Anzeige
Eberl vor Engagement bei RB Leipzig

Max Eberl: Sportpsychologe Markus Raab im Interview: "Diskussion ist scheinheilig"

  • Aktualisiert: 31.08.2022
  • 19:43 Uhr
  • ran.de/Timo Nicklaus
Article Image Media
© Imago Images /DSHS Köln

Max Eberl steht vor einer Rückkehr in die Bundesliga. Ab dem 1. Dezember soll der 48-Jährige laut Medienberichten neuer "Geschäftsführer Sport" bei RB Leipzig werden. Nach seiner Burnout-Erkrankung werfen Kritiker dem Funktionär nun eine Art "Wunderheilung" vor. Doch was bedeutet es eigentlich Burnout zu haben? Wie sieht die Behandlung aus? Kann ein Fußballmanager nach so kurzer Zeit "geheilt" sein? Und wie gefährlich ist nun eine Rückkehr? ran spricht mit dem Sportpsychologen Prof. Dr. Dr. Markus Raab. 

München - Vor knapp sieben Monaten trat Max Eberl als Sportdirektor bei Borussia Mönchengladbach zurück. Erschöpfung, Stress - Burnout. Der 48-Jährige wollte nicht mehr, brauchte eine Pause. 

Die Reaktionen damals: Anerkennung und Gratulation, sich mit diesem Thema an die Öffentlichkeit gewagt zu haben. Nun steht Eberl vor einer Rückkehr. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge soll er ab 1. Dezember 2022 "Geschäftsführer Sport" bei RB Leipzig werden. 

Anzeige
Anzeige
FC Bayern
News

DFB-Pokal: So seht ihr Viktoria Köln vs. FC Bayern

Der FC Bayern München muss in der 1. Runde des DFB-Pokals bei Viktoria Köln ran (31. August, 20:46 Uhr). Wir zeigen euch, wo ihr die Partie live im TV, Web und Livestream verfolgen könnt.

  • 28.09.2022
  • 09:44 Uhr
Anzeige

Viele werfen Eberl nun eine Art "Wunderheilung" vor und wundern sich ob der zügigen Rückkehr in das System, aus dem er vor einigen Monaten noch so dringend raus wollte. 

Kann es sein, dass sieben Monate Pause ausreichen? Wie hoch ist die Gefahr, erneut zu erkranken? Und was kann der Fußball vielleicht auch tun, um präventiv zu helfen? Um die Thematik ein wenig genauer zu betrachten, sprach ran mit dem Sportpsychologen und dem Leiter der Abteilung Leistungspsychologie an der deutschen Sporthochschule Köln, Prof. Dr. Dr. Markus Raab. 

ran: Hallo Herr Raab, zunächst einmal die generelle Frage: Was bedeutet es eigentlich Burnout zu haben und wie äußert sich das?

Raab: "Zunächst einmal muss man unterscheiden zwischen Stress, Burnout und Depressionen. Stress ist im Leistungssport, auch als Fußballmanager, natürlich immer präsent, aber man kann diesem Stress sehr positiv oder auch sehr negativ gegenüberstehen und auch bewältigen. Burnout ist, wenn man aus diesem Stresslevel dann Tag für Tag nicht mehr herauskommt. Das mündet beispielsweise in weniger Schlaf, fehlende Motivation für die Arbeit oder auch schlichtweg fehlender Antrieb für weitere alltägliche Aktivitäten. Und dann finden wir üblicherweise Burnout-Symptome, die so gravierend sind, dass sie auch zu einer Depression führen können, was wiederum zu einer Unfähigkeit an der Beteiligung des gesellschaftlichen Lebens führt. Im schlimmsten Fall kann dies, wie wir zum Beispiel im Fall Robert Enke gesehen haben, auch zum Selbstmord führen."

ran: Sind Personen aus dem Profifußball besonders anfällig für eine Erkrankung?

Raab: "Es gibt verschiedene Gründe, warum man an einer Depression oder an Burnout erkranken kann. Das sind zum einen genetische Ursachen und zum anderen ganz viele situationelle Ursachen. Zum Beispiel die ständige Anforderung, Aufgaben unter Zeitdruck zu lösen. Und dann hängt es davon ab, wie ich diesen Stress bewältige und was für Bewältigungsstrategien ich habe. Es gibt eine ganze Reihe sogenannter Meta-Analysen, die zeigen, dass Depressionen in allen Berufssparten, in denen Stress sehr präsent ist, stattfinden kann. Also in allen Manager-Positionen auch außerhalb des Sports. Natürlich gehört gerade der Fußball durch die hohe öffentliche Wahrnehmung in Deutschland zu den Bereichen, in denen man starken Anforderungen ausgesetzt ist. Aber stellen sie sich beispielsweise jemanden vor, der Fluggesellschaften managt während der Corona-Krise. Das sind auch keine Aufgaben, die weniger einfach waren."

ran: Viele werfen Max Eberl nun eine Art "Wunderheilung" vor. Können Sie diese Diskussion verstehen?

Raab: "Ich glaube, diese Diskussion ist manchmal scheinheilig. Wenn jemand verkündet, dass er aussteigen will, dann gratulieren alle und sagen, dass es der richtige Schritt ist, dass es mutig ist, damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Und wenn jemand zurückwill, dann finden das auch alle toll, dass man wieder gebraucht wird und wichtig ist für das System Fußball. Aber über diese Phase dazwischen, was das bedeutet, die Behandlung, die Person, die Familie - darüber wird relativ wenig gesprochen."

ran: Stichwort Behandlung: Wie sieht diese überhaupt aus? Was kann gemacht werden?

Raab: "Sobald jemand eine eigene Pause anstrebt, fallen die ganz viele Stressoren ja erst einmal weg. Sich von all dem zu distanzieren und für sich zu lernen, wie ich diese Anforderungen bewältigen möchte, kann schon enorm helfen. Es gibt aber natürlich auch eine medikamentöse Behandlung. Bei Depressionen macht man in der Regel sogar ein gemischtes Verfahren aus Medikamenten und psychotherapeutischen Verfahren. Aber diese Verläufe sind auch ganz unterschiedlich. Es kann auch ein halbes Jahr im Ausland ausreichen, um einen Erholungszustand zu erreichen."

ran: Nun kehrt Max Eberl nicht nur zurück in die Bundesliga, sondern höchstwahrscheinlich auch zu einem Verein wie RB Leipzig, der oft kontrovers diskutiert wird und auch deshalb im Rampenlicht steht. Wie gefährlich kann es sein, wieder in das System zurückzukehren?

Raab: "Das System ist schon einmal vorgeprägt. Das ist so. Wenn Stressoren wiederkommen, ist die Wahrscheinlichkeit auch da, dass sie wieder genau zum selben Verhalten führen. Außer man hat diese Bewältigungsstrategien und seinen Lebensstil entsprechend etwas angepasst. Und das kann man auch als Manager. Man muss nicht bei allen Dingen dabei sein und trotzdem kann man einen Verein führen. Und letztendlich muss man auch sagen: Personen wie Max Eberl waren in diesem System und sie kennen das System. Also wissen sie auch, worauf sie sich einlassen. Wenn das Umfeld ihnen die Chance gibt, etwas zu regulieren, dann glaube ich, dass es funktionieren kann."

ran: Was kann das System Fußball vielleicht auch machen?

Raab: "Der Fußball und das ganze System sollte die Situation schaffen, dass diese Personen auch mal das Recht haben, eben nicht zu jeder Pressekonferenz rennen zu müssen und sich eben nicht jeder Frage immer und überall stellen müssen. Oder auch mal ein Auswärtsspiel zu Hause bleiben zu dürfen. Ein Sportmanager hat vor Ort ja eigentlich keine direkte Funktion wie ein Trainer oder ein Mannschaftsarzt. Auf der Geschäftsstelle können bestimmte Aufgabenkategorien umverteilt werden und vielleicht können von zehn möglichen Jobs dann auch mal zwei oder drei abgegeben werden. So ist zumindest die Anzahl der Stressoren geringer. Aber klar ist auch: Dass man sich als leitende Personen nach verlorenen Spielen der Presse stellen muss und dann gefragt zu werden, ob man denn jetzt den Trainer entlässt - das wird es immer geben, egal ob man bei Leipzig oder bei irgendeinem anderen Verein aktiv ist."

Das Interview führte: Timo Nicklaus.

Du willst die wichtigsten Fußball-News, Videos und Daten direkt auf Deinem Smartphone? Dann hole Dir die neue ran-App mit Push-Nachrichten für die wichtigsten News Deiner Lieblings-Sportart. Erhältlich im App-Store für Apple und Android.