Pro und Contra
FC Bayern München und Mathys Tel: Leihe abgelehnt - die richtige Entscheidung?
- Aktualisiert: 14.07.2023
- 07:08 Uhr
- ran.de
Mathys Tel könnte beim FC Bayern München einer der Verlierer eines Transfers von Harry Kane sein. Der Berater des Franzosen will von einer Leihe aber nichts wissen. Macht er damit einen Fehler? Oder sind seine Vorbehalte berechtigt? Ein Pro und Contra.
Von Jonas Rütten und Chris Lugert
Sollte Mathys Tel den FC Bayern im Sommer auf Leihbasis verlassen? Der Berater des Franzosen hält davon nichts. Allerdings droht dem 18-Jährigen gerade bei einer Verpflichtung von Harry Kane ein Stammplatz auf der Bank - höchstens. Oder ist eine Leihe kein Allheilmittel?
Ein Pro und Contra der beiden ran-Redakteuere Jonas Rütten und Chris Lugert.
FC Bayern und Tel: Berater-Aussagen zu einer möglichen Leihe sind fahrlässig
"Mathys möchte einer der Besten werden", sagte Tels Berater Gadiri Camara bei "Sky" und schloss im gleichen Atemzug eine Leihe des 18 Jahre jungen Stürmers zu Werder Bremen kategorisch aus. Man hätte Camara anschließend fragen können, wie man den im Profigeschäft "einer der Besten" werde.
Geht es nach Hermann Gerland, einer der Koryphäen auf dem Gebiet des Nachwuchsfußballs und der Talent-Entwicklung in Deutschland, ist die Antwort auf diese Frage eindeutig. "Junge Spieler müssen spielen, Wochenende für Wochenende. Denn nur in den Spielen entwickelt man sich weiter. Das ist die wichtigste Bedingung, um besser zu werden", sagt er immer wieder, wenn er gefragt wird.
Und das ist nun auch exakt das, was Mathys Tel braucht. Spielpraxis. Wochenende für Wochenende. Dass er auf dem Niveau in der Bundesliga mithalten kann, hat er in seinem ersten Jahr bewiesen. Als Joker traf er in 22 (Kurz-) Einsätzen für die Bayern fünfmal in nur knapp 400 Spielminuten. Nicht selten brachte er in den letzten Minuten noch einmal frischen Offensiv-Wind ins gerade in der Rückrunde lahmenden Spiels des Rekordmeisters.
Tels Talent ist offensichtlich, doch ein weiteres Jahr als Dauergast auf der Bayern-Bank wird ihm nicht guttun. Ja, er hat die Chance im Training unter einem der besten Trainer der Welt und mit Top-Spielern als Teamkollegen weiter Erfahrungen zu sammeln. Doch seine Aussicht auf Spielzeit dürfte angesichts der Leistungen von Eric Maxim Choupo-Moting in der Vorsaison und dem Namen Harry Kane, der in diesem Sommer durch jede Ecke der Säbener Straße geistert, noch einmal bedenklich schrumpfen.
Es ist also absolut nachvollziehbar, wenn die Bayern-Verantwortlichen mit Tel einen ähnlichen Plan haben wie damals mit Serge Gnabry. Der wechselte - angeblich unter gütiger Mithilfe der Bayern - 2016 zu Werder Bremen, ein Jahr später zum Rekordmeister, wurde zur TSG Hoffenheim verliehen und kehrte als gestandener Bundesliga-Stammspieler zurück.
Wieso also sollte sich die Tel-Seite gegen einen solchen Schritt so vehement wehren? Die Bayern haben schon mit der Ablöse in Höhe von 20 Millionen Euro für einen fast unbekannten 17-Jährigen deutlich gemacht, was sie in Tel sehen. Unwahrscheinlich also, dass eine Leihe - selbst dann, wenn sie unbefriedigend verläuft - für Tel ein ähnliches Schicksal bedeutet wie jüngst bei Joshua Zirkzee (wurde verkauft), Alexander Nübel (soll erneut verliehen oder verkauft werden oder Marcel Sabitzer (soll verkauft werden).
Eine Leihe innerhalb der Bundesliga wäre ideal - für die Bayern und für Tel. Der Stürmer kann sich weiter entwickeln und um einen Stammplatz kämpfen, den er bei Bayern in den kommenden Jahren erstmal nicht haben wird - und das ist unabhängig davon, ob Kane nun kommt oder nicht, Fakt. Für den Klub ist es hingegen einfacher, in Deutschland den Kontakt zu dem Spieler aufrechtzuerhalten.
Es ist daher unverständlich - ja gar fahrlässig - dass der Berater von Tel auf einen Verbleib bei Bayern in der kommenden Saison plädiert und alles andere kategorisch ausschließt. Denn so schadet er dem Spieler im Endeffekt mehr, als dass er ihm hilft.
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FC Bayern und Tel: Aus den Augen, aus dem Sinn
Dass Tels Berater auf einen Verbleib pocht, ist mehr als nur verständlich. Denn mal ehrlich: Wann hat das System der Leihe, wie es im Bilderbuch steht, bei den Bayern zuletzt wirklich funktioniert? Also ein junger Spieler, der verliehen wird, bei seinem Leihklub Spielpraxis sammelt und dann bei den Bayern durchstartet? Gnabry in der Saison 2017/18 war der Letzte dieser Art.
Seither gab es mehr als genug Leihgeschäfte beim FC Bayern, aber sie alle hatten eins gemeinsam: Die jeweiligen Spieler kamen bei den Bayern nie zum Zug und sind bereits lange wieder weg oder stehen kurz davor, so wie etwa Malik Tillman. Dass Tel deutlich mehr Ablöse gekostet hat, ist dabei zweitrangig.
Denn derjenige, der diese Summe im vergangenen Jahr gezahlt hat, heißt Hasan Salihamidzic und ist nicht mehr da. Ebenso wie der damalige Trainer Julian Nagelsmann. Und dass hohe Ablösesummen nach einem Jahr beim FC Bayern nicht viel bedeuten müssen, zeigt das Beispiel Sadio Mane gerade bestens. Der darf den Verein verlassen.
Unter der aktuellen Führung um Transfer-Ausschuss und Trainerteam verändert sich die Ausrichtung der Mannschaft massiv, jetzt soll die Basis für die kommenden Jahre gelegt werden. In dieser Situation nicht vor Ort zu sein, wäre ein schwerwiegender Nachteil, der so kaum zu kompensieren wäre. Tel wäre aus den Augen und ebenso aus dem Sinn.
Das weiß sein Berater. Will Tel eine Zukunft beim FC Bayern haben, muss er jetzt im täglichen Training Präsenz zeigen.
Zumal es keine Garantie gibt, dass Tel trotz seines unbestrittenen Talents bei einem Leihklub, der ihn auch wirklich weiterbringt, die erforderliche Spielpraxis erhält. Der Franzose ist immer noch erst 18 Jahre alt und unerfahren. Bei welchem Bundesligaklub hätte er denn einen Stammplatz sicher?
Die Hälfte der Liga will nach Europa und setzt daher für die eigenen Ambitionen eher auf Erfahrung, die andere Hälfte kämpft gegen den Abstieg und setzt - genau - ebenfalls auf Erfahrung. Zumal das tägliche Training beim FC Bayern im Zweifel mehr bietet als 20 Minuten Spielpraxis bei 80 Prozent der Bundesligisten. Klingt hart, ist aber so. Grüße gehen raus an Matthias Sammer.
Und ganz nebenbei ist es nicht gesagt, dass Tel beim FC Bayern in dieser ziemlich undurchsichtigen Gemengelage gar keine Einsätze bekommt, auch wenn Kane kommen sollte. Eine Saison bei den Münchnern ist lang, Rotation ist unumgänglich. Und Tel besticht durch seine Flexibilität. Er kann im Sturmzentrum ebenso agieren wie auf dem Flügel und ermöglicht Thomas Tuchel neue Optionen. Der angepeilte Abschied von Mane bietet Tel dabei eine neue Chance.
Und sollten Gnabry und Sane erneut in ein monatelanges Formloch fallen, könnte die Stunde des Youngsters schneller schlagen, als es jeder gedacht hätte. Nur um diese Chance dann auch ergreifen zu können, muss man vor Ort sein.