Vollmer-Kolumne zur NFL-Offseason
NFL-Kolumne von Sebastian Vollmer zur Offseason: Diese Zeit geht richtig ins Geld
- Aktualisiert: 20.02.2019
- 11:33 Uhr
- ran.de / Sebastian Vollmer
In seiner Kolumne auf ran.de schreibt der Ex-NFL-Profi und zweimalige Super-Bowl-Champion Sebastian Vollmer über die Offseason in der NFL, wie die Spieler diese Zeit verbringen, was seine eigenen Erfahrungen waren und warum es wichtig ist, sich als NFL-Profi nicht wochenlang auf die faule Haut zu legen.
Hi Football-Fans,
nachdem die NFL-Saison 2018 mit dem Super Bowl zwischen den New England Patriots und den Los Angeles Rams in Atlanta vor gut zwei Wochen zu Ende gegangen ist, haben mich viele Fragen erreicht, wie eigentlich die jetzt beginnende Offseason für einen NFL-Spieler so abläuft. Das möchte ich euch gerne in dieser Kolumne erklären. Allerdings muss dabei unterschieden werden, ob ein Spieler in der Offseason operiert werden und danach eine Reha machen muss oder komplett fit in die anstehende, spielfreie Zeit geht.
Normalerweise ist es meiner Erfahrung nach so, dass ein, zwei Tage nach dem letzten Spiel eines Klubs mindestens 20 bis 30 Spieler des Rosters beim MRT Schlange stehen, um sich bei der Kernspintomographie untersuchen zu lassen. Von dieser Gruppe müssen dann zumeist zehn bis 20 Spieler tatsächlich unters Messer.
Das ist normale Härte in der NFL. Bei diesen Jungs wird dann entschieden, ob sie zu einem Spezialisten für ihre Verletzung fliegen und sich vor Ort operieren lassen oder ob der Eingriff auch in unmittelbarer Nähe des Wohnorts durchgeführt werden kann. Nach der Operation bist du als Spieler dann die gesamte Offseason in der Reha damit beschäftigt, schnellstmöglich wieder fit zu werden. Da ich in fast jeder meiner Offseasons operiert werden musste, weiß ich genau, wovon ich spreche.
Es gibt keine Zeit zu verlieren
Die Spieler fliegen nach dem letzten Saisonspiel auch maximal sieben bis zehn Tage in den Urlaub. Danach geht es in Sachen Training wieder voll zur Sache. Denn egal, ob du nach einer Operation in die Reha musst oder dich "normal" auf die nächste Saison vorbereiten möchtest: Es gibt keine Zeit zu verlieren. Die Reha wird normalerweise auf dem Trainingsgelände der jeweiligen Franchise durchgeführt und intensiv überwacht.
Du bist dann täglich rund acht Stunden damit beschäftigt, nach deiner OP wieder auf die Beine zu kommen. Aufgrund dieser Intensität ist es auch möglich, schon fünf, sechs Monate nach einem Kreuzbandriss wieder auf dem Rasen zu stehen. Ohne solch eine Betreuung wäre das natürlich fast undenkbar.
Hier gibt es auch einen kleinen, aber feinen Unterschied zwischen einem Spieler, der in der Reha ist und einem, der sich quasi selbstständig fit halten und auf die kommende Spielzeit vorbereiten möchte: Seit 2011 gibt es in der NFL die Regelung, dass der Strength Coach eines jeden Teams seinen fitten Spielern keinen Trainingsplan für die Offseason an die Hand geben darf. Das ist nur den verletzten Spielern in der Reha vorbehalten.
Deswegen suchen sich viele Spieler selbstständig ein Trainingszentrum und einen Personal Trainer, bei dem sie dann an sich und ihrem Körper arbeiten. Ich selbst wollte immer dort leben, wo ich auch arbeite. Deswegen habe ich immer in Foxborough bei Brian McDonough trainiert. Das mache ich auch heute noch, wenn ich mal dort in der Nähe bin.
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Vom Flugzeug raus und ins Fitnessstudio
Viele meiner Mitspieler sind dagegen lieber ins Warme nach Arizona, Texas, Florida oder Kalifornien geflogen. Zum einen, weil sie lieber in der Sonne trainieren wollten und zum anderen, weil sie dort vielleicht auch Familie hatten. Meine Familie lebte ja in Deutschland. Da bin ich zwar auch mal für ein paar Tage hin geflogen, hatte zu meiner aktiven Zeit aber selbst bei diesen kurzen Reisen von insgesamt vielleicht vier, fünf Tagen einen eigenen Koffer mit Bändern und Gewichten dabei.
Es ist im Rückblick eigentlich echt ein Wahnsinn, aber ich bin oft in Deutschland aus dem Flugzeug raus und direkt ins Fitnessstudio gefahren. Ich war total besessen und wollte keine Zeit verlieren. Denn letztlich ist es wirklich so, dass eine Saison endet und die neue sofort beginnt.
Wir waren in Foxborough immer eine feste Trainingsgruppe. Zusammen macht die ganze Schinderei ja auch mehr Spaß. Wir haben dann Mitte Februar mit Kraft- und Ausdauertraining begonnen. Allerdings teilt man sich sein Programm gut ein, weil man ja ein knappes halbes Jahr Zeit hat, bis das erste Saisonspiel auf dem Programm steht – und erst dann will man ja in absoluter Top-Form sein. Es ist übrigens so, dass jeder Spieler für seine Personal Trainer, Ernährungsberater, Masseure und was er sich vielleicht sonst noch so leistet, selbst aufkommen muss. In der Offseason werden die Spieler von der NFL ja auch nicht bezahlt.
In dieser Zeit lebt jeder Spieler von seinem eigenen Geld. Ich weiß, dass Odell Beckham Jr. mal gesagt hat, dass er in jeder Offseason zwischen 350.000 bis 400.000 Dollar in seinen Körper steckt. Das erscheint mir persönlich zwar ein bisschen viel, aber das Ganze geht generell schon ganz schön ins Geld.
Football ist ein 365-Tage-Job
Jedoch kann es sich aus meiner Sicht kein NFL-Spieler leisten, sich zwei, drei Monate auf die faule Haut zu legen. So einen Trainingsrückstand holt niemand mehr auf. Es ist einfacher, in Form zu bleiben, als sich wieder in Form zu bringen. Ich habe in der Offseason meistens fünf bis sechs Tage die Woche von 6 Uhr morgens bis 14 Uhr mittags trainiert und geackert. Dabei musste ich auch im Privatleben immer wieder Prioritäten setzen. Ich habe während meiner aktiven Zeit diverse Familienfeiern in der deutschen Heimat verpasst, weil ich lieber in den USA trainieren wollte.
Ich habe dem Sport – egal ob in der Offseason oder der Regular Season – einfach alles untergeordnet. Und ich bin der Meinung, dass das auch nur so geht, wenn man erfolgreich sein will. Denn unter dem Strich arbeiten alle sehr hart an sich – deswegen musste ich eben noch härter arbeiten. Außerdem ist Football ein Job. Und der geht nicht nur ein halbes Jahr, sondern 365 Tage.
Ich hatte irgendwann sogar in meinem eigenen Haus unter anderem einen Kraftraum und ein Hot Tub. Ein Investment in den eigenen Körper und die eigene Zukunft. Denn du wirst jedem Spieler während der Saison ansehen, ob er in der Offseason entsprechend trainiert hat oder eben nicht. Bei den Patriots wurde im Prinzip auch erwartet, dass man als Spieler bereits zu den Voluntary Mini Camps Mitte April erscheint. Das ist eigentlich nur für die Rookies interessant, aber auch die Veteranen sollten möglichst kein Training verpassen.
Natürlich ist all das noch ohne Pads, aber hilft trotzdem dabei, auch in der Offseason im Rhythmus zu bleiben. Wenn du auch noch einen neuen Head Coach oder Positionscoach bekommen solltest, musst du neben der körperlichen Arbeit auch noch dessen neue Termini und Spielzüge lernen. Das ist dann tatsächlich wieder ein wenig wie in der Schule. Alles noch zusätzlich zur täglichen körperlichen Schinderei. Aber es lohnt sich meiner Meinung nach, seine Bänder, Gelenke und Muskelatur auch in der Offseason unter "Stress" zu halten. So muss der Körper zum Saisonstart nicht von 0 auf 100 hochfahren, sondern wird konstant am Laufen gehalten.
Ich hoffe, ich konnte euch einen kleinen Einblick in den Alltag eines NFL-Profis in der Offseason geben. Wir lesen uns hier bestimmt schon bald wieder mit neuen spannenden Themen rund um die NFL.
Bis dahin,
Euer Sebastian
Instagram: @vollmerseb
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