Die Ex-NFL-Stars im Interview
Markus Kuhn und Sebastian Vollmer exklusiv: "Böhringer wird es in den 53-Mann-Kader schaffen"
- Aktualisiert: 22.02.2018
- 15:11 Uhr
- ran.de / Dominik Hechler
Markus Kuhn und Sebastian Vollmer beendeten vergangene Saison ihre NFL-Karriere, nun kommentieren sie die Preseason-Spiele ihres Ex-Teams auf deutsch. Im Interview mit ran.de sprechen sie über die kommende Saison, ihren Job und die Chancen der deutschen Spieler.
München/New York - Der eine ist der deutsche Touchdown-Held und der andere trägt zwei Super-Bowl-Ringe am Finger: Markus Kuhn und Sebastian Vollmer haben ihre aktiven Karrieren in der NFL beendet und verfolgen das Geschehen nun als Experten und kommentieren aktuell die Preseason-Spiele der New England Patriots in deutscher Sprache für alle NFL-Fans in Deutschland im Internet.
Mit ran.de sprechen sie im exklusiven Doppel-Interview unter anderem über Verletzungen in der Preseason, mögliche Überraschungsteams, ihre Super-Bowl-Kandidaten und die Leistungsfähigkeit der verbliebenen deutschen NFL-Profis.
ran.de: Herr Kuhn, Herr Vollmer, die NFL-Preseason geht jetzt bereits in ihre dritte Woche. Was hat Sie bislang am meisten überrascht?
Sebastian Vollmer: Die Preseason ist immer so eine Sache. Da wird bei allen Teams viel ausprobiert und es werden nicht alle Spielzüge gezeigt, weil zum Teil ja auch noch die Fans beim Training zuschauen dürfen. Und da ist es auch egal, ob du als Mannschaft alle Preseason-Spiele gewinnst oder verlierst – das heißt wirklich gar nichts. Es geht für die Coaches eher darum zu schauen, welcher Spieler könnte uns während der Saison helfen und welcher eben nicht. Diese ganze Phase ist also eher mit Vorsicht zu genießen.
Markus Kuhn: Ich sehe das ähnlich. Die Preseason gibt jungen Spielern zum Beispiel auch die Chance, sich zu zeigen und somit für den endgültigen 53-Mann-Kader zu empfehlen. Sebastian und ich haben ja für die New England Patriots deren bisherige Preseason-Spiele als Kommentatoren für die deutschen Fans verfolgt und bei den Pats waren es zum Beispiel zuletzt die beiden jungen Wide Receiver Austin Carr und Cody Hollister, die nachhaltig auf sich aufmerksam gemacht haben. Wer weiß, vielleicht bekommen sie von Head Coach Bill Bellichick ja tatsächlich eine Chance ...
Vollmer: ... wobei man ehrlicherweise schon sagen muss, dass von den 53 Plätzen im endgültigen Roster in etwa 45 zumeist schon sicher vergeben sind. Es geht am Ende manchmal nur noch um acht vakante Positionen – aber die können dann durchaus auch mal mit Überraschungskandidaten besetzt werden.
ran.de: In der Preseason sind Verletzungen immer wieder ein Thema. Zuletzt wurde Giants-Superstar Odell Beckham jr. von einem Hit hart getroffen und droht nun einige Zeit auszufallen. Ist das auch in der Vorbereitungszeit auf die neue Saison normale Härte oder unnötige Brutalität?
Vollmer: American Football ist ein Kontaktsport. Und da ist immer ein Risiko mit dabei. Egal ob in der Pre- oder Regular Season – man muss immer mit allem rechnen, es passieren manchmal unkontrollierbare Dinge. Aber das gehört bei unserem Sport mit dazu. Ich habe den Hit gegen Beckham selbst nicht gesehen, aber ich habe gehört, dass es nicht so schlimm sein soll. Da haben viele andere Top-Stars in der Vergangenheit in der Preseason deutlich mehr Pech gehabt.
Kuhn: Ich weiß noch ganz genau, dass mein alter Teamkollege Eli Manning nach dem ersten heftigen Hit im ersten Preseason-Spiel immer gesagt hat: ‚So, jetzt habe ich das auch wieder hinter mir'. Was er damit meinte ist, dass sich der Körper auch erst einmal wieder an diese Härte, diese Hits gewöhnen muss. Und dafür sind die Vorbereitungsspiele natürlich die beste Gelegenheit.
Vollmer: Oh ja, ich kann mich auch noch daran erinnern, dass mir zu Beginn der Preseason immer mal was wehgetan hat. Der Kopf, die Leiste, die Hüfte. Du kannst Football einfach nicht ohne Football trainieren. Der Körper muss sich erst einmal wieder darauf einstellen.
ran.de: Aber nimmt man sich nicht in der Preseason lieber ein wenig zurück, um Verletzungen möglichst zu vermeiden? Wie haben Sie das in Ihrer aktiven Zeit erlebt?
Vollmer: Wenn du Football nicht mit einhundert Prozent Einsatz spielst, ist das Verletzungsrisiko noch höher. Denn wenn ich nicht alles auf dem Rasen gebe, rennt mich mein Gegenspieler über den Haufen. Man denkt auf dem Spielfeld auch nicht so sehr darüber nach, was passieren könnte. Es geht eher jedem darum, sich voll reinzuhängen. Denn für viele Spieler geht es in der Phase der Preseason ja auch um die sportliche Zukunft. Sie spielen um neue Verträge und haben immer das Risiko, gecuttet zu werden. Diesen persönlichen Druck darf man auch nie unterschätzen.
Kuhn: Allerdings will man natürlich auch keinen anderen Spieler vorsätzlich verletzen. Das ist ja vollkommen klar. Jeder gibt vollen Einsatz und will auch den maximalen Erfolg – aber eben nicht um jeden Preis.
ran.de: Auf was freuen Sie sich in der kommenden Saison am meisten? Welche Teams können vielleicht für eine Überraschung sorgen?
Vollmer: Alle Teams fangen bei 0:0 an und es ist immer schwer, mögliche Überraschungsteams vorauszusagen. Aber neben den üblichen Verdächtigen wie den Patriots und den anderen acht bis zehn Playoff-Kandidaten, sind für mich in diesem Jahr vor allem die New York Giants eine Franchise mit großem Potenzial. Sie haben sich richtig gut verstärkt und können somit in der neuen Saison eine gute Rolle spielen.
Kuhn: Ich bin froh, dass Sebastian das gesagt hat (lacht). Denn ich glaube auch, dass mein ehemaliges Team eine richtig gute Saison vor sich hat. Vielleicht kommt es ja am Ende sogar zu einem Super-Bowl-Finale zwischen den Giants und den New England Patriots. Aber bis dahin ist es noch ein langer Weg.
ran.de: Und welche Spieler aus der zweiten Reihe können vielleicht überraschen?
Vollmer: Ich denke da unter anderem sofort an meinen Ex-Teamkollegen Danny Amendola. Er wird zwar deutlich weniger eingesetzt als früher, liefert dafür aber immer ab. Das finde ich schon extrem bemerkenswert. Oder aber Cameron Wake von den Miami Dolphins. Der Defensive End ist schon 35 Jahre alt, aber bei dem geht wirklich noch alles. Der hört irgendwie nie auf und bringt auch heute noch überragende Leistungen auf den Rasen.
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Kuhn: Ich freue mich schon auch auf die Superstars wie Tom Brady oder Odell Beckham jr. Denn sie werden uns mit Sicherheit wieder mit unglaublichen Szenen erfreuen. Aber vor allem freue ich mich auf unsere deutschen NFL-Spieler – denn sie können durchaus auch für Überraschungen sorgen. Kasim Edebali könnte aus meiner Sicht nämlich vor der besten Saison seiner bisherigen Karriere stehen. Aber auch all die anderen sollte man immer im Auge behalten.
ran.de: Wenn wir jetzt schon bei den deutschen NFL-Profis sind: Wie schätzen Sie die Leistungsfähigkeit von Kasim Edebali, Moritz Böhringer, Kevin Davis und den Nzeocha-Brüdern Mark und Eric ein?
Kuhn: Kasim empfiehlt sich bei den Denver Broncos gerade als Starter, wird im Pass-Rush seine absolute Stärke haben. Wie gesagt: Es könnte seine beste Saison werden. Mark Nzeocha sehe ich bei den Dallas Cowboys vor allem in den Special Teams, wobei er sich darüber vielleicht auch mit guten Leistungen mehr und mehr ins Team spielen kann.
Sein Bruder Eric ist ja sicher noch ein Jahr lang im Practice Squad der Tampa Bay Buccaneers. Das wird ihm gut tun, denn in dieser Zeit wird er noch viel dazu lernen. Dem jungen Kevin Davis wünsche ich bei den Los Angeles Rams auch nur das Beste und hoffe, dass er es am Ende ins Team schafft. Genauso natürlich wie Moritz Böhringer. Vielleicht schafft er es ja auch, sich über die Special Teams in die Mannschaft zu spielen.
Vollmer: Ich habe mit vielen Coaches über Böhringer gesprochen. Und sie sehen alle sein unglaubliches Potenzial. Er ist groß, schwer, stark und schnell. Das lieben die Amerikaner. Mit seiner unglaublichen Physis ist er vielen seiner Teamkollegen überlegen. Ich gehe fest davon aus, dass er es dieses oder aber spätestens im kommenden Jahr in den endgültigen 53-Mann-Kader schafft.
ran.de: Welche NFL-Teams kämpfen aus Ihrer Sicht kommendes Jahr um den Super Bowl?
Vollmer: Die Patriots haben als amtierender Champion natürlich das Fadenkreuz des Gejagten auf dem Rücken, aber man muss sie einfach wieder zu den Mitfavoriten zählen. Auch, wenn das viele vielleicht langweilig finden und manche glauben, Tom Brady sei jetzt endgültig zu alt. Das glaube ich nicht. Und neben den Pats werden sicherlich Teams wie die Giants, die Seahawks oder aber die Packers ein Wörtchen mitreden. Denn Aaron Rodgers darf man nie unterschätzen."
Kuhn: Also Giants gegen Patriots im Super Bowl fände ich persönlich sehr interessant, weil ich lange in New York und Sebastian ewig in New England gespielt hat. Aber das Coole am Football ist ja, dass in so einer Saison wirklich alles passieren kann.
ran.de: Wie sieht eigentlich aktuell Ihr persönlicher Alltag aus? Gibt es noch Kontakt zu den alten Kollegen und was ist mittelfristig geplant?
Vollmer: Ich gehe schon noch oft raus zum Stadion und treffe mich mit meinen alten Kollegen. Wir hängen dann ein bisschen zusammen rum, gehen Essen und haben einfach Spaß. Wenn man acht Jahre zusammen gespielt hat, schweißt das einfach zusammen.
Meine engsten Freunde bei den Patriots sind sicherlich Nate Solder, weil wir gemeinsam in der O-Line gespielt haben, Tom Brady, weil ich ihn quasi meine ganze Karriere lang beschützt habe, Rob Ninkovich oder aber auch Rob Gronkowski, mit denen ich auch jahrelang für New England auf dem Rasen gestanden habe.
Kuhn: Bei mir geht ab dem 5. September das Studium an der Columbia-Universität in New York los. Ab dann werde ich mal wieder meinen Kopf richtig anstrengen und viel Neues lernen. Ansonsten stehen noch einige weitere Football-Projekte gemeinsam mit Sebastian an. Was das im Einzelnen sein wird, verraten wir, wenn es soweit ist ...
Das Interview führte: Dominik Hechler
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