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WM-Debakel für Deutschland

WM 2022: Hansi Flick muss sich neu erfinden, sonst ... - ein Kommentar

  • Aktualisiert: 02.12.2022
  • 15:05 Uhr
  • ran
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© IMAGO/Xinhua
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Der DFB darf nach dem erneuten WM-Debakel nicht den gleichen Fehler wie 2018 machen und möglichst schnell zur Tagesordnung übergehen. Alles muss jetzt hinterfragt werden, auch der Bundestrainer. Ein Kommentar.

Von Martin Volkmar

München - Als der deutsche Fußball letztmals ähnlich tief gesunken war wie jetzt, waren sich alle Experten einig: Der Bundestrainer ist der Richtige, um die Nationalmannschaft auf das große Heim-Turnier in zwei Jahren vorzubereiten - auch weil es keine Alternativen gibt.

Dann trat Rudi Völler zurück. Weil er, ungeachtet aller Rückendeckung der DFB-Spitze und sogar der Boulevardmedien, das zweite EM-Vorrundenaus in Folge als zu große Hypothek sah, um die DFB-Auswahl zur WM 2006 zu führen.

Was folgte, ist bekannt: Aus dem anfänglichen Chaos entstand unter Jürgen Klinsmann, Jogi Löw und Oliver Bierhoff ein produktiver Neustart mit dem Sommermärchen zwei Jahre später als Anfang und dem WM-Triumph 2014 als Krönung.

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Wieder wird der Bundestrainer als alternativlos verkauft

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Nicht nur Dietmar Hamann und Michael Ballack, die beide bei der EM-Pleite 2004 in der Nationalelf tragende Rollen einnahmen, sehen das anders. "Ich halte es für ausgeschlossen, dass wir mit dem Trainer weitermachen können", sagte Hamann und forderte Hansi Flick mit Verweis auf andere gescheiterte Nationalcoaches ebenfalls zum Rücktritt auf.

Ganz so weit wollte Ballack zwar nicht gehen. Er verlangte aber vehement, "dass jede Position hinterfragt wird. Da gehört auch der Trainer dazu. Alle". Man dürfe nicht den gleichen Fehler wie nach dem WM-Debakel 2018 machen, als die DFB-Führung zwar von der sportlichen Leitung wie jetzt auch eine Analyse erbat, Jogi Löw am Ende aber weitermachen durfte wie zuvor. Das enttäuschende Ende ist bekannt.

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Ballacks Forderung ist zu 100 Prozent richtig

Es gibt einige gute Gründe für das von Hamann verlangte Aus von Löws Nachfolger Flick, auch wenn man seine Schlussfolgerung nicht vollständig teilen muss. Die Forderung von Ballack aber ist zu 100 Prozent richtig: Nach einer der schwärzesten Stunde in der Geschichte des größten Fachverbands der Welt ist eine schonungslose und konsequente Aufarbeitung zwingend. Ein Weiter so kann und darf es nicht geben.

Doch genau diesen Eindruck vermitteln die bei der WM auf ganzer Linie gescheiterten Flick und Bierhoff. Kein Grund für einen Rücktritt, laufender Vertrag, Vorfreude auf die Heim-EM in zwei Jahren, weiter geht's. Wirklich? Nein!

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Flick und Bierhoff mitverantwortlich für Defizite

Es gibt ganz offensichtlich grundlegende Defizite in der Nationalmannschaft und im deutschen Fußball allgemein. Für beides sind Flick und Bierhoff mitverantwortlich. Bierhoff ist seit mehr als 18 Jahren in leitender Funktion beim Verband tätig. Doch auch Flick hatte von Mitte 2006 bis Anfang 2017 über zehn Jahre als Löw-Assistent und später sogar als DFB-Sportdirektor ein großes Mitspracherecht bei alle wesentlichen Weichenstellungen.

Dass beide in diesem Kontext nach dem WM-Aus nun die fehlenden Mittelstürmer und Außenverteidiger, das offensichtlich mangelnde Siegergen, den Verlust der Straßenkicker oder die großen Mängel im Nachwuchs allgemein beklagen, wirkt daher alles andere als überzeugend.

Zudem hat sich der Bundestrainer durch seine Entscheidungen auf und neben dem Platz massiv angreifbar gemacht. Etwa mit der teilweise fragwürdigen Nominierung, den nicht nachvollziehbaren Personalentscheidungen wie dem Festhalten am formschwachen Thomas Müller und dem Verzicht auf Niclas Füllkrug in der Startelf, seinen misslungenen Wechseln oder seinem allem Anschein nach zumindest bei diesem Turnier deutlich zu ausgeprägten Harmoniesinn.

DFB-Camp: Wohlfühloase in der Wüste

Am Ende bleibt daher der Eindruck, dass das Nationalmannschafts-Camp in der katarischen Wüste zu sehr Wohlfühl-Oase war, in der die Spieler bis zuletzt den Ernst der Lage und die Bedeutung des WM-Abschneidens für die Zukunft ihrer Sportart hierzulande nicht erkannten.

Daher muss Flick nun völlig zu Recht die lautstarke Kritik selbst seriöser Medien aushalten - und es im besten Fall ab sofort anders machen. Denn die Hypothek ist riesig und der Druck enorm, jetzt in nur eineinhalb Jahren ohne jegliches Pflichtspiel einen erfolgreichen Turnaround bis zur Euro 2024 hinzulegen. Frag nach bei Rudi Völler.

Flick muss nicht zwangsläufig zurücktreten, aber…

Deshalb muss Flick nicht zwangsläufig als Bundestrainer zurücktreten. Schließlich hat er sein Können auf höchstem Niveau spätestens als Erfolgscoach beim FC Bayern bewiesen und echte Alternativen a la Jürgen Klopp drängen sich derzeit auch nicht auf.

Aber Flick hat seit seiner Amtsübernahme von Löw nach der EM 2021 gemäß seinem Naturell den reibungslosen Übergang moderiert statt einen echten Neuanfang zu versuchen. Frische Ideen und radikale Ansätzen wie einst unter Klinsmann sucht man bisher vergeblich - sie sind aber dringender denn je gefordert, wenn man nicht sehenden Auges ins nächste Desaster bei einem großen Turnier laufen will.

Und genau deshalb muss jetzt eine ernsthafte und rücksichtlose Aufarbeitung des schleichenden Niedergangs im deutschen Fußball erfolgen. Das gilt vor allem für Bierhoffs Rolle.

Aber auch Flick muss sich neu erfinden, dann kann er weiter der richtige Mann sein. Sonst nicht.


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