NBA-Kolumne: Fünf Gründe für den heißen Saisonstart der Dallas Mavericks – Ist das haltbar?
Aktualisiert: 29.01.2024
18:36 Uhr
Ole Frerks
Anzeige
Die Dallas Mavericks gehören in der Frühphase der Saison zu den besten Teams der Liga. Was führt zu der starken Bilanz (6-1) und was hat diese zu bedeuten?
Beim vierten Team im Bunde war das nicht so eindeutig, viele Experten hielten es vielmehr für möglich, dass die Mavericks wie schon im Vorjahr zu den Enttäuschungen der Liga gehören könnten. Möglich ist das immer noch, bisher hat Dallas (6-1) aber fast alles richtig gemacht, um die miese Vorsaison vergessen zu machen.
Nach dem überzeugenden Sieg in Orlando ist es an der Zeit, mal auf die Gründe für den heißen Start zu blicken – und sich zu fragen, wie aussagekräftig die bisherige Siegquote ist. Die folgenden Faktoren sind entscheidend.
Klingt komisch, ist aber so – der Fitnesszustand und der Rhythmus von Luka Doncic waren zum Start einer Saison noch nie besser. In den vergangenen Jahren frustrierte der Slowene die Mavs mehrfach damit, dass er zu schwer beim Training Camp erschien und eine Weile brauchte, um sich richtig in shape zu spielen.
Das reflektieren sogar die monatlichen Splits über seine Karriere: Laut "basketball-reference" hat Doncic im Oktober die wenigsten Punkte und Assists sowie den drittniedrigsten True-Shooting-Wert.
Der Zufall kann dabei eine Rolle spielen, stark sind seine Werte ohnehin auch hier, Fakt ist aber, dass Doncic in diesem Jahr keine Anlaufschwierigkeiten hat. Im Gegenteil. 29 Punkte und sechs Assists wie gegen Orlando sind unauffällig, im Schnitt legt er 31,6 Punkte, 9,6 Rebounds und 8,9 Assists auf (und fünf Turnover, was bei seiner Offensivlast nicht schockiert).
Wichtiger als die bei ihm traditionell unglaublichen "totalen" Zahlen ist aber die Effizienz, insbesondere von draußen. Doncic nahm und traf nie mehr Dreier, aktuell 41,3 Prozent bei 10,7 Versuchen sind jeweils weit über seinem Karriereschnitt (und unfassbar gut).
Externer Inhalt
Dieser Inhalt stammt von externen Anbietern wie Facebook, Instagram oder Youtube. Aktiviere bitte Personalisierte Anzeigen und Inhalte sowie Anbieter außerhalb des CMP Standards, um diese Inhalte anzuzeigen.
Doncic startet sensationell in die Saison
Dabei hilft es, dass er seit seinem Rookie-Jahr nicht mehr so viele assistierte Dreier nahm (immerhin 32,3 Prozent), die "anderen" Mavs (vor allem Kyrie Irving) verschaffen ihm etwas häufiger leichte Abschlüsse.
Er verweigert nicht mehr jede Fastbreak-Chance, drückt auch mal früh ab und verringert dadurch den Anteil schwieriger Stepback-Dreier am Ende der Wurfuhr, die natürlich aber weiter einen großen Teil seiner Wurfdiät ausmachen.
Er trifft die schwierigen Würfe kurioserweise besser – laut "nba.com/stats" versenkt Doncic fast die Hälfte seiner Dreier, vor denen er mindestens dreimal gedribbelt hat, aber nur 35 Prozent ohne Dribbling.
Anders als James Harden etwa scheint er aber nichts gegen Catch-and-Shoot zu haben, sein Volumen ist hier fast dreimal so hoch wie im Vorjahr. Gut möglich, dass er diese für ihn ungewohnten "leichten" Abschlüsse mit der Zeit sogar noch besser treffen wird.
So oder so: Doncic ist sensationell in die Saison gestartet, wirkt defensiv engagierter und tritt überwiegend (das Denver-Spiel war ein Rückfall) auch mit einer besseren Körpersprache auf als im Vorjahr. Sollte er den Wurf auf diesem Niveau stabilisieren, hätte die restliche Liga ein noch größeres Problem mit ihm als ohnehin schon.
Anzeige
Anzeige
Grund 2: Der Dreier fällt
Mit dem heißen Shooting ist Doncic nicht allein bei den Mavs. Im Gegenteil. Kein Team nimmt mehr Dreier pro Spiel (43,1) und nur die Clippers treffen besser (39,4 Prozent) – die 17 (!) Dreier pro Spiel, die Dallas momentan trifft, wären über eine Saison der höchste Wert der NBA-Geschichte. Damit lässt sich arbeiten.
Irving ist dabei interessanterweise noch kühl (24,1 Prozent), aber die anderen Volume-Shooter im Kader sind es nicht. Tim Hardaway Jr. gehört aktuell zu den besten Bankscorern der NBA, weil er 38,5 Prozent seiner 9,3 Dreier pro Spiel versenkt, Grant Williams ist noch (viel) besser. 54,3 Prozent sind es für den früheren Celtic, der in Dallas so spielt, wie es sich auch Boston über Jahre von ihm erhofft hatte.
Will sagen: Williams verweigert keine Würfe mehr. Bei den Celtics hatte er sich zu einem exzellenten Shooter entwickelt, er nahm eigentlich aber nie genug Würfe, weil er lieber auch dribbeln und "andere Dinge" ausprobieren wollte. Nie waren es mehr als 3,7 Versuche pro Spiel, was einer der Gründe dafür war, warum Williams in Boston entbehrlich wurde.
In Dallas lässt Williams den Ball fliegen, bisher 6,6 mal pro Spiel. Unter allen Spielern, die in der NBA wenigstens fünf Abschlüsse aus dem Catch-and-Shoot fliegen lassen, trifft er am besten (52,8 Prozent). Wenn er ansatzweise so weiter trifft, sollte er sogar noch deutlich mehr Abschlüsse bekommen.
Es ist indes eine legitime Frage, wie haltbar diese Werte sind. Die Mavericks können kontrollieren, wie viele Dreier sie nehmen, insbesondere Doncic versteht es seit Jahren blendend, seinen Teammates massenweise freie Dreier aufzulegen. Viele dieser Teammates (und Doncic selbst) treffen momentan aber auch weit über ihrem Karriereniveau.
Grund 3: Es gibt eine Center-Lösung?!
Noch ist der Name Dereck Lively II hier nicht gefallen, dabei ist der Center für das "große Ganze" in Dallas die Entdeckung des Saisonstarts. Es war ja durchaus bekannt, dass Doncic eine Top-5-Offense anführen kann (aktuell Platz 3). Dass ein Rookie dabei die fünftmeisten Minuten sieht, ist dagegen eine Überraschung.
Lively II überzeugte direkt in seinem ersten NBA-Spiel, als er von der Bank kam und statistisch trotzdem der beste Rookie der Partie war (es war auch das Debüt von Victor Wembanyama). Seither startet der 19-Jährige und macht seine Sache besser, als es irgendjemand hätte erwarten können. Und das an beiden Enden des Courts.
Dallas ist auch in dieser Spielzeit kein gutes Defensivteam, in Livelys Minuten ist das Defensiv-Rating allerdings um fast fünf Punkte besser (via "Cleaning the Glass"). Mit seiner Länge und Athletik ist er in Korbnähe schlichtweg eine andere Präsenz als beispielsweise Dwight Powell oder auch Maxi Kleber, der aktuell mit einer Zehenverletzung ausfällt.
Lively zeigt Potenzial als Shotblocker und Zonenanker und gibt den Mavs defensiv das, was sie sich in der vergangenen Saison von JaVale McGee erhofft hatten.
Noch mehr Spaß macht Lively aber offensiv. Er ist ein dynamischer Pick’n’Roll-Partner für Doncic und hat in seinen bisher sieben NBA-Spielen schon etliche Lobs im Korb untergebracht. Mehr als die Hälfte seiner bisherigen Field-Goal-Versuche waren Dunks, entsprechend hoch ist seine Trefferquote (77,8 Prozent).
Lively ist ein exzellenter Offensiv-Rebounder mit schier unendlichem Motor, der mit einer Energie spielt, die den Mavs im Vorjahr oft fehlte (auch Derrick Jones Jr. hilft in dieser Hinsicht sehr). Und er kann passen, was er vor allem mit sechs Assists gegen die Chicago Bulls zeigte. Das macht ihn als Partner für Doncic (und Irving) noch interessanter.
Der Slowene zieht in jedem Angriff so viel Aufmerksamkeit auf sich, dass anderswo auf dem Feld zwangsweise Überzahlsituationen entstehen. Lively kann diese Situationen lesen und die Schützen finden, wenn sein eigener Weg zum Korb zu ist. Auch nach Offensiv-Rebounds spielte er schon einige schnelle, genaue Pässe, die so früh nicht allzu viele Center im Repertoire haben.
Anzeige
Externer Inhalt
Dieser Inhalt stammt von externen Anbietern wie Facebook, Instagram oder Youtube. Aktiviere bitte Personalisierte Anzeigen und Inhalte sowie Anbieter außerhalb des CMP Standards, um diese Inhalte anzuzeigen.
Anzeige
Lineups mit Doncic und Lively auf dem Court produzieren bisher ein Net-Rating von 6,2. Das muss nicht so bleiben, bei Rookies ist ohnehin immer mit Schwankungen zu rechnen, aber der Start ist sehr vielversprechend. Vielleicht kann der Nr.12-Pick tatsächlich die Lösung auf der Center-Position werden, die Dallas im Prinzip seit Tyson Chandler gesucht hat.
Grund 4: Das Tempo stimmt
Jedes NBA-Team nimmt sich vor jeder Saison vor, schneller zu spielen. Die Mavericks setzen es bisher tatsächlich um: Vergangene Saison belegte Dallas Platz 28 in Sachen Pace, in der Frühphase dieser Spielzeit ist es Platz 8.
Der Unterschied sind gut vier zusätzliche Offensiv-Possessions pro Spiel und ein generell etwas dynamischeres Auftreten. Ein Grund dafür ist Irving, der als Scorer zwar keinen guten Saisonstart hatte, als Playmaker aber schon immer einen etwas schnelleren Spielstil bevorzugte als Doncic und den Mavs etwas Feuer macht.
Irving sucht früh in Possessions Möglichkeiten zum Attackieren, gerne gegen unsortierte Defenses, während sich Doncic diese über die vergangenen Jahre meist eher behutsam zurechtlegte. Auch Doncic hat seinen Ansatz aber ein wenig verändert.
Anzeige
Mavericks schalten schnell um
Nach Rebounds schaltet er schnell um und schickt auch mal Pässe über das gesamte Feld, wenn sich die Möglichkeit ergibt. Das passiert häufiger, weil die Mavs schneller und athletischer geworden sind.
Gerade Jones nutzt jede Gelegenheit, um über den Court zu rennen und den "Airplane Mode" einzuschalten, aber auch Hardaway, Josh Green oder Jaden Hardy drücken aufs Tempo. Doncic selbst läuft deutlich öfter schnell nach vorne als im Vorjahr, von Zeit zu Zeit sogar ohne Ball. Das ist eine durchaus wichtige Neuerung.
Die Mavs werden im Halbfeld immer zu den Top-Teams gehören, solange sie Doncic haben. Auch in der aktuellen Saison belegen sie hier den zweiten Platz. Je öfter sie jedoch leichte Punkte in Transition einstreuen können, desto weniger abhängig machen sie sich von der Halfcourt-Brillanz von Doncic. Es ist also ratsam, sich diesen Vorsatz immer wieder vor Augen zu rufen.
Grund 5: Der Spielplan stimmt
Dallas spielte in dieser Saison bisher nur gegen ein Top-Team (Denver) und kassierte darin prompt die einzige Niederlage. Von den anderen sechs Gegnern hat nur Orlando aktuell eine positive Bilanz (4-3), "basketball-reference" zufolge hatten die Mavs bisher den drittleichtesten Spielplan. Das hilft und muss zumindest erwähnt werden.
Können die Mavs um den Titel mitspielen?
Der letzte Punkt und auch die Shooting-Zahlen sorgen letztendlich dafür, dass es auf die Perspektive ankommt, wie der Saisonstart der Mavs nun zu bewerten ist. Der Bilanz zufolge ist Dallas eins der besten Teams der Liga, dieser Eindruck entsteht auf dem Court allerdings nicht. Die Defense ist etwas besser als im Vorjahr, aber noch immer unterdurchschnittlich.
Die Offense ist überragend, wird zum Teil aber durch Shooting-Werte getragen, die so vermutlich nicht über die Saison haltbar sein können. Der bisher einzige richtig schwere Gegner war zu schwer.
Doncic hatte schon andere Hot Streaks in seiner Karriere. Das ist die pessimistische Sichtweise: Die Aufgaben werden jetzt schwerer, die Quoten gehen runter, die Bilanz normalisiert sich.
Optimistisch betrachtet schafft Dallas aktuell etwas, was in der vergangenen Saison ein riesiges Problem war: Spiele gewinnen, die gewonnen werden müssen. Das ist ein Fortschritt, nachdem 22/23 nur 15 von 31 Spielen gegen Teams mit negativer Bilanz gewonnen wurden.
Vielleicht noch wichtiger: Die schnellere Pace, der fittere Luka, die Ankunft von Lively und Williams sorgen dafür, dass das Team tatsächlich anders aussieht als im Vorjahr und mehr hat, auf dem es sich aufzubauen lohnt.
Die offensive Extraklasse ist haltbar, zumal Irving seinen Rhythmus noch finden sollte. Defensiv ist noch Luft nach oben, je mehr sich Lively in der NBA zurechtfindet.
Die Wahrheit dürfte irgendwo dazwischen liegen. Es ist nicht an der Zeit, die Mavs in den Contender-Kreis mit den Nuggets dieser Welt aufzunehmen, es muss aktuell aber auch nicht über etwaige Trade-Wünsche von Doncic spekuliert werden.
Es scheint voranzugehen, das ist für sich genommen schon ein Erfolg und nicht selbstverständlich. Man darf gespannt sein, wie die Mavericks darauf aufbauen.