EM: Was bedeutet das "Packing"?
Neues Analyse-Tool: Was bedeutet eigentlich dieses "Packing"?
- Aktualisiert: 15.06.2016
- 15:34 Uhr
- Andreas Reiners
Es kam praktisch aus dem Nichts. Seit dem EM-Auftaktspiel ist das Analyse-Tool "Packing" in aller Munde. Was steckt dahinter? ran.de beantwortet die wichtigsten Fragen.
München - Jerome Boateng hatte überhaupt keine Ahnung. Packing? Nie gehört. Überspielte Gegner? Was soll das sein? Der deutsche Abwehrchef konnte mit diesen Begriffen nicht viel anfangen. "Ich weiß nicht, was das ist. Aber schön, dass ich Zweiter bin", sagte Boateng.
Dabei arbeitet selbst das DFB-Team mit diesen Werten. Doch was ist dieses "Packing" eigentlich? ran.de klärt auf:
Wo kommt Packing plötzlich her? Ex-Profi Stefan Reinartz und Jens Hegeler von Hertha BSC haben gemeinsam die Firma "Impect" gegründet, die die neue Technik entwickelt hat und Daten sammelt und aufbereitet. Mit den Zahlen füttern die beiden Jung-Unternehmer zum Beispiel Fernsehsender, aber auch die Nationalmannschaft sowie Bayer Leverkusen und Borussia Dortmund.
Wie kamen Reinartz und Hegeler auf die Idee? Statistiken wie Ballbesitz, Torschüsse oder Ecken gibt es schon länger, doch gehen sie nicht immer logisch mit dem Spielausgang einher. Beim WM-Halbfinale 2014 war zum Beispiel Brasilien in allen Statistiken vorne, verlor gegen Deutschland aber 1:7. In der Nachbetrachtung hatte Brasilien in 90 Minuten 341 Gegenspieler (53 Verteidiger) überspielt, Deutschland 402 (84 Verteidiger).
Was wird nun genau gemessen? Die neue Methode soll vereinfacht gesagt die Qualität und Effektivität der Pässe während eines Spiels messen. Die Summe der erfolgreichen Pässe und dadurch überspielten Gegner ergibt unter dem Strich die "Packing-Rate". Ausschlaggebend ist, wie viele Spieler nach einem Pass überspielt und damit aus dem Spiel genommen, also "gepackt" wurden.
Gezählt werden Vertikalpässe, Diagonalbälle oder Dribblings. Wichtig dabei: "Für uns ist eine Aktion nur dann effektiv, wenn der Mitspieler den Ball sicher verarbeiten konnte", heißt es bei Impect. Daneben gibt es auch noch den sogenannten "Impect-Wert", der gesondert ermittelt wird. Er misst das Überspielen der Verteidiger, also der letzten sechs Spieler inklusive Torwart.
Was bedeutet das konkret? Toni Kroos war beim EM-Auftaktspiel gegen die Ukraine einer der besten deutschen Spieler. Nicht nur für das Auge der Experten oder der Fans, sondern auch untermauert durch Daten. Der Mittelfeldmann kam auf 112 überspielte Gegner. Wer sich erinnert: Sein Pass in die Tiefe auf Sami Khedira in der ersten Halbzeit nahm immerhin neun Ukrainer auf einmal aus dem Spiel.
Aus der Packing-Methode ergeben sich automatisch noch weitere Messmöglichkeiten, wie zum Beispiel die "Anspielstation". Hier werden die überspielten Gegner auch dem Passempfänger zugeordnet. Oder aber der Ballgewinn in der Offensive, der ebenfalls Spieler aus dem Spiel nimmt. Diese ganzen Zahlen sollen Aufschluss darüber geben, warum ein Spiel so ausging wie es ausging.
Gibt es Schwächen? Klar, jedes System hat Schwächen, die eine Wahrheit gibt es im Fußball sowieso nicht. So werden Querpässe bekanntlich nicht gezählt, können aber entscheidend als Vorbereitung eines einen anschließenden Passes sein, der eine hohe Packing-Rate erzielt. In der Natur des Spiels liegt es natürlich auch, dass Verteidiger oder Mittelfeldspieler eine höhere Packing-Rate haben als Stürmer. Und auf die Treffsicherheit kommt es schließlich an, da helfen dann auch die besten Packing-Werte nichts, wenn es an der Effizienz mangelt.
Und dass eine starke Quote nicht immer belohnt wird, ist auch schon belegt. In drei Kategorien lag ein deutscher Spieler in der abgelaufenen Bundesliga-Saison vorne: Lars Stindl von Borussia Mönchengladbach. Zur EM hat es der Mittelfeldspieler allerdings nicht geschafft.
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