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NFL: Chicago Bears vor dem nächsten Umbruch - Gefangen in der Endlosschleife?
- Aktualisiert: 11.01.2022
- 22:23 Uhr
- ran / Sebastian Kratzer
Mit der Entlassung von Matt Nagy und Ryan Pace leiten die Chicago Bears den nächsten Umbruch ein. Doch die Klubführung steht einer echten Veränderung womöglich am Ende im Weg - und beleidigt stattdessen eine Klublegende.
München/Chicago - Dass Head Coach Matt Nagy und General Manager Ryan Pace nach der Saison 2021 von den Chicago Bears entlassen wurden, kam für wenige überraschend.
Zu eindimensional präsentierte sich das Team in den vergangenen Wochen und mit nur zwei Playoff-Teilnahmen - beide endeten mit einer Niederlage in der ersten Runde - unter dem Regime Pace war auch für den GM nach sieben Jahren in Chicago Schluss.
Mit den Bears tritt eine der traditionsreichsten Franchises der Liga seit über einem Jahrzehnt auf der Stelle und scheint an frühere Erfolge nicht mehr anknüpfen zu können. In der Schuldfrage rückt dabei bei vielen Fans immer mehr ein Name in den Mittelpunkt.
George McCaskey: Der Fisch stinkt vom Kopf
Als ältester Sohn der Team-Besitzerin Virginia Halas McCaskey hat George McCaskey seit 2011 die Zügel bei den Chicago Bears in der Hand. Auch bei der Suche nach Head Coaches und General Managern hatte er während seiner Amtszeit meist das letzte Wort.
Das Problem: Nur wenige Verantwortliche innerhalb der Franchise haben eine ernstzunehmende Vergangenheit in der NFL und im Football allgemein. Als ausgebildeter Anwalt und langjähriger Aufseher der Ticketverkäufe in Chicago hat McCaskey zwar eine ausgiebige geschäftliche Beziehung zu den Bears, doch die sportliche fehlt an allen Ecken und Enden.
Dass er dabei trotz des ausbleibenden Erfolgs um Konsequenzen fürchten muss, scheint ausgeschlossen zu sein. Da im Aufsichtsrat neben ihm und seiner Mutter vier weitere McCaskeys sitzen, genießt er als Vorsitzender im Prinzip Narrenfreiheit.
Auch die Leute, die ihm direkt unterstehen, haben nur wenig mit der sportlichen Realität innerhalb der NFL zu tun. CEO und Team-Präsident Ted Phillips, der in 23 Jahren in dieser Position nur sechs Mal die Playoffs erreichen konnte und bei den Fans als höchst umstritten gilt, ist einer der ersten Ansprechpartner von McCaskey.
Obwohl Phillips mittlerweile aus fast allen sportlichen Belangen herausgehalten wird, soll nun auch er in der Suche nach einem neuen Coach und General Manager Mitspracherecht besitzen. Doch nicht nur deshalb verspüren viele Fans alles andere als Aufbruchsstimmung.
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"Kein Football-Gutachter, nur Fan"
Mit dem Satz "Ich bin kein Football-Gutachter, sondern nur ein Fan" sorgte McCaskey am Montag auf der Pressekonferenz nach der Entlassungs-Welle für Aufsehen. Er dürfte die kurze Hoffnung auf Änderung bei vielen Anhängern umgehend zerstört haben.
Denn anstatt die sportlichen Geschicke in die richtigen Hände zu legen, wird erneut er über die kurz- und mittelfristige Zukunft in Chicago entscheiden - und das obwohl er nun bereits mehrmals bewiesen hat, dass er in der Tat kein "Football-Gutachter" ist.
Der zukünftige General Manager wird demnach ausschließlich ihm unterstehen. Was auf der einen Seite viel Freiheit für die neue Besetzung bedeuten kann, steht auf der anderen Seite für wenig Transparenz und viel Alleingang.
Wie viel sportliche Relevanz solche fatalen Alleingänge haben können, bewies Ex-GM Pace im Draft 2017. Anstatt mit Patrick Mahomes oder Deshaun Watson einen Franchise-Quarterback für die Zukunft auszuwählen, entschieden sich die Bears auf Anraten von Pace für Mitchell Trubisky, der mittlerweile als Backup-Quarterback bei den Buffalo Bills tätig ist.
Anstatt also einem kompletten Umbruch auf allen Ebenen, wurden die Fans mit dem nächsten Experiment in der Ära 'McCaskey und Phillips' vertröstet. In einem Sport wie Football, bei dem die Verbindung zwischen Fans und Franchise auch die sportliche Realität definiert, sinkt das Schiff der Chicago Bears weiter. Das Tischtuch zu den eigenen Anhängern hängt am seidenen Faden.
Bezug zur Realität verloren
Dass im Management in Chicago seit Jahren einiges im Argen liegt, merkte vor kurzem auch Bears-Legende Olin Kreutz an. Der ehemalige Offensive Lineman stand in 13 Jahren geschlagene 182 Mal für die Bears auf dem Feld und gilt als einer der bekanntesten Spieler in der Franchise-Geschichte.
Dennoch ließ sich McCaskey dazu hinreißen, den ehemaligen Pro Bowler öffentlich als Lügner zu titulieren. Dieser gab nämlich an, dass ihm die Bears im Jahr 2018 einen Assistenten-Job für die Arbeit mit der Offensive Line angeboten haben. Dabei sollen ihm die Verantwortlichen gerade mal ein Gehalt von 15 US-Dollar die Stunde geboten haben.
"Ich würde mir so etwas doch nicht ausdenken. So führen sie dort einfach ihre Geschäfte. Das sind die Dinge, die sich einfach ändern müssen", erklärte Kreutz gegenüber "The Score". So sei er jedoch nicht überrascht, dass sich die Franchise unter dieser Führung so entwickeln würde.
Am Montag folgte dann die Antwort von McCaskey: "Ich habe über die Jahre gelernt, das was Olin Kreutz sagt, mit Vorsicht zu genießen. Er erzählt nie die ganze Geschichte", polterte er weiter. Harry Wienstand, der zu der Zeit O-Line-Coach bei den Bears war, bestätigte hingegen die Version von Kreutz.
Es zeigt letztlich nur, wie sehr die Bears-Verantwortlichen den Bezug zur Realität verloren haben. Eine derartig beliebte Franchise-Legende öffentlich zu anzugehen, zeugt von wenig Selbstreflektion und dürfte die Fans nur umso mehr gegen die Familie McCaskey aufbringen.
Licht am Ende des Tunnels?
Mit der Anstellung von Bill Polian als externer Berater für die Suche nach einem neuen General Manager gab McCaskey den Fans dann doch noch Grund zur Hoffnung auf echte Veränderung. Dieser gilt als echte Scouting-Legende in der Liga und ist bis ins letzte Büro in der Liga vernetzt. Die Frage ist nur: wie sehr hört McCaskey auch auf Polian. Bei der PK wusste er immerhin aus Polians Buch zu zitieren.
Auch die Kandidaten für den Posten des General Managers, die von den Bears zu Vorstellungsgesprächen eingeladen wurden, versprechen mehr Fort- als Rückschritt.
Vor allem Namen wie Kwesi Adofo-Mensah (Cleveland Browns) und Morocco Brown (Indianapolis Colts) würden für eine deutliche Verjüngung und vor allem auch mehr Diversität innerhalb der Franchise stehen. Als Favorit bei den Fans gilt der ehemalige Ravens GM Ozzie Newsome. Da der neue GM auch in der Head-Coach-Suche gefragt sein wird, könnten die Bears hier einen wichtigen Grundstein legen, der den sportlichen Erfolg nach "Windy City" zurückbringt.
Als Wunschkandidat vieler Fans und Experten gilt Jim Harbaugh, der noch als Head Coach an der University of Michigan angestellt ist. Vor kurzem gab dieser, dass er sich eine Rückkehr in die NFL vorstellen kann. Harbaugh war sogar einst als Quarterback für Chicago aktiv, wurde 1987 in der ersten Runde von den Bears gedraftet und kann sich dementsprechend mit der Franchise identifizieren.
Entscheidend wird hierbei sein, wie viel Spielraum die Neuen innerhalb des Klubs von Seiten McCaskeys erhalten. Lassen die Verantwortlichen großflächige Veränderungen und neue Ideen zu, um festgefahrene Machtverhältnisse und Strukturen aufbrechen, winkt den Bears-Fans tatsächlich Licht am Ende des Tunnels.
Bleibt der General Manager nur der verlängerte Arm der Besitzer und der Coach eine beliebig austauschbare Marionette mit wenig Einfluss, droht den Bears ein Verbleib in der Endlosschleife der Mittelmäßigkeit.
Sebastian Kratzer
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