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Basketball-WM

Erkenntnisse nach dem DBB-Sieg gegen Lettland: Wieder sticht der größte deutsche Trumpf

  • Veröffentlicht: 06.09.2023
  • 17:07 Uhr
  • Ole Frerks
Article Image Media

Das DBB-Team ist mit Ach und Krach ins WM-Halbfinale eingezogen. In der Partie gegen Lettland erlebt Dennis Schröder eins der schwächsten Spiele seiner Karriere, die Verantwortung dafür liegt allerdings nicht nur bei ihm. Dafür beweist Deutschland andere Stärken. Die Erkenntnisse zum Spiel.

Crunchtime-Horror: Nicht nur Schröder in der Verantwortung

Es sagt schon einiges darüber aus, wie weit der deutsche Basketball gekommen ist, wenn nach einem Halbfinal-Einzug bei einer WM (zum erst dritten Mal) nicht ausschließlich Feierstimmung angesagt ist, aber so ist es eben: Die Erwartungshaltung in diesem Spiel gegen Lettland war ein Sieg, vor dem Spiel und erst recht im letzten Viertel, als Deutschland mit 14 Punkten führte.

Es hätte beinahe nicht gereicht, das DBB-Team spielte mit dem Feuer und hätte sich fast die Finger verbrannt. Ein tiefer Dreier von Davis Bertans hätte das Turnier für Deutschland um ein Haar beendet. Es wäre nicht unverdient gewesen - aber das DBB-Team kam mit einem blauen Auge davon. Oder mit einer Gehirnerschütterung, die zumindest die Entscheidungsfindung in der Schlussphase erklären würde.

Eigentlich hatte das Team diese Partie mehr oder weniger entschieden, fiel dann aber in alte, längst vergessene Muster zurück und schien zu vergessen, warum es überhaupt so weit gekommen ist.

Diese Mannschaft ist kein Ein-Mann-Team mehr wie teilweise in der Nowitzki- oder in der Schröder-Ära, trat in den Schlussminuten offensiv aber so auf.

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Schröder wird dabei die meiste Kritik abbekommen, auch zu Recht - mit dieser Leistung hätte er sein bis dahin so überragendes Turnier um ein Haar kaputtgemacht. Er nahm 26 Würfe und traf vier davon, verlor viermal den Ball und dominierte in der Crunchtime trotzdem jeden Angriff.

Nach seiner Einwechslung schloss er zehn der letzten elf Angriffe entweder mit einem Wurf oder Turnover ab. In einem Spiel, in dem schon zuvor nichts bei ihm funktionieren wollte.

Nur Johannes Voigtmann (verfehlter Dreier) und Daniel Theis (Freiwürfe nach eigenem Offensiv-Rebound) hatten in den letzten Minuten überhaupt noch Abschlüsse. Das restliche Team sah im Wesentlichen zu, auch der zuvor im Schlussviertel exzellente Franz Wagner hatte nach seiner Wieder-Einwechslung kaum noch einen Touch.

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"Das schlechteste Spiel meiner Karriere"

Schröder versuchte es zu erzwingen und versenkte immerhin zwei Driving Layups, dennoch hätte er sein Team fast aus diesem Turnier geballert und stand am Ende bei einem Sieg seiner Mannschaft bei -20.

In den knapp zehn Minuten ohne ihren Kapitän waren die Deutschen um 22 Punkte besser (!) als Lettland. "Ich hatte wahrscheinlich das schlechteste Spiel meiner Karriere", sagte Schröder selbst.

Es ist gerade vor diesem Hintergrund allerdings wichtig, nicht nur auf Schröder zu schauen. In den Schlussminuten riss sich niemand sonst darum, Verantwortung zu übernehmen – wenn Schröder passte, bekam er den Ball in der Regel sehr schnell zurück, ohne dass ein Vorteil kreiert wurde. Das wurde fast ausschließlich ihm überlassen, obwohl offensichtlich an diesem Tag etwas fehlte.

Und obwohl es Alternativen gegeben hätte. Auch für Gordon Herbert. Sein Team war erstmals in dieser schwierigen Partie in einem richtig guten Rhythmus, angeführt von Wagner, als der Coach diesen auswechselte und Schröder zurückbrachte.

Die Bank spielte über die gesamte Partie mit besserer Bewegung und mehr Energie, trotzdem beendete die Starting Five (mit Wagner statt Andreas Obst) das Spiel.

Schröder hatte dabei sogar Foulprobleme, es wäre also auch dadurch zu rechtfertigen gewesen, ihn etwas länger auf der Bank zu lassen, sportliche Gründe gab es ohnehin.

"Dennis ist auch nur ein Mensch, heute hatte er ein schweres Spiel", sagte Herbert bei "MagentaSport". Aber nicht nur der Point Guard dürfte sich nach dieser Crunchtime beim Basketball-Gott bedanken.

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Dennis ist auch nur ein Mensch, heute hatte er ein schweres Spiel.

Gordon Herbert

Die ganze Mannschaft inklusive Head Coach wirkte am Ende angeknockt und verunsichert. Es ist an sich sehr gut und gesund für das DBB-Team, dass Herbert Schröder vertraut, aber es darf nicht blind sein; in einem solchen Spiel kann am Ende nicht jede Possession in einer Isolation eines Spielers enden, der so extrem strauchelt.

Die deutsche Nationalmannschaft ist nicht mehr wie früher in der Nowitzki-Ära in der Situation, dass ein Wurf ihres besten Spielers über drei Verteidiger am Ende immer noch oft die beste realistische Option ist. Wenn sie sich früher darin erinnert hätte, wäre auch in diesem Spiel wieder ein deutlicher Sieg und viel weniger Zittern möglich gewesen.

"Es kam mir vor wie Stunden, dieser letzte Moment, als der Ball in der Luft war", sagte Obst über den letzten Bertans-Wurf: "Ich habe schon alles gesehen, was passieren könnte. Wir haben uns nicht schlau angestellt, es nicht so smart ausgespielt."

Gereicht hat es glücklicherweise trotzdem. Und eigentlich sollte dieser riesige Erfolg ohnehin im Fokus stehen.

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Die Bank bleibt der große Trumpf

Es war von Beginn an kein leichtes Spiel für das DBB-Team. Durch ihre Switching-Defense nahmen die Letten die Bewegung aus dem deutschen Spiel und forcierten Eins-gegen-Eins-Situationen, in denen sich die Deutschen, allen voran Schröder, trotz ihrer nominellen Matchup-Vorteile schwertaten.

Der Ball lief sehr schlecht, lediglich zehn Assists verzeichnete das DBB-Team, weit unter dem gewohnten Turnierschnitt. Besser wurde es immer dann, wenn ein Spieler den Weg zum Korb suchte.

Auch bei Schröder - er vergab zwar jede Menge für ihn sonst einfache Layups, sammelte dabei aber den einen oder anderen "Kobe-Assist", wenn die Bigs seine Fehlwürfe zu zweiten Chancen verwerteten. Deutschland hatte 15 Offensiv-Rebounds und 20 Second-Chance-Points, ein entscheidender Vorteil in dieser Partie.

Der andere und wahrscheinlich wichtigste war einmal mehr die Tiefe der deutschen Mannschaft. Die lettische Starting Five spielte unterm Strich besser als ihr deutscher Konterpart, was auch durch die jeweiligen Plus/Minus-Werte reflektiert wird.

Lettland spielte teilweise richtig schönen Offensiv-Basketball, wenn Bertans und der überragende Arturs Zagars auf dem Court standen. Der Ball lief gut und es war eine Struktur erkennbar, die dem DBB-Team im Angriff zu oft fehlte.

Der Underdog konnte es aber nicht kompensieren, wenn seine besten Spieler nicht auf dem Court standen. Lettland bekam sechs Punkte von seiner Bank, Deutschland 44. Diese Statistik wird ein wenig dadurch verzerrt, dass Wagner von der Bank kam und in Halbzeit zwei startete, selbst ohne seine 16 Zähler war die deutsche Bank aber deutlich stärker.

"Ich bin stolz auf meine Jungs, die von der Bank kommend Verantwortung übernommen haben", sagte Schröder, und Herbert pflichtete bei: "Wir müssen uns heute bei den Bankspielern bedanken."

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Ich bin stolz auf meine Jungs, die von der Bank kommend Verantwortung übernommen haben.

Dennis Schröder

Namentlich waren es vor allem beide Wagners (Moritz hatte zwölf Punkte bei perfekter Quote, zwei Steals und die gewohnte überbordende Energie) und Johannes Thiemann, die beim deutschen Team den besten Eindruck hinterließen.

Thiemann war vor allem in der ersten Hälfte wieder unheimlich aktiv in Korbnähe und ließ Bertans einige Male schlecht aussehen, bei ihm waren es am Ende zehn Punkte (4/4 FG) und sieben Rebounds. Thiemann verlieh dem Spiel auch eine physische Komponente, die den Startern teilweise fehlte.

Ihren besten Lauf hatte die deutsche Mannschaft mit einem Lineup, in dem die Wagners, Thiemann, Maodo Lo und Isaac Bonga auf dem Court standen – switchable und athletisch in der Defense, mit viel Dynamik und Drive in der Offense.

Diese Fünf eröffneten das vierte Viertel mit einem 12:1-Lauf und wurden im Anschluss nicht mehr zusammen gesehen. Vielleicht aber ja im nächsten Spiel.

"Es ist ein Teamspiel und nicht jeder wird jeden Wurf treffen", sagte Franz Wagner. "Aber deswegen hat man zwölf Spieler, die bereit sein müssen".

Beim DBB-Team stimmt das - jetzt wirklich wieder mit zwölf einsatzbereiten Spielern - tatsächlich. Deswegen konnte der Spieler, der das Team in den letzten Tagen teilweise tragen musste, diesmal von seinem Team getragen werden.

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Wagner bringt die neue Dimension

Der jüngere Wagner hätte sich kaum einen besseren Zeitpunkt aussuchen können, um zurückzukehren. Nach drei Blowouts am Stück war die Gemengelage diesmal anders und es ist davon auszugehen, dass Deutschland auch mit den USA im Halbfinale nicht den Boden wischen wird. Umso besser ist es, mit Wagner eine neue Dimension im Spiel zu haben.

In der ersten Halbzeit trat der Magic-Forward noch etwas verhaltener auf, womöglich musste er seinem Knöchel erst einmal wieder vertrauen. Spätestens nach der Halbzeitpause aber verzeichnete Wagner wieder einige sehr schöne Drives, traf tiefe Dreier und zeigte sein gutes Auge, auch wenn am Ende "nur" drei Assists für ihn notiert wurden.

Wagner konnte sich in Isolationen und Pick’n’Rolls durchsetzen, anders als in dieser Partie Schröder. Der Drive kombiniert mit seiner Physis war für die Letten nicht zu kontrollieren, was es noch schwerer zu verstehen machte, dass er am Ende kaum noch den Ball hatte.

Sei’s drum: Trotz der Zitterpartie profitierte Deutschland direkt wieder davon, noch einen so gefährlichen Ballhandler in seinen Reihen zu haben, der auch nach seiner Zwangspause nicht allzu lange rostig wirkte.

Dass er in der zweiten Halbzeit Bongas Platz in der "Starting Five" einnahm, dürfte andeuten, dass er gegen die USA dann tatsächlich auch wieder beginnen wird, was ein Mittel gegen die nun fast schon traditionell schwachen Offensiv-Starts sein könnte.

"Es gibt da zwei Level. Einerseits bin ich als sein Mitspieler froh, dass er zurück ist, weil er verdammt gut ist und uns Spiele gewinnt", sagte Moe Wagner über die ersehnte Rückkehr. "Das ist ein bisschen selbstsüchtig von mir. Und als sein Bruder bin ich einfach froh, ihn lächeln zu sehen, während er das tut, was er am besten kann. Er ist ein böser Junge auf dem Court."

Die Hoffnung muss nun lauten, dass Schröder und mit ihm die deutsche Mannschaft das "Stinker-Spiel", wie Herbert es nannte, aus ihren Systemen herausbekommt. Dass dieses Spiel allen Beteiligten auch noch einmal aufgezeigt hat, auf wie vielen Säulen das Team - eigentlich - steht.

Im nächsten Spiel wird es jede einzelne brauchen. Den bösen Jungen, die tiefe Bank, das Ball-Movement, die Defense. Und natürlich auch den Kopf der Schlange.

Ein großes Ziel hat das DBB-Team aber schon jetzt erreicht: die Qualifikation für die Olympischen Sommerspiele 2024 in Paris.

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