DFB-Pokalfinale gegen RB Leipzig
Friedhelm Funkel exklusiv: "Der Anspruch bei Eintracht Frankfurt ist inzwischen ein ganz anderer"
- Aktualisiert: 03.06.2023
- 19:39 Uhr
- ran.de / Andreas Reiners
Der frühere Eintracht-Trainer Friedhelm Funkel spricht im ran-Interview darüber, warum Frankfurt gegen RB Leipzig (Samstag, ab 20:00 Uhr im Liveticker) den DFB-Pokal gewinnt, wie er die Trennung von Oliver Glasner sieht, wie der neue Trainer ticken muss und wie gefährlich die Situation für die Hessen ist.
Das Interview führte Andreas Reiners
Trainer Oliver Glasner will sich mit einem Titel von Eintracht Frankfurt verabschieden, er verlässt die Hessen nach dem DFB-Pokalfinale gegen RB Leipzig (Samstag, ab 20:00 Uhr im Liveticker). Danach wird es für die Hessen darum gehen, sich für die Zukunft aufzustellen.
Der frühere Eintracht-Coach Friedhelm Funkel spricht im ran-Interview darüber, warum Frankfurt den DFB-Pokal gewinnt, wie er die Trennung von Oliver Glasner sieht, wie der neue Trainer ticken muss und wie gefährlich die Situation für die Hessen ist.
ran: Friedhelm Funkel, warum gewinnt die Eintracht den DFB-Pokal?
Friedhelm Funkel: Weil sie Endspiele können. Sie haben in der Vergangenheit ein paar absolviert, auch viele K.o.-Spiele. Sie können sich auf die Spiele, bei denen es um alles oder nichts geht, unheimlich fokussieren. Und Oliver Glasner macht die Mannschaft nochmal besonders heiß, die dazu auch immer besonders motiviert ist. Dazu kommt die spezielle Unterstützung durch die Fans. Die sind ja auch immer sehr fantasievoll, um an Karten zu kommen. Das dürfte in Berlin auch der Fall sein.
ran: Warum kann die Mannschaft K.o.-Spiele? Was braucht man dafür?
Funkel: Dafür braucht man vor allem Erfahrung, und in den letzten Jahren haben sie immer sehr erfahrene Leute gehabt wie Kevin Trapp, Sebastian Rode oder Makoto Hasebe. Jetzt ist auch Mario Götze dabei. Dazu kommt der Mix mit jungen Spielern wie Randal Kolo Muani, der in der Lage ist, Spiele zu entscheiden. Das ist ein ganz wichtiger Faktor gegen die Leipziger, die aufgrund ihrer individuellen Stärken favorisiert sind. Trotzdem glaube ich, dass die Eintracht gewinnen wird.
ran: Worauf wird es gegen Leipzig ankommen?
Funkel: Torhüter Kevin Trapp muss mal wieder einen überragenden Tag erwischen. Und die Defensive muss gut stehen, denn Leipzig ist offensiv enorm stark. Die Eintracht muss defensiv und offensiv die richtige Mischung finden, um RB zu stoppen.
ran: Für Trainer Oliver Glasner wird es das letzte Spiel sein. Wie sehen Sie die Trennung?
Funkel: Ich glaube, dass sie vernünftig war. Es hat ja offenbar einige Querelen gegeben, einige Dinge, mit denen man auf beiden Seiten nicht einverstanden war. Da kam es zu Missverständnissen, die irgendwann wohl nicht mehr reparabel waren. Oliver kann aber hoch erhobenen Hauptes die Eintracht verlassen. Er hat vor allem in den Pokal-Wettbewerben tolle Dinge erreicht. Heribert Bruchhagen sagt heute noch, dass der Trainer die wichtigste Person im Verein ist. Dem kann ich nur zustimmen. Der Trainer muss mit einer Mannschaft das auf den Platz bringen, was sie an Potenzial bietet. Das hat Glasner gut gemacht.
ran: Es gibt immer wieder Berichte darüber, warum es zum Bruch kam. Hat sich Glasner etwas vorzuwerfen?
Funkel: Er wird in der einen oder anderen Situation sicher auch gedacht haben, dass er anders hätte reagieren können. Aber bei dem Weg, den er mit der Eintracht grundlegend gegangen ist, muss er sich keine Vorwürfe machen. Deshalb wird die nächste Entscheidung der Eintracht schwer und vor allem ganz, ganz wichtig sein: Einen Trainer zu finden, der so gut zur Eintracht passt wie Glasner, aber auch zuvor Niko Kovac oder Adi Hütter.
ran: Dino Toppmöller gilt als Top-Kandidat. Wäre er der geeignete Mann?
Funkel: Er ist noch relativ jung, er hat aber schon in der zweiten Reihe bei Julian Nagelsmann bei den Bayern viel lernen können. Und Cheftrainer war er in Düdelingen in Luxemburg auch bereits. Dass er in der ersten Reihe stehen kann, hat er also schon bewiesen. Es wäre für ihn eine sehr herausfordernde Aufgabe, aber ich denke, dass es eine gute Lösung wäre. Der Druck ist natürlich etwas ganz anderes als zum Beispiel in Luxemburg.
ran: Die Eintracht ist ein spezieller Klub. Was muss ein Trainer generell mitbringen?
Funkel: Er muss eine gewisse Empathie ausstrahlen. Er muss mit den Medien, die in Frankfurt manchmal nicht ganz so einfach sind, umgehen können. Dazu muss er ein gutes Verhältnis zu den Fans aufbauen und mit Konfliktsituationen umgehen können, die es in Frankfurt auch gerne mal gibt. Ein älterer Trainer hat da vielleicht einen Vorteil, weil er erfahrener ist. Denn Erfahrung ist eminent wichtig. Klar: Du musst als junger Trainer natürlich auch mal anfangen. Aber da ist es bei Traditionsklubs schwerer und ganz anders als bei Vereinen, die nicht so unter Druck stehen, permanent erfolgreich sein zu müssen. Das musste Julian Nagelsmann jetzt erfahren. Ihm hat am Ende ein Stück weit die Erfahrung gefehlt, um diese schwierige Situation bei den Bayern zu meistern. Ich glaube, dass er in zehn Jahren der perfekte Bayern-Trainer wäre.
ran: Toppmöller konnte sich bei den Bayern aber hinter Nagelsmann gut darauf vorbereiten, was Druck und Konfliktsituationen angeht…
Funkel: Ja, das ist kaum zu übertreffen, was da bei den Bayern in Sachen Druck und Konflikten los war. Wenn er die richtigen Lehren daraus gezogen hat, kann es schlimmer kaum noch kommen.
ran: Wie sollte der Klub generell die Zukunft angehen?
Funkel: Für die Eintracht muss es Standard sein, in den kommenden Jahren zu versuchen, unter die Top sechs zu kommen. Die Voraussetzungen dafür haben sie. Sie müssen jetzt den Weg der letzten Jahre weitergehen. Dafür brauchen sie auch das Quäntchen Glück, sowohl bei der Trainer-Verpflichtung, als auch bei der Verpflichtung von Spielern. Da haben sie in den vergangenen Jahren Überragendes geleistet und bei allem Fachwissen auch das Glück gehabt, dass viele Spieler einschlugen. Das war fast immer der Weg zum Erfolg. Der Anspruch in Frankfurt ist inzwischen ein ganz anderer geworden. Champions League ist eine Zugabe, aber europäisch zu spielen ist der Anspruch, den die Öffentlichkeit, die Fans und auch die Eintracht an sich selbst hat.
ran: Wie gefährlich ist die Situation für die Eintracht? Das ist alles schließlich kein Selbstläufer.
Funkel: Das ist immer gefährlich. Wenn es mal ein Jahr mit Platz acht, neun oder zehn geben sollte, muss man als Klub sehr, sehr stabil sein, damit keine Unruhe aufkommt und damit man so ein Jahr mal auffangen kann. Aber die letzten Jahre haben gezeigt, dass die Eintracht zu den Top sechs gehört, das haben sie sich verdient.
ran: Die Frankfurter sind dabei auch das, was andere Klubs gerne wären, Borussia Mönchengladbach zum Beispiel. Was hat die Eintracht diesen Vereinen voraus?
Funkel: Sie waren stabiler und erfolgreicher, auch auf dem Transfermarkt. Gladbach ist ein Beispiel, das man nehmen kann, wie schnell Unruhe entstehen kann, wenn es mal nicht so läuft. Da habe ich geglaubt, dass der Klub stabiler ist. Das ist ein warnendes Beispiel, wie wichtig Ruhe im Verein ist. Union Berlin und der SC Freiburg sind zum Beispiel so erfolgreich, weil Ruhe herrscht und sie Ansprüche haben, die nicht so hoch sind wie in Frankfurt und Gladbach, sie es aber trotzdem schaffen. Da wird auch nie so schnell Unruhe aufkommen. Das geht immer oben los: Man muss in der Führungsspitze Ruhe bewahren. Wenn man das als Mannschaft sieht, dann kann man auch Situationen überstehen, die brenzlig werden können. Heißt also: Stabilität nicht nur im Erfolgsfall zeigen, sondern auch dann, wenn es mal nicht läuft.