NFL Draft 2017
Chicago Bears: Warum Mitchell Trubisky?
- Aktualisiert: 22.02.2018
- 15:07 Uhr
- ran.de / Christian Leukel
Die Chicago Bears sichern sich durch einen Mega-Trade die Dienste von Mitchell Trubisky. Doch was sieht die Franchise in dem noch unerfahrenen Quarterback?
München/Chicago - ranNFL-Experte Patrick Esume entfährt nur ein schrilles "WAAAAAS?". Die Fans auf den Draft-Partys und in den Bars schlagen die Hände ins Gesicht, starren entgeistert auf die Bildschirme.
Und gleichzeitig zum "WAAAAS?" kommt das "Warum?". Immer wieder.
Es ist DIE Überraschung des diesjährigen Drafts. Die Chicago Bears traden eine Position nach oben, geben dafür ihren Erstrunden-Pick plus drei zusätzliche Picks mit dem 67., 111., und Drittrundenpick 2018 ab. Alles nur, um sich Mitchell Trubisky zu sichern.
Und schon wieder stellt sich die Frage: Warum? Warum gibt eine Franchise so viel auf, um einen jungen unerfahrenen Quarterback zu draften, der womöglich ohnehin einen Pick später noch verfügbar gewesen wäre?
Der gewünschte Franchise-Star?
Als die schwächste Quarterback-Class seit langem wurden die diesjährigen Passgeber bezeichnet. Zu wenig Erfahrung, zu wenig Talent, alles keine Spieler, die einen Top-10-Pick wert wären.
Bereits im Vorfeld betont ein AFC-Manager gegenüber "CBS": "Es gibt drei Quarterbacks im nächsten Jahr, die über all diesen Quarterbacks stehen."
Doch neben den Bears traden sich auch die Kansas City Chiefs und die Houston Texans unter die ersten 15, um einen Passgeber auszuwählen. Sind die Quarterbacks des NFL Drafts 2017 etwa doch besser als gedacht? Ist Mitchell Trubisky wirklich der Starting-Quarterback, den die Bears so dringend benötigen? Oder verpokern sich die Bears auf der Suche nach einem Franchise-Passgeber?
Wenig Erfahrung, starke Leistungen
Bei seinen Combine-Leistungen kann Trubisky nicht vollends überzeugen, ist aber immerhin beim 20-Yard-Shuttle und 3-Cone-Drill unter den Top-Performern.
Dass Combine-Leistungen nicht entscheidend für eine erfolgreiche NFL-Karriere sind, dürfte spätestens seit Tom Brady klar sein. Der künftige Hall-of-Famer enttäuschte seinerzeit 1999 vollends.
Zudem zeigt Trubisky im Jahr 2016 starke Leistungen am College. 68 Prozent seiner Pässe bringt er an den Mann und wirft insgesamt 30 Touchdowns bei lediglich sechs Interceptions. Mit seinem präzisen Wurfarm und guter Beinarbeit etabliert er sich in seinem letzten College-Jahr als moderner Starting-Quarterback seines Teams.
Doch eine Frage bleibt: Reicht Trubiskys Erfahrung von lediglich 13 College-Spielen mit acht Siegen und fünf Niederlagen als Starter für die NFL?
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"Habe nichts geahnt"
Dass sich die Bears trotz seiner geringen Erfahrung so früh entscheiden, überrascht selbst Trubisky: "Das habe ich nicht kommen sehen. Aber alles ist möglich, ich bin einfach nur glücklich ein Chicago Bear zu sein."
Während sich der Quarterback feiern lässt, halten einige Experten mit ihrem Unverständnis und ihrer Kritik nicht zurück. So äußert sich Ex NFL-Coach Brian Billick in der "Rich Eisen Show": "Du holst dir einen Rookie-Quarterback in ein Team, das aller Voraussicht nach nicht sehr gut sein wird. Dafür gibst du drei Picks auf. Wie erklärst du so ein Szenario?"
Auch die Fans reagieren skeptisch. Auf diversen Internet-Plattformen kursieren zeitweise sogar Video-Compilations von frustrierten Anhängern nach dem Pick. NFL-Experte Steven Smith bringt bei "ESPN" die Sorgen der Fans auf den Punkt: "Du gibst das alles auf. Für Mitchell Trubisky? Für einen Typen, von dem ich bis zum Ende der vergangenen Saison noch nie etwas gehört hatte?"
Großer Fehler der Bears?
Haben die Bears etwa einen entscheidenden Fehler im Draft gemacht, der sie womöglich die kommende Saison kostet? Immerhin entscheiden sich die Verantwortlichen für einen unerfahrenen Quarterback und kümmern sich um die wichtigen Baustellen wie die Defensive Line oder die Secondary erst in den späteren Runden.
Trubisky anstatt Solomon Thomas oder Jamal Adams? Gerade die Draft-Geschichte der Bears dürfte Wasser auf die Mühlen der Kritiker sein. Cedric Benson, David Terrell und Cade McNown sind nur einige First-Round-Picks, die die Bears verschwendeten.
Von Cutler geprägt
Umso größer lastet in diesem Jahr der Druck auf den Verantwortlichen. Nach Jay Cutler soll und muss ein weiteres Quarterback-Fiasko vermieden werden. Cutler, der nie zu dem gewünschten Franchise-Passgeber reifte, warf von 2009 bis 2016 die sechstmeisten Interceptions (109) und lediglich 154 Touchdowns in der NFL.
Dennoch statteten ihn die Bears 2014 mit einem Vertrag über 126 Millionen Dollar aus, um ihn dann im März 2017 zu entlassen. All die Jahre ließen sie zahlreiche Quarterback-Talente vorbeiziehen. Alles wegen Cutler.
Wie groß wäre nun der Aufschrei, wenn die Bears wieder ein Passgeber-Talent nicht erkennen und an ein anderes Team verlieren?
Die 49ers-Falle?
Die Angst, im Rennen um Trubisky das Nachsehen zu haben, dürfte Chicago zu dem Trade bewegt haben. 49ers-GM John Lynch lässt vor dem Draft mehrmals durchblicken, dass San Francisco durchaus an einem Quarterback mit Pick zwei interessiert sei und dass es mehrere Interessenten an ihrem zweiten Pick gäbe, die einen Quarterback draften wollen.
Immer in Chicagos Hinterkopf, dass es dabei um Trubisky geht.
Ein Trick, um die Bears zu einem Kamikaze-Trade zu bringen? Der Plan der 49ers geht auf jeden Fall auf.
General Manager Ryan Pace begründet die Entscheidung wie folgt: "Wenn du erfolgreich sein möchtest, darfst du nicht einfach abwarten. Es gibt Zeiten, in denen du aggressiv sein musst. Wenn es die Möglichkeit gibt einen Quarterback von diesem Kaliber zu holen, darf man sie nicht verstreichen lassen."
Pace stellt damit klar: Sie sind von ihm überzeugt, die Zukunft der Chicago Bears heißt Mitchell Trubisky.
Schutz für Trubisky fehlt
Aber wie viele Klubs haben das nicht vor den Bears schon gedacht? Die Houston Texans 2002, als sie David Carr an Nummer 1 verpflichteten. Die Die San Francisco 49ers 2005, als sie Alex Smith an 1 drafteten. Die St. Louis Rams 2010 bei Sam Bradford.
Am Ende blieb die Zukunft auf der Strecke oder konnte im Fall wie Alex Smith erst spät die Erwartungen erfüllen. Auch weil die Unterstützung, der Schutz durch die Offensive Line für den Quartrerback fehlte.
Hier dürfte die Verletzungen der Vorsaison den Bears-Fans Sorgenfalten in die Stirn treiben - und Trubisky. Center Hroniss Grasu verpasste die komplette Saison aufgrund eines Kreuzbandrisses, auch Kyle Long fehlte wegen diverser Blessuren, ließ sich unlängst erst operieren. Auch die Nachverpflichtung Josh Sitton war immer wieder angeschlagen.
Lernen hinter Glennon
Bisher bleiben aber Verpflichtungen in der Free Agency und über den Draft auf dieser so wichtigen Position aus. Mit Jordan Morgan stößt nur ein Fünft-Runden-Pick zu Chicagos O-Line. Pace tradet sogar den Zweitrundenpick nach hinten, obwohl der hochgelobte Western-Kentucky-Guard Forrest Lamp noch auf dem Markt ist.
Immerhin: Die Bears werfen Trubisky nicht direkt ins kalte NFL-Wasser. Wie die Bears-Verantwortlichen betonen, soll der Rookie erst von einem erfahrenen Spieler lernen. Die Franchise stattete erst kürzlich Mike Glennon mit einem Dreijahresvertrag über 45 Millionen Dollar aus.
Stellt sich nur die Frage: Inwiefern kann Trubisky von Glennon lernen, der in den vergangenen zwei Jahren seiner Karriere als Backup bei den Buccaneers agierte und nur zweimal auf dem Platz stand?
Viel Aufwand für wenig Leistung?
Die Antwort erhalten die Bears wohl erst in der Saison 2018. Auch, ob Trubisky wirklich die drei zusätzlichen Draft-Picks wert ist. Geht es nach dem Großteil der Bears-Fans, ist die Antwort jetzt schon klar: Nein. Zu groß waren und sind die Baustellen auf anderen Positionen des Kaders.
Die Bears-Verantwortlichen sagen ja. Aber das sagten sie auch, als sie Cutler den 120-Millionen-Vertrag gaben.
Klar ist auch: Die Bears erwartet mit Trubisky eine Wundertüte. Immerhin versprach der Quarterback bereits auf der Draft-Bühne, dass er das Vertrauen in seine Person zurückzahlen möchte: "Ich werde der Stadt alles geben, was ich habe."
Aber ob das allein reicht?
Christian Leukel
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