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Von den Seahawks gedraftet

Aus dem Bürgerkrieg in die NFL: Die unfassbare Geschichte des Amara Darboh

  • Aktualisiert: 05.05.2017
  • 19:12 Uhr
  • ran.de / Marcus Giebel
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© 2016 Getty Images, Wikipedia

Amara Darboh hat die Verantwortlichen der Seattle Seahawks überzeugt - nicht nur wegen seiner Football-Fähigkeiten. Denn das Leben des Wide Receivers beginnt mitten im Krieg und verlangt ihm alles ab.

Seattle/München - Der Ball geriet eigentlich ein Stück zu weit. Doch Amara Darboh gab nicht so schnell auf. Er machte sich ganz lang, drehte sich in der Luft und bekam das Ei mit der linken Hand noch zu packen.

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"Alle sind total ausgerastet. Wenn das kein Top-10-Catch war…", feierte sein Teamkollege Delano Hill die fast unfassbare Aktion beim 31:0 der University of Michigan gegen die Brigham Young University im September 2015.

Sofort wurden Vergleiche mit dem "Catch of the Year" von Odell Beckham Jr. im NFL-Spiel der Giants gegen die Cowboys zehn Monate zuvor bemüht.

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Darbohs unbändiger Wille

Die beschriebene Szene verdeutlicht den unbedingten Willen, der Darboh auszeichnet. Auch diese Eigenschaft dürfte dem 23-Jährigen den Weg in die NFL geebnet haben.

Doch nach dem Draft, bei dem die Seattle Seahawks den Wide Receiver in der dritten Runde als insgesamt 106. Spieler pickten, schaute Pete Carroll viele Jahre zurück. "Er hat schon viel mitgemacht. Dass er nach allem so ein feiner Kerl ist, verrät eine Menge über ihn. Solche Geschichten lieben wir doch", sagte der Head Coach der "Hawks" über Darboh.

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Eltern sterben im Bürgerkrieg

Dessen Geschichte beginnt in den 90ern in Sierra Leone. Über mehr als zehn Jahre hinweg wird die westafrikanische Republik vom Bürgerkrieg bestimmt. Mehr als 50.000 Menschen verlieren ihr Leben, darunter auch Darbohs Eltern.

Gemeinsam mit seinen 13 Geschwistern und anderen Verwandten flüchtet er von der Hauptstadt Freetown aus über die Grenze. Zunächst wird Gambia zur neuen Heimat, wenig später dann der Senegal. "Wir sind viel umhergezogen. Ich kann mich an viele Ortswechsel erinnern", sagt Darboh heute über seine extreme Kindheit.

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Mit sieben Jahren in die USA immegriert

Im Alter von sieben Jahren kommt er 2001 in die USA. Eine christliche Vereinigung nimmt die Familie in Des Moines im Bundesstaat Iowa auf. Darboh und seine Brüder lenken sich vor allem mit Fußball ab - wie sie es schon auf ihrem Heimatkontinent taten.

Zunächst nimmt ihn eine seiner älteren Schwestern in Obhut, dann wird er von der Familie seines besten Kumpels Max adoptiert. Dessen Vater trainiert Jugendteams und erkennt schnell das Talent des neuen Familienmitglieds, das er als "Überlebenskünstler" rühmt.

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Zufall bringt Darboh zum Football

Zum American Football kommt Darboh, der auch als Basketballer überzeugt, dann doch eher zufällig. "Um ehrlich zu sein, habe ich das nur mal ausprobiert, weil Max und ein paar andere Jungs, mit denen wir abhingen, mitgespielt haben", verrät er.

Der Start gelingt. Im ersten Spiel fängt Darboh drei Touchdown-Pässe. Doch erst mit dem Wechsel auf die University of Michigan konzentriert er sich voll auf die Jagd nach dem Ei.

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Jim Harbaugh als College-Coach

Dort formt ihn schließlich Jim Harbaugh, der beim Super Bowl XLVII mit den 49ers seinem Bruder John und den Ravens unterlag, zu einem kompletten Spieler. "Er hat uns wie Profis behandelt - das hat mich auf das nächste Level vorbereitet. Jeder sollte in Defense, Offense und Special Team mitmischen können", lobt Darboh seinen College-Coach.

Der Sport ist das eine. Doch so richtig angekommen fühlt er sich noch nicht. Denn Darboh will mehr sein als der afrikanische Flüchtling. Allein das Erlernen der Sprache kostet ihn viele Nerven: "Ich musste die Wörter immer und immer wiederholen, damit meine Lehrer sie verstanden haben."

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Erfolgreicher Einbürgerungstest

Wenige Tage vor seinem OBJ-Gedächtnis-Catch legt er erfolgreich seinen Einbürgerungstest ab und darf sich seither US-Bürger nennen. Für Darboh ist das ein Meilenstein: "Ich lebe seit meinem siebten Lebensjahr in den USA, bin hier aufgewachsen. Also habe ich mich schon vorher als Amerikaner gefühlt - ohne meine Wurzeln zu vergessen. Mit diesem finalen Schritt fühlt es sich offiziell an."

An die Flucht vor dem Krieg erinnert vor allem sein Rücken. Genauer gesagt: das Tattoo auf selbigem. Es umfasst neben einem Schriftzug seines Spitznamens "Freetown's Finest" zwei große Engelsflügel. Einer steht für die Schwester, die sich in den USA um ihn kümmerte. Der andere ist ein Andenken an seine Tante, die noch in Afrika die Eltern ersetzte, jedoch nicht mit über den Atlantik floh.

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Darboh auf Gottes Weg

Die beiden wichtigsten Frauen seiner ersten Lebensjahre sind also immer bei ihm. Und nicht nur sie. "Ich denke, Gott schützt mich. Und ich habe einige tolle Menschen um mich, die mir sehr geholfen haben. Das ist alles Teil von Gottes Plan. Ich werde dem Weg folgen, den für mich vorbestimmt hat", zeigt sich Darboh von der gläubigen Seite.

Ob mit oder ohne Gottes Hilfe: In seinem letzten Uni-Jahr wird er dank seiner 57 Catches für 862 Yards Raumgewinn und sieben Touchdowns ins Second Team aller College-Teams gewählt.

Und auch an seiner vermeintlichen Schwäche feilt Darboh erfolgreich. "Ich habe gezeigt, dass ich schnell sein kann", freut sich der 1,88 Meter große 101-Kilo-Koloss über seine Zeit von 4,45 Sekunden im 40-Yards-Dash beim Combine.

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Seahawks-GM schaut heimlich auf Darboh

Auch "ESPN"-Experte Todd McShay lobt seinen Trainingsfleiß: "Schau dir seine Körperkontrolle an und seine Fähigkeit, direkt an der Seitenlinie entlang zu laufen. Er hat pausenlos an sich gearbeitet und sich toll entwickelt." Für Seahawks-GM John Schneider ist Darboh "einer dieser Jungs, auf die wir heimlich geschaut haben. So jemanden musst du nicht so oft beobachten."

An der University of Michigan scheinen sich die "Hawks" jedoch häufiger umgeschaut zu haben. Denn auch Safety Hill, den Darbohs eingangs beschriebener Catch so sehr verzückte, wurde vom NFL-Champion der Saison 2013 gedraftet.

Darbohs Reaktion auf seinen besonderen Catch

Darboh selbst dürfte seinen vielleicht größten Tag im College-Football wohl eher aus einem anderen Grund in Erinnerung behalten haben. Seinen famosen Catch kommentierte er nach dem Spiel recht nüchtern: "Natürlich war ich schon aufgeregt, aber vor allem wollte ich schnell zurück in die Formation und den Drive fortsetzen."

Im weiteren Verlauf des besagten Spiels gelang ihm schließlich noch ein Touchdown. Und die Fans skandierten lautstark "USA". Nur wenige Tage nach seiner Einbürgerung, die ihm so viel bedeutet.

Marcus Giebel

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