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Real Madrid gewinnt die Champions League

Carlo Ancelotti: Vom Abstellgleis zurück auf den Olymp

  • Aktualisiert: 29.05.2022
  • 20:36 Uhr
  • ran.de/Carolin Blüchel
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© 2022 Getty Images
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Nach seiner Entlassung beim FC Bayern vor fünf Jahren stand Carlo Ancelotti gefühlt schon auf dem Trainer-Abstellgleis. Mit Real Madrid feiert der Italiener jetzt die Wiederauferstehung. Mit seinem Fußball der alten Schule stellt er selbst Pep Guardiola und Jürgen Klopp in den Schatten.

München - Detailverliebt, emotional, mitreißend, innovativ. All das ist Carlo Ancelotti nicht. Er hält keine flammenden Kabinenreden, hat keine einzigartige Spielphilosophie und die berühmte hochgezogene Augenbraue ist wohl die größte emotionale Regung, zu der sich der Italiener am Spielfeldrand hinreißen lässt.

Und trotzdem ist er seit dieser Saison der erfolgreichste Trainer, den der Weltfußball-Zirkus je hervorgebracht hat. Nicht Pep Guardiola, nicht Jürgen Klopp, nicht die gefeierten Konzepttrainer der jüngeren Generation.

"Oldie" Ancelotti gelang als erstem Coach überhaupt das Kunststück, nationale Meistertitel in den fünf europäischen Top-Ligen zu gewinnen. Als erster Trainer holte er zudem viermal den begehrten Henkelpott der Champions League. 

"Carletto, der Große. Keiner wie Ancelotti", titelte die "Gazetta dello Sport". "Carlo, der Kaiser", überschlug sich der "Corriere dello Sport". Mit 62 Jahren ist der Italiener endgültig auf dem Zenit seiner einzigartigen Karriere angelangt. Dabei hatten ihn viele schon aufs Abstellgleis gestellt.

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Karriereknick FC Bayern

Nach seinem Durchbruch beim AC Mailand (2001-2009) mit zwei Champions-League-Titeln, nach erfolgreichen Stationen beim FC Chelsea (2009-2011), Paris St. Germain (2011-2013) und Real Madrid (2013-2015), landete er beim FC Bayern (2016-2017) jäh auf dem Boden der Tatsachen. 

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Zwar reichte es in seiner ersten Saison zur Meisterschaft. Weil viele arrivierte Spieler, darunter Arjen Robben, Mats Hummels und Jerome Boateng mit der "Laissez-Faire"-Taktik des Trainers nicht zurechtkamen, musste Ancelotti aber nach einer 0:3-Pleite in der Königsklasse gegen PSG schon zu Beginn des zweiten Jahres seinen Hut nehmen.

Carletto war der Gegenentwurf zu Guardiola. Mit Eigenverantwortung und taktischen Freiheiten auf dem Platz konnte das Münchner Star-Ensemble seinerzeit nichts anfangen, hatte Ancelottis Vorgänger doch jeden einzelnen Spielzug generalstabsmäßig auf dem Reißbrett entworfen. "Was Ancelotti in einer Woche sagte, sagte Guardiola in drei Stunden", hatte Philipp Lahm einmal verraten.

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Wohlfühlatmosphäre statt eiserne Disziplin

Ancelotti selbst beschrieb seine Art Fußball zu lehren während seiner ersten Amstzeit in Madrid einmal so: "Mein Stil ist es, den Spielern die Möglichkeit zu geben, sich wohlzufühlen." Eiserne Disziplin scheint da nicht ganz so wichtig. Zumindest in München konnte dieser Eindruck entstehen, wenn sich Fitnesscoach Giovanni Mauri in der Kabine mal wieder eine Zigarette angesteckt hatte.

Ancelotti wirkte damals, als hätte er den Anschluss an den modernen Fußball verpasst und ruhe sich lieber auf den Erfolgen der Vergangenheit aus. Die waren schließlich groß: etwa zwei Champions-League-Titel mit dem AC Mailand oder der prestigeträchtige zehnte Triumph in der Königsklasse mit Real Madrid. Hinzu kamen nationale Meistertitel mit Milan, PSG, Chelsea und eben Bayern.

Seine gut anderthalbjährige Amtszeit in München hatte Folgen. Ancelotti backte ab sofort kleinere Brötchen, heuerte beim SSC Neapel und danach beim FC Everton an - mit mäßigem Erfolg. Doch dann machte Zinedine Zidane Schluss bei Real Madrid - und Ancelotti leckte Blut.

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Ancelotti bot sich selbst bei Real Madrid an

Wie die "Gazetta dello Sport" kürzlich enthüllte, war es der Trainer-Fuchs, der proaktiv bei Generaldirektor Jose Angel Sanchez anklopfte. Unter dem Vorwand, Spieler für den FC Everton rekrutieren zu wollen, rief er bei seinem alten Freund an und fragte ganz nebenbei, ob die Zidane-Nachfolge schon entschieden sei.

Als Sanchez verneinte, soll sich Ancelotti selbst als Kandidat ins Spiel gebracht haben. Ganz spontan, versteht sich. Das Comeback war perfekt.

Kroos-Lob für Ancelotti

Die Rückkehr des Trainer-Veteranen ließ allerdings auch Zweifel aufkommen. Würde der antiquierte Ancelotti eine alternde Mannschaft auf Kurs bringen können? Er konnte. Zwar waren Real-Spiele der abgelaufenen Saison nicht immer ein Augenschmaus, doch die Ergebnisse stimmten.

Unter anderem weil die Konkurrenz schwächelte. Aber auch, weil es Ancelotti immer wieder gelang, eine Wohlfühlatmosphäre im gesamten Kader zu kreieren. "Man kann sagen, dass es Carlo wie kein Zweiter versteht, eine Gruppe zu managen und hinter sich zu bringen. Es wird hier kein Spieler sagen, mit dem Carlo kann er überhaupt nicht", sprach Toni Kroos nach dem Finalsieg gegen Liverpool in den höchsten Tönen über seinen Trainer.

Taktisch habe er auch eine Idee und wisse, was bei Real Madrid nötig ist. "Aber manchmal sind Freiheiten auf dem Platz genauso wichtig wie alles im kleinsten Detail zu planen", so Kroos weiter.

Ancelottis Ruhe tut den Spielern gut

Hinzukommt, dass Ancelotti mit allen Wassern gewaschen ist. Liegt seine Mannschaft zurück, bewahrt er Ruhe, weil er weiß, was im Fußball alles passieren kann.

So wie beispielsweise im Champions-League-Finale 2005, als sein AC Mailand gegen Liverpool zur Halbzeit schon mit 3:0 in Führung lag, nur um am Ende im Elfmeterschießen noch zu verlieren.

"Ich glaube, ihn kann nichts mehr überraschen. Diese Ruhe strahlt er aus und das tut auch uns Spielern gut", sagte David Alaba jüngst bei "Sport1". In diesem Licht erstrahlen wohl auch die Comebacks in der K. o.-Runde der diesjährigen Champions League gegen PSG, Chelsea oder Manchester City. In jeder Runde stand Real quasi vor dem Aus, ehe das Ruder noch herumgerissen wurde. 

Auch im Finale gegen Liverpool war Real nicht unbedingt die bessere Mannschaft, ließ sich über weite Strecken von den "Reds" dominieren. Mit Geduld, Ruhe und individueller Klasse reichte es trotzdem zum Happy End.

Vielleicht auch, weil Ancelotti Lehren aus Fehlern der Vergangenheit gezogen hat. Den rauchenden Fitnesscoach früherer Tage hat er längst in Rente geschickt. In Madrid sorgt stattdessen Antonio Pintus für die Physis der Spieler. Ein detailversessener Arbeiter - und offenbar die perfekte Ergänzung zum Pragmatiker der alten Schule.

Carolin Blüchel

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