Vor Halbfinale Frankreich - Marokko
WM 2022 - Rashid Azzouzi vor WM-Halbfinale gegen Frankreich: Was Marokko so stark macht
- Aktualisiert: 14.12.2022
- 19:35 Uhr
- ran.de / Tobias Wiltschek
Der Erfolg der Marokkaner bei dieser WM hat für Rachid Azzouzi nicht nur sportlichen Wert. Was die Deutschen angeht, findet Fürths Geschäftsführer Sport bei ran vor dem Halbfinale gegen Frankreich klare Worte.
München - Folgt am Abend das nächste Kapitel des marokkanischen Märchens bei dieser WM?
Nach den Siegen über Spanien und Portugal bekommen es die "Löwen vom Atlas" im Halbfinale mit dem bislang wohl stärksten Gegner zu tun.
Kein Geringer als Weltmeister und Titelverteidiger Frankreich (Mi. ab 20 Uhr im Liveticker) wartet auf das Team von Trainer Walid Regragui.
Doch wer in den bisherigen K.o.-Spielen zwei hocheingeschätzte europäische Mannschaften ausgeschaltet hat, muss sich vor der dritten auch nicht fürchten.
So schätzt jedenfalls Rachid Azzouzi, Sportchef der Spvgg Greuther Fürth, im Gespräch mit ran die Chancen des Außenseiters ein.
Azzouzi: Marokkos Prunkstück ist die Defensive
"Sie müssen natürlich versuchen, den überragenden Kylian Mbappe zu stoppen. Auf der anderen Seite hatten auch die Franzosen ihre Probleme gegen England", sagt der ehemalige marokkanische Nationalspieler, der 1994 und 1998 an der WM teilgenommen hat.
Er sei gespannt, wie die Franzosen versuchen werden, den marokkanischen Abwehrriegel zu knacken. Denn, so erinnert Azzouzi:
"Wir haben bislang kein Tor von den gegnerischen Mannschaften kassiert. Das einzige Gegentor war ein Eigentor. Bono hat zwar ein paar Bälle halten müssen, aber insgesamt hatten die Gegner nicht so viele Torchancen."
Das könnte auch gegen Frankreich so bleiben, glaubt der 51-Jährige, der als Kind mit seiner Familie nach Deutschland zog und später 64 Bundesliga-Spiele für den MSV Duisburg bestritt. "Wenn wir so aufopferungsvoll kämpfen wie bisher, haben wir auch gegen den Titelverteidiger eine Chance", sagt Azzouzi.
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Frings: Marokkaner geben ihr Leben für den Erfolg
Die Einstellung hat auch der deutsche Ex-Nationalspieler Torsten Frings als die große Stärke der Marokkaner ausgemacht. "Da stehen elf Spieler auf dem Platz, die fast schon ihr Leben dafür geben würden, um erfolgreich zu sein", sagte der 46-Jährige in der "ran WM Webshow".
Damit haben sie nicht nur ein ganzes Land stolz gemacht, sondern einen ganzen Kontinent und dazu die arabischen Staaten Asiens.
"Wir gehören zum afrikanischen Kontinent, vom Ursprung aber sind wir Araber. Deshalb ist es auch so, dass alle hinter uns stehen und sich für uns freuen", sagt Azzouzi.
"Durch Marokko steigt bei allen das Selbstwertgefühl. Das Team hat ihnen gezeigt, dass auch afrikanische und arabische Mannschaften bei einer WM eine Chance haben können."
Duell mit Frankreich hat nicht nur sportlichen Reiz
Das gestiegene Selbstbewusstsein bezieht er aber nicht nur auf die WM: "Wir haben jetzt die Möglichkeit zu zeigen, dass wir uns entwickelt haben."
Dass es nun zum Duell mit Frankreich kommt, hat demnach auch für Azzouzi nicht nur einen sportlichen Reiz.
"Frankreich war eine Kolonialmacht. Wir haben jetzt zwar ein freundschaftliches Verhältnis zueinander. Aber sie waren unsere Besatzer", gibt der heutige Geschäftsführer Sport bei Greuther Fürth zu bedenken.
Erneute Unruhen in Großstädten möglich
Auch deshalb könnte es, so seine Befürchtung, auch an diesem Abend wieder zu Unruhen in den französischen Großstädten kommen.
"Ich hoffe natürlich nicht, aber ich befürchte es ein wenig. In den Vororten und Satellitenstädten von Paris und Marseille wohnen viele Araber - nicht nur Marokkaner, sondern auch Algerier und Tunesier", erklärt er.
"Die meisten werden friedlich sein. Aber es könnte schon zu einzelnen Ausschreitungen kommen. Im Endeffekt muss der Fußball im Mittelpunkt stehen."
So wie in Deutschland, wo auch viele Marokkaner den Siegeszug ihrer Helden bejubelten. Bislang ausschließlich friedlich, wie Azzouzi betont: "Ob in Düsseldorf oder Frankfurt, überall haben sie gefeiert. Selbst die Polizisten haben mitgefeiert."
Azzouzi: "Bei den Deutschen ist alles so negativ"
Dass die Deutschen dagegen bei diesem Turnier nicht viel zu feiern hatten, hat laut Azzouzi einen einfachen Grund. "Wir haben uns mehr auf die WM gefreut als Deutschland. Bei den Deutschen ist dagegen schon seit der WM in Russland alles so negativ", findet er.
Das habe speziell vor dem Turnier in Katar aber auch gesellschaftspolitische Gründe, so Azzouzi, der noch einen Vergleich mit dem Team aus seiner Heimat zieht. "Den Marokkanern war es wichtig, sich auf den Fußball zu konzentrieren und als Mannschaft zusammenzuwachsen. Dieses Gefühl hatte ich bei den Deutschen nicht. Für sie standen andere Sachen im Vordergrund."
Gemeint ist die Werte-Debatte, die die Mannschaft mit nach Katar nahm und sich damit offensichtlich nicht sehr wohl fühlte.
"Dass man für Werte wie die Rechte von Homosexuellen, Frauen und Gastarbeiten einsteht, ist ja völlig in Ordnung. Diese Werte vertrete ich auch", sagt der 37-malige Nationalspieler dazu:
"Aber erstens sind solche Dinge Sache von Politikern und zweitens ist es auch wichtig, auf welche Weise man sich dafür einsetzt. Das war mir zu viel von oben herab."
Was solche Themen betreffe, so Azzouzi, solle man "immer erst einmal bei sich selbst anfangen".