Mitläufer oder Anführer? Mesut Özil am Scheideweg
- Aktualisiert: 11.03.2014
- 22:47 Uhr
- ran.de / Robin Schmidt
Am Wochenende feierte Mesut Özil mit dem FC Arsenal endlich mal wieder ein Erfolgserlebnis. Im Achtelfinal-Rückspiel der Champions League beim FC Bayern München (Di. ab 20:00 Uhr im Liveticker) wird er dennoch mit Argusaugen beobachtet werden. Der Nationalspieler steht am Scheideweg seiner Karriere.
München - So haben die Arsenal-Anhänger Mesut Özil seit Anfang Dezember nicht mehr gesehen: Im FA-Cup-Viertelfinale erzielte der Spielmacher beim 4:1-Sieg gegen den FC Everton den Führungstreffer und beendete damit seine Torflaute. Der Treffer wirkte befreiend und wie ein Pflaster, das allerdings noch zu klein ist, um die Wunde, die vor wenigen Wochen entstanden ist, ganz zu überdecken.
Rückblick: Im Emirates-Stadium läuft die neunte Minute des Achtelfinal-Hinspiels zwischen dem FC Arsenal und dem FC Bayern München. Es gibt Elfmeter für die Gastgeber. Der gefoulte Özil schaut kurz in den Himmel und schnappt sich den Ball. Er sieht die Chance, es all seinen Kritikern mit einem einzigen Schuss zu zeigen. Zu zeigen, dass er auch in den großen Spielen große Leistungen abrufen kann.
Denn diese Eigenschaft wurde dem gebürtigen Gelsenkirchener nach dem 1:5-Debakel gegen den FC Liverpool abgesprochen. "Özil ist einer der besten Spieler der Welt, wenn seine Mannschaft 2:0 führt, aber wenn es andersherum steht, sollte man ihn besser nicht im Team haben", schrieb der "Independent". Der Druck auf den 50-Millionen-Euro-Mann wächst. Und das merkt man ihm an. Vor allem in der ominösen neunten Minute.
Erwartungen sind gestiegen
Ein langer Blick zum Schiedsrichter, ein zögerlicher Anlauf und dann ist es passiert. Özils harmloser und unplatzierter Schuss mit der linken Innenseite wird von Bayern-Keeper Manuel Neuer problemlos pariert. Der Anfang vom Ende für die Gunners. Das weiß auch Özil, der daraufhin seinen Ärger in den Londoner Nachthimmel schreit.
Die Erwartungen an den Offensivmann sind gestiegen. Fußballerisch ist er über jeden Zweifel erhaben, doch die Leute fordern mittlerweile, dass er sein Team anführt und wichtige Spiele mitentscheidet. Und zwar nicht nur in England, sondern auch in Deutschland. Bei seiner Auswechslung gegen Chile wurde der Mittelfeldmann ausgepfiffen. Dabei war es Özil, der das Siegtor durch Mario Götze vorbereitete. Ein kurzes Aufblitzen seiner Genialität scheint nicht mehr auszureichen.
Das mag auch an Äußerungen wie dieser von seinem aktuellen Coach Arsene Wenger liegen, der seinen Neuzugang mit dem großen Zinedine Zidane verglich: "Er trifft immer blitzschnell die richtigen Entscheidungen. Özil ist ein bisschen besser im Dribbling als Zidane. Sie strahlen eine ähnliche technische Leichtigkeit und Demut aus."
Ratschlag von Babbel
Doch da gibt es einen entscheidenden Unterschied: Der Franzose und dreimalige Weltfußballer war in den großen Spielen stets zur Stelle und entschied diese mit seiner Genialität fast im Alleingang. Davon ist Özil bislang noch weit entfernt. Sei es in den Clasicos mit Real Madrid gegen den FC Barcelona, mit der Nationalmannschaft im WM- und EM-Halbfinale gegen Spanien bzw. Italien oder auch im vergangenen Champions-League-Halbfinale gegen Borussia Dortmund.
Dabei bringt ihn vor allem seine aufreizend lässige Körperhaltung oftmals ins Fadenkreuz der Kritik, vor allem dann, wenn es nicht so rund läuft. Markus Babbel, der selbst jahrelang auf der Insel spielte, riet dem ehemaligen Real-Star, an seiner Körperspannung zu arbeiten, da diese in England sehr wichtig sei. Vielleicht wäre das eine erste Maßnahme zur Weiterentwicklung der Spielerpersönlichkeit.
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Zwei prominente Fürsprecher
Zwar wird Özil nicht mehr der große Leader werden, der seine Mitspieler auf dem Platz verbal mitreißt. Das entspräche nicht seinem Naturell. Aber: Wird er es schaffen, auch in den großen Spielen Verantwortung zu übernehmen? Wird er noch ein "go-to-guy" wie Cristiano Ronaldo oder Lionel Messi werden, die in engen Situationen die maßgeblichen Akzente setzen?
Den Mut, das Durchsetzungsvermögen und die Fähigkeiten zu einem großen Spieler besitzt er zweifelsohne. Mutig war er 2010, als er im Alter von 21 Jahren den Sprung zu Real Madrid wagte. Dort setzte er sich durch und entwickelte sich zum besten Vorlagengeber der Primera Division. Es kommt nicht von ungefähr, dass er in Jose Mourinho und Joachim Löw zwei prominente Fürsprecher besitzt: "Özil ist die beste Nummer 10 der Welt. Von ihm gibt es keine Kopie, nicht einmal eine schlechte", sagte der portugiesische Star-Trainer.
Auch der Bundestrainer ist weiter von seinem zentralen Mittelfeldmann überzeugt: "Ich habe hundertprozentiges Vertrauen in ihn. Er wird seine Form finden." Der erste kleine Schritt ist mit dem Tor gegen Everton gemacht, doch Özil muss nun dahin kommen, dass er auch in den wichtigen Spielen eine tragende Rolle einnimmt. Aller spätestens bei der WM in Brasilien.