Bayerns Mittelfeld: Roca trumpft auf, Tolisso steckt fest
- Aktualisiert: 09.02.2021
- 22:08 Uhr
- ran.de/David Kreisl
Der FC Bayern reiste zur Klub-WM in Katar, um mit einem Titelgewinn Geschichte zu schreiben. Das sportlich wenig aussagekräftige Turnier liefert Trainer Hansi Flick im Hinblick auf sein Mittelfeld aber unerwartet wertvolle Erkenntnisse.
München – In der Nacht von Freitag auf Samstag trug sich, sofern man dem Ad-hoc-Narrativ der Kluboberen glaubt, eines der größten Dramen der jüngeren Klubgeschichte des FC Bayern zu.
Wegen einer fehlenden Starterlaubnis hob der Flieger des Rekordmeisters nicht um Mitternacht, sondern erst mit einigen Stunden Verspätung am Samstagmorgen in Richtung Katar zur Klub-WM ab. Die Bayern-Granden rechtfertigten ihre Wut ("Skandal ohne Ende", meinte Hoeneß) und Verschwörungstheorien ("In Brandenburg ist einer, der den FC Bayern nicht mag", vermutete Karl-Heinz Rummenigge) auch damit, dass die Münchner auf ihrer Weltpokal-Mission ja schließlich ganz Deutschland im internationalen Fußball vertreten würden.
Diejenigen, die es nicht mit den Bayern halten, und ehrlicherweise wohl auch viele, die es tun, waren eher amüsiert darüber, wie gewaltig die Worte über das Malheur im Vorfeld des Turniers ausfielen, das nicht nur wegen seines Austragungsorts umstritten ist.
Nein, auch sportlich ist der Wert der FIFA-Klub-Weltmeisterschaft traditionell überschaubar. Der Pokalgewinn ist ein schöner Zusatz für den Briefkopf, für den FCB in diesem Jahr aber noch mehr: Gewinnen die Münchner, würden sie ihre sechste Trophäe binnen einer Saison holen. Ein solches Sextuple gelang zuvor nur einer Mannschaft in der Geschichte: dem FC Barcelona, 2009 unter Pep Guardiola.
Rummenigge adelt Duo Kimmich und Goretzka
Doch vor dem Endspiel gegen die UANL Tigres (19 Uhr im Liveticker auf ran.de) aus Mexiko – dem Sieger der Champions League des Verbandes Nord- und Mittelamerika sowie der Karibik und mit einem Kadermarktwert von knapp 60 Millionen Euro fast so teuer wie Leon Goretzka – darf sich Coach Flick tatsächlich über sportliche Erkenntnisse aus dem Wüstentrip freuen. Zumindest, was die Mittelfeldzentrale des Rekordmeisters angeht.
Deren Besetzung ist an sich eine klare Sache: Neben Chef Joshua Kimmich spielt dort eben jener Goretzka. "Nicht nur national, sondern auch international" eines besten Mittelfeld-Duos, das er kenne, adelte Rummenigge die beiden kürzlich bei "Sport1".
Dahinter ist die Lage dagegen unübersichtlicher. Corentin Tolisso und Routinier Javi Martinez waren für die längste Zeit Flicks Ersatzmänner des Vertrauens, die Neuzugänge Marc Roca und Tiago Dantas fast bzw. tatsächlich komplett außen vor.
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Roca in der Startelf, "weil wir Ballsicherheit gebraucht haben"
Da mit Goretzka und Martinez aber gleich zwei zentrale Mittelfeldspieler wegen ihrer Corona-Quarantäne nicht mit an den Persischen Golf reisen konnten, blieben Flick schon im Vorhinein wenig Möglichkeiten für Experimente. Die Frage vor dem Halbfinale gegen Al Ahly, das die Münchner mit 2:0 gewannen, lautete: Nur ein Sechser, wie beim letzten Spiel vor der Abreise gegen die Hertha – oder mit Roca oder Tolisso ein Nebenmann für Kimmich? Und Coach Flick, der gegen die Ägypter seine Topelf aufbot, beorderte wie schon anderthalb Wochen zuvor gegen Hoffenheim Roca in die Startelf.
"Für Marc haben wir uns entschieden, weil wir die Doppelsechs spielen wollten und Ballsicherheit gebraucht haben", erklärte Flick im Anschluss seine Entscheidung und lobte, dass es der 24-Jährige bis zu seiner Auswechslung 20 Minuten vor dem Ende "ganz gut gemacht" habe.
Dieses "ganz gut" äußerte sich darin, dass Roca stark mit Kimmich harmonierte, immer besser in die Automatismen der Münchner eingebunden scheint und zwar etwas zurückhaltender, dafür wesentlich sicherer im Passspiel war als sein Nebenmann. Rocas Art, Fußball zu spielen, tat der Ballzirkulation der Münchner gut, genau wie sein Blick für die Tiefe und das vertikale Spiel, mit dem er regelmäßig mehrere Gegner überspielte. Zweimal fand sich Roca gar mit dem Ball in aussichtsreicher Position im Sechzehner wieder, viel fehlte nicht zum ersten Treffer im Dress der Roten.
Tolisso im Status des ewigen Mitläufers
Obwohl freilich die Prämisse gilt, dass Gegner Al Ahly kein Maßstab ist für ein Gros der Gegner, die den FC Bayern bis Saisonende noch erwarten werden, scheint Flick langsam Gefallen zu finden am Spanier. Dessen frischer, engagierter Auftritt durchaus im Kontrast dazu steht, was Tolisso in den zurückliegenden Spielen anbot.
Der Franzose war zwar fulminant in die Saison gestartet, mit Toren im Supercup gegen den BVB und in der Champions League gegen Atletico. Aber wie so oft in seiner Zeit in München warfen den ehemals teuersten Spieler der Bundesligageschichte immer wieder Verletzungen und Blessuren zurück. Auch seine nicht coronaregelkonforme Tätowier-Aktion, die ihm kürzlich eine saftige Geldstrafe einbrockte, war keine Werbung in eigener Sache.
Tolissos letzter Startelfeinsatz in der Liga liegt bereits über einen Monat zurück. In seinen mittlerweile nur noch Kurzeinsätzen kann der 26-Jährige seine Stärken - die Dynamik, Aggressivität und Torgefahr aus der Tiefe - höchstens noch andeuten. Viel eher steckt der Franzose mal wieder in seinem Status als ewiger Mitläufer fest.
"In der Öffentlichkeit vergleiche ich keine Spieler miteinander"
Hat Roca Tolisso also überholt? "In der Öffentlichkeit vergleiche ich keine Spieler miteinander", ließ sich Flick diesbezüglich nicht in die Karten schauen: "Corentin Tolisso war verletzt. Bei ihm wissen wir, dass es dann nicht immer ganz so einfach ist, den Rhythmus zu bekommen." Deshalb sei es für den Mittelfeldmann "wichtig" gewesen, zuletzt in Berlin und auch gegen Al Ahly eingewechselt zu werden und Spielzeit zu bekommen. Flick sah einen "guten Schritt", den der Franzose gemacht habe.
Nichtsdestotrotz gilt Tolisso dem Vernehmen nach als Verkaufskandidat im Sommer. Rummenigge stellte klar, dass man nicht ohne eine Verlängerung in das letzte Vertragsjahr des 26-Jährigen gehen werde. Verlängerung oder Transfer – diese Optionen würden "auf dem Tisch liegen". Und: "Ich kann weder die eine noch die andere ausschließen." Ab 20 Millionen Euro sollen die Bayern gesprächsbereit sein. Es wäre weniger als die Hälfte der Ablösesumme, die der FCB vor dreieinhalb Jahren an Lyon überwies.
Zunächst aber steht gegen die UANL Tigres das Finale der Klub-WM an. Und ein Bekenntnis, wer am Donnerstag im Mittelfeld starten wird, hat Flick vermieden. Hoffen dürfen also beide auf einen Startplatz in diesem möglicherweise historischen Spiel. Nimmt man aber als Maßstab, wie wichtig der Rekordmeister den Wettbewerb sieht, wäre es wenig überraschend, sollte Flick abermals seine A-Elf aufbieten. Und in der steht in Abwesenheit von Goretzka aktuell: Marc Roca.
David Kreisl
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