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Seahawks-Safety streikt für neuen Vertrag

Reset oder Rebuild? Earl Thomas und die Grundsatz-Frage bei den Seattle Seahawks

  • Aktualisiert: 11.06.2018
  • 23:26 Uhr
  • ran.de / Marco Kieferl
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Mitten hinein in die Aufbruchsstimmung bei den Seattle Seahawks sorgt der Holdout von Earl Thomas für den nächsten Dämpfer. Die geforderte Vertragsverlängerung des Safetys steht sinnbildlich für ein viel größeres Thema bei den Seahawks: Reset oder Rebuild?

Seattle/München – Pete Carroll ist ein Freund von Veränderung. Jedes Jahr im April lässt er seine Spieler bei den Seahawks im Team Meeting Room aufstehen und sich einen neuen Platz suchen. Frei nach dem Motto: Neue Saison, neue Position, neue Sitznachbarn, neuer Konkurrenzkampf.

Böse Zungen würden behaupten, das wäre 2018 gar nicht nötig gewesen. Zu viele Leistungsträger haben die Seahawks verlassen und damit einhergehend Konkurrenzkampf und Hierarchie verändert.

Der Offense fehlen Tight End Jimmy Graham und Wide Receiver Paul Richardson. Defensiv muss man nicht nur den Abgang von Michael Bennett und die verletztungsbedingte Entlassung von Cliff Avril verkraften, sondern droht auch endgültig das zu verlieren, was die Franchise über Jahre hinaus ausgezeichnet hat: die Legion of Boom.

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Legion of Boom: out of order

Richard Sherman, DeShawn Shead, Kam Chancellor und Earl Thomas bildeten eines der besten Backfields der Geschichte und waren über Jahre das Rückgrat von Seattles Defense. Mittlerweile sind die Cornerbacks Sherman und Shead nach San Francisco und Detroit gegangen, Kam Chancellor kämpft in Folge seiner Nackenverletzung nach wie vor um die Fortsetzung seiner Karriere.

Bleibt nur noch Earl Thomas, der wohl beste Free Safety der NFL, sechsfacher Pro Bowler, vierfacher All-Pro und vielleicht das wichtigste Element in Seattles einst so furchteinflößender Defense. Ausgerechnet er kündigte am Sonntag via Twitter an, zu streiken.

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Thomas-Verlängerung entscheidend für Ausrichtung

So lange, bis sich die Seahawks seinem 2019 auslaufenden Vertrag gebührend widmen, wird der 29-Jährige dem Team fernbleiben. Bei Weitem keine Seltenheit in der NFL, aber dennoch schädlich für die von Carroll und GM John Schneider beschworene Aufbruchsstimmung und eben auch das Team selbst.

Damit zwingt der Safety die Verantwortlichen der Seahawks aber auch eine Frage zu beantworten, von der man in Seattle etwas leichtfertig gehofft hatte, bereits eine Antwort gefunden zu haben: Reset oder Rebuild?

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Reset mit Thomas?

Bislang betonte GM Schneider stets, man wolle trotz der prominenten keinen jahrelangen Rebuild anstreben. Veränderungen habe es seit dem Beginn der Ära Schneider/Carroll in 2010 stets gegeben, daher wollte er klarstellen: "Wir möchten einfach in der Lage sein, kleine Resets durchzuführen, wenn man so will."

Eben diese Marschrichtung könnte man mit einem Abgang von Earl Thomas nicht mehr verkaufen. Man kann schließlich nicht an kleinen Stellschrauben drehen, wenn man zeitgleich den Fixpunkt aus der Verankerung reißt. Nichts Anderes ist Thomas in seiner gesamten Karriere mit 25 Interceptions und 10 Forced Fumbles für die Seahawks gewesen. Trotz Lautsprecher Sherman und Tackle-Monster Chancellor schien sein Fehlen im Zentrum der Defense immer am meisten zu schaden.

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Dementsprechend groß ist die Angst unter den Fans, dass Thomas noch in dieser Saison getradet werden könnte. Der 29-Jährige selbst hatte in seiner Twitter-Botschaft noch betont, er wolle seine Karriere in Seattle beenden, doch gerade der gebürtige Texaner kennt die Mechanismen des Geschäfts.

Vorrangig geht es Thomas um Wertschätzung und die erfolgt in der NFL eben nicht selten über den Gehaltsscheck am Ende des Monats. 10,4 Millionen Dollar verdient er aktuell mit Gehalt und Signing Bonus. Es ist wohl kaum abwegig, dass er im Falle einer Vertragsverlängerung in die Regionen von Eric Berry vorstoßen wird, der mit 13 Millionen aktuell Topverdiener unter den Safetys ist.

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Chancellor-Holdout bis Week 3

Sollten sich beide Seiten nicht schnell einigen können, ist sogar ein Trade denkbar. Thomas selbst machte bereits auf sich aufmerksam, als er Cowboys-Trainer Jason Garrett am Rande des letztjährigen Auswärtsspiels in Dallas zugeraunt haben soll: "Wenn ihr die Chance habt, mich zu kriegen, dann holt mich." Seither haben die Gerüchte um einen Trade zur Lieblingsfranchise seiner Kindheit nicht aufgehört.

Die Seahawks gelten als harter Verhandlungspartner und hielten nicht zuletzt auch Kam Chancellor 2015 so lange hin, dass sich dessen Streik bis in die ersten zwei Wochen der Saison hineinzog. Ein allzu schnelles Einknicken stünde im krassen Gegensatz zur Sparpolitik um die Entlassung von Sherman oder dem verhältnismäßig billigen Abgang von Michael Bennett.

Carroll beschwört Geist von 2012

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Von einer sicheren Vertragsverlängerung kann man also kaum ausgehen. Vor allem, weil Schneider selbst am Rande des Combines betonte, man würde sich Angebote immer anhören. Nach den Abgängen von Bennett, Sherman und Co. scheint sich Pete Carroll ohnehin auf einen Umbruch ähnlich früherer College-Verhältnisse einzustellen.

"Es fühlt sich an wie 2012, als unsere Stars noch keine Stars waren und wir gerade erst auf dem Weg an die Spitze waren. Es war aufregend zu sehen, wie sich unsere Spieler damals entwickelt haben und genau das erwarten wir von unseren Neulingen", schwärmte Carroll am Rande des Mini Camps. Aber er erklärte auch: "Es ist schwierig, den Jungs in der zweiten Reihe zu vermitteln, dass sie eine Chance haben, sich zu entwickeln, wenn die arrivierten Spieler mit vier, fünf oder sechs Jahren Erfahrung ihre Position besetzen."

Talentförderer oder Star-Schreck?

Genau diese Faszination für Talente wurde Carroll von Sherman nach dessen Abgang durchaus auch negativ ausgelegt. Sherman zufolge neige Carroll eher dazu, über Talente zu denken: "Vielleicht ist er der nächste Star", als klarzustellen: "Hey, wir haben in unserer Secondary Hall-of-Fame-Talent - wie wäre es, wenn wir das ausnutzen?"

Dabei wäre dieser Ansatz wie gemacht, um einen Rebuild einzuleiten. In diesem Zusammenhang dürfte Carroll sogar genau der Trainer sein, den Richard Sherman und Michael Bennett nach ihrem Abgang noch so kritisiert hatten.

"Seine Philosophie ist eher fürs College geeignet. Man bekommt vier Jahre, dann wird rotiert", hatte vor allem Sherman im Sommer gelästert und über Carrolls Ansprachen verraten: "Wir haben sie - im wahrsten Sinne des Wortes - alle gehört. Wir konnten sie rezitieren, bevor er überhaupt losgelegt hat."

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Thomas: Identifikationsträger oder Trade-Asset?

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Auf Earl Thomas dürfte das nach acht Jahren in Seattle ebenso zutreffen. Will Seattle den Spirit des Teams ändern, könnte er bei einem passenden Gegenangebot als Trade ein erstes Puzzleteil eines größeren Rebuilds sein.

Doch Thomas wäre als Leader einer jungen Defense eigentlich auch unverzichtbar, um der neuen Generation um ihn herum klarzumachen, was es heißt, ein Seahawk zu sein und damit Carrolls Philosophie noch schneller in die Köpfe der Rookies zu bekommen.

Seattle bekäme von ihm beides. Jetzt gilt es für John Schneider und Pete Carroll eben nur noch zu klären: Soll er den Reset beschleunigen oder Platz für einen Rebuild machen?

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