10.2013
  • 18:55 Uhr
  • ran.de
Article Image Media
© Imago
Anzeige

Diese 70. Minute geht in die Geschichte ein: Stefan Kießling setzt einen Kopfball nach einer Ecke neben das Tor, doch durch ein Loch im Netz landet der Ball im Gehäuse der Hoffenheimer. Das komplette Schiedsrichter-Gespann übersieht dies und gibt den Treffer! ran.de präsentiert die Stimmen zu dem Phantom-Tor.

Eugen Polanski (auf der 1899-Homepage): Ich sehe wie Kießling köpft, verfolge die Flugbahn des Balles und sehe, dass er klar am Tor vorbei geht. Dann drehe ich mich um, um für den Gegenangriff bereit zu sein. Dann schaue ich zum Schiri und denke: das kann doch nicht sein. Bin verunsichert, weil ich bei den Spielern keine Reaktion sehe. Ich habe den Schiri dann darauf Aufmerksam gemacht, dass das kein Tor war. Es war sehr laut, deshalb musste ich sehr laut sprechen. Er hat sich dann wohl bedrängt gefühlt und hat mir mit der Gelben Karte gedroht. Wenn der Schiri jetzt behauptet, keiner hätte ihn auf die Situation hingewiesen, dann versucht er sich selbst zu schützen.

Stefan Kießling (über facebook): Im Spiel habe ich nach meinem Kopfball und dem Drehen des Kopfes nicht genau gesehen, ob der Ball korrekt ins Tor gegangen ist oder nicht. Irgendwie lag der Ball im Tor. Genau das habe ich auch dem Schiedsrichter gesagt. So zu gewinnen, ist natürlich nicht schön. Fairness ist wichtig für den Sport, bei uns im Verein und für mich ganz persönlich.

Stefan Kießling (nach dem Spiel): Ich habe im ersten Moment gedacht, der Ball geht nicht rein, aber dann zappelte er im Netz. Ich habe dem Schiedsrichter gesagt, dass ich überrascht war, es aber nicht genau gesehen habe. Ich bin eigentlich schon ehrlich, wenn ich etwas sehe. Ich habe es aber nicht gesehen, weil ich mich weggedreht habe. Das ist eine blöde Situation für mich. Ich wurde von den Zuschauern richtig übel beleidigt, obwohl ich persönlich nicht wirklich was dafür kann.Ich habe nicht darüber nachgedacht, wie der Ball ins Tor gelangt ist. Das habe ich auch dem Schiedsrichter gesagt. Jetzt nach dem Spiel fühlt es sich nicht gut an, man wird hier ja richtig beleidigt. Das ist eine blöde Situation. Aber: Ich habe es nicht gesehen - deshalb war ich so überrascht.

Dr. Felix Brych (Schiedsrichter): Es war eine schwierige Situation, ich hatte kleine Zweifel, aber die Reaktionen der Spieler waren eindeutig. Es gab kein Anzeichen, dass es ein irreguläres Tor sein könnte. Deshalb habe ich Tor gegeben. Ich habe mich mit Stefan Kießling ausgetauscht. Aber niemand, auch er nicht, hat mir gesagt, dass es kein Tor war. Der Ball lag im Netz, für alle auf dem Platz war es ein regulärer Treffer. Jetzt weiß ich auch, dass es nicht so war. Es ist keine tolle Situation für, dass ich ein Tor gegeben habe, das keines war. Bis zum Anstoß hätte ich die Entscheidung noch ändern können.

Rainer Koch (DFB-Vizepräsident für Rechts- und Satzungsfragen): Dass ein solches Phantomtor als ungerecht empfunden wird, können wir alle absolut nachvollziehen. Der reflexartige Ruf nach einer Wiederholung des Spiels ist verständlich, aber wir wissen aus der Vergangenheit auch, wie sehr die FIFA die Tatsachenentscheidung eines Schiedsrichters schützt. Entscheidend ist für uns, welche Möglichkeiten uns die sportrechtlichen Statuten und Vorgaben überhaupt geben, denn letztlich ist die FIFA bei einer solchen Entscheidung maßgeblich.

Massimo Busacca (Leiter FIFA-Schiedsrichterabteilung): Wir haben natürlich die Situation mitbekommen, werden diese auf eine mögliche Anfrage des DFB analysieren und Stellung dazu nehmen.

Thomas Tuchel (Trainer FSV Mainz 05): Aus meiner Sicht war's kein Tor (schmunzelt). Es fühlen sich jetzt alle bestätigt, die die Torlinie überwachen wollen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Argument, dass sowas den Fußball bereichert und wir die Diskussion an den Stammtischen wollen, sowas rechtfertigt. Rund um Hoffenheim und Heidelberg hat darüber niemand lachen können.
Robin Dutt (Trainer Werder Bremen): Die im Eishockey lachen lachen uns doch aus. Ich bin für einen Fernsehbeweis - für alle Entscheidungen rund ums Tor. Es war aber auch keine leichte Situation für den Schiedsrichter, keiner konnte ihm helfen, er darf sich die TV-Bilder ja nicht anschauen. Wir gehen alle von einem Wiederholungsspiel aus, weil wir Helmer noch im Kopf haben. Wenn es kein Wiederholungsspiel gibt, sage ich: 'Herzlichen Glückwunsch meine Herren'. Dann sind die Zeitungen voll.

Markus Gisdol (Trainer 1899 Hoffenheim): Kießling hat nach dem Tor ja gar nicht gejubelt. Ich denke, dieses Spiel werden wir noch mal sehen, da es wiederholt werden. Zum Schluss muss die Fairness siegen. Ich gehe fest davon aus, dass es so kommen wird. Alles andere wäre ein Witz. Das Spiel darf ja nicht gelten. Es gibt ja den Präzedenzfall Helmer. Man kann ja nicht ein Spiel von Bayern München wiederholen - und eins von Hoffenheim nicht. Ich will dem Spieler keinen Vorwurf machen. Stefan ist ein guter Sportsmann. Er hat es quasi über sich ergehen lassen, dass es ein Tor war. Ich bin schon lange für den Videobeweis. Es geht ja nur um Tor oder nicht Tor. Das dauert keine zwei Stunden, sondern zwei oder drei Sekunden. Das Fußballgeschäft ist mittlerweile so groß, da muss man doch für 3,50 Euro das System in das Tor hängen können. Wir sind doch nicht mehr im fünften Jahrhundert.

Alexander Rosen (Leiter Profifußbal 1899 Hoffenheim): Es gibt keine zwei Meinungen über diese Szene. Ich saß auf der Tribüne, man hat an der Reaktion der Leverkusener gesehen, dass er nicht drin war. Die Szene war mehr als skurril. Wir werden definitiv Protest einlegen.

Andreas Beck (Kapitän 1899 Hoffenheim): Ich dachte, irgendwas stimmt mit meinen Augen nicht. Ich gehe davon aus, dass das Spiel wiederholt wird. Ich habe vor dem Wiederanpfiff den Kontakt zum Schiedsrichter gesucht, der hat aber gesagt, dass er keinen Kommentar dazu abgeben will. Er blieb stur, schien aber auch in Gedanken versunken zu sein.

Rudi Völler (Sportdirektor Bayer Leverkusen): Uns ist es natürlich unangenehm, so zu gewinnen. Aber die Hoffenheimer haben hier so viel Geld in ein neues Stadion investiert - vielleicht sollten sie auch mal in gescheite Tor-Netze investieren.

Sami Hyypiä (Trainer Bayer Leverkusen):Ich habe nach dem Spiel gesehen, dass der Ball neben dem Pfosten war. Während des Spiels habe ich gejubelt, weil ich den Ball im Netz gesehen habe. Natürlich ist es ein bisschen unangenehm, so zu gewinnen. Ich kann da nichts dran machen, der Schiedsrichter fällt die Entscheidungen.

Thomas Helmer (Schütze des Phantoms-Tores 1994 bei Sport1): Es geht um Sekunden, und du weißt als Schütze selbst nicht so genau, ob er drin war. Kießling wird auch überlegt haben: Was mach' ich jetzt, was ist passiert. Und diese Sekunden entscheiden darüber, bist du jetzt der liebe Junge oder der böse Bube. Das Spiel muss wiederholt werden, keine Frage.

Markus Merk (früherer Welt-Schiedsrichter und Sky-TV-Experte): Es gibt die Tatsachenentscheidung im Fußball. Die schützt den Fußball und schützt auch oft den Schiedsrichter. Aber ich bin Fußballer mit Leib und Seele, und ich war und bin immer für Gerechtigkeit im Fußball. Nicht nur wegen Phantomtor Helmer, sondern auch wegen dieser Situation. Für mich kann es nur eine Entscheidung geben: Wiederholungsspiel.

Hans-Joachim Osmers (Schiedsrichter beim Phantom-Tor 1994): Für mich hat Kießling ganz klar erkannt, dass der Ball nicht ins Tor gegangen ist. Da wäre Fairplay Kießlings Pflicht und Schuldigkeit gewesen. Er hätte es Schiedsrichter Felix Brych sagen müssen. Brych hätte in dieser Situation die Unterstützung von Kießling und anderen Spielern gebraucht, die auch gesehen haben, dass es kein Tor war. Aber da sieht man, dass die ganzen Fairplay-Kampagnen der Verbände wohl nichts wert sind.


© 2024 Seven.One Entertainment Group