Anzeige

Weltmeister Deutschland hat den Alltags-Blues

  • Aktualisiert: 08.09.2014
  • 14:39 Uhr
  • SID
Article Image Media
© getty

Die deutschen WM-Helden sind noch nicht in Weltmeister-Form. Der Bundestrainer mahnt zur Geduld. Richtig Sorgen macht aber die lange Verletzten-Liste.

Grauer Alltag statt Weltmeister-Glanz dürfte für den Rest des Jahres mit noch drei Qualifikationsspielen und dem Test bei Weltmeister-Vorgänger Spanien anstehen. Auf dem Selbstfindungstrip bis zur EM 2016 wird von den bei der WM so erfolgreichen Automatismen (zunächst) fast keiner mehr greifen. Sich quälen für den Anlauf zum nächsten Titel wird die Devise lauten, und Löw wird erstaunlich viele Baustellen zu schließen haben.

Schon im Vorfeld hatte der Bundestrainer angekündigt, dass "uns die Nachwehen der WM noch eine Weile begleiten werden". Selbst im fußballbegeisterten Dortmund blieben schließlich 5000 Plätze frei, die große Party auf den Rängen feierten die 6000 Schotten. Doch noch kippt die Stimmung im Lande des Weltmeisters nicht.

Anzeige
Anzeige

Publikum feiert Götze

Löws Bitte um Fairness gegenüber seinen Spielern wurde jedenfalls erhört. Als einige BVB-Fans den bei ihnen in Ungnade gefallenen Final-Helden Mario Götze auspfiffen, kämpfte der Rest des Stadions umgehend mit "Mario Götze"-Gesängen an - und gewann. Für den glücklichen Sieg gegen die seit 1998 bei keinem Turnier vertretenen Bravehearts wurde die DFB-Elf gefeiert. Die Botschaft "Hauptsache gewonnen" scheint angekommen zu sein. 

"Die drei Punkte waren meine einzige Erwartung an die Mannschaft", sagte Löw. Tiefer kann man die Ansprüche knapp zwei Monate nach dem WM-Titel kaum schrauben. Dass viele seiner Spieler mental und/oder körperlich in ein Loch gefallen zu sein scheinen, macht dem Bundestrainer noch "kein Kopfzerbrechen, weil ich weiß, dass wir es hinbekommen, wenn es drauf ankommt. Wir sind jetzt genau in der Phase der Vorbereitung, wo erfahrungsgemäß die Müdigkeit kommt. Im Oktober werden die Spieler wieder frischer sein".

Anzeige
Anzeige

Verletzungen bereiten Kopfzerbrechen

Mehr Sorge bereitet ihm langfristig die Vielzahl von Verletzten, von denen "einige wohl länger fehlen werden". Bei gleich drei zentralen Mittelfeldspielern - dem neuen Kapitän Bastian Schweinsteiger, Sami Khedira und Ilkay Gündogan - ist der Zeitpunkt der Rückkehr ungewiss. Zudem verletzte sich Marco Reus am Sonntag erneut, wenn auch offenbar nicht so schwer wie vor der WM. Darüber hinaus haben die Rücktritte von Kapitän und Rechtsverteidiger Philipp Lahm und Rekordtorschütze Miroslav Klose neue Lücken gerissen.

Im Sturm nahm Löw den vier Tage zuvor gegen Argentinien (2:4) gnadenlos ausgepfiffenen und noch nicht fitten Mario Gomez 90 Minuten aus der Schusslinie. Einzige Alternative ist jedoch die "falsche Neun", die Götze jedoch (erneut) wenig überzeugend verkörperte.

Externer Inhalt

Dieser Inhalt stammt von externen Anbietern wie Facebook, Instagram oder Youtube. Aktiviere bitte Personalisierte Anzeigen und Inhalte sowie Anbieter außerhalb des CMP Standards, um diese Inhalte anzuzeigen.

Dreierkette keine Option

Noch größer ist die Ratlosigkeit auf den defensiven Außenbahnen. Eine Dreierkette, wie von Bayern München unter Pep Guardiola praktiziert, gehe ihm "seit längerer Zeit durch den Kopf", verriet Löw - legte sie aber wieder zu den Akten, weil "sie bei unseren Spielern nicht einfach hinzukriegen ist".

Den gegen Argentinien noch hinten rechts eingesetzten Großkreutz sieht Löw nun offenbar schon nicht mehr als Alternative, "weil er das in Dortmund "wohl nicht mehr spielen wird". Dafür schaffte es Sebastian Rudy nach einem kurzen Trainings-Test in die Startelf, gefiel offensiv, offenbarte defensiv aber riesige Schwächen. Oliver Sorg (Freiburg) und Antonio Rüdiger (Stuttgart) heißen derzeit die Alternativen. Links hofft Löw, dass sich Erik Durm festspielt, grenzenlos scheint sein Vertrauen in den 22-Jährigen aber nicht.

Doch zum Glück gibt es Thomas Müller. Der zweitbeste Spieler und zweitbeste Torschütze der WM rettete das DFB-Team mit seinen zwei Treffern (18./70.) bei einem Gegentor von Ikechi Anya (66.) fast im Alleingang. Schotten-Teammanager Gordon Strachan gestand seinen Spielern sogar zu, dass die Tore "nicht zu vermeiden waren. Müller ist einfach eine Maschine, er springt 2,50 m hoch". Auch Löw weiß, was er an dem 24-Jährigen hat. "Verblüffen kann er mich nicht mehr", sagte der Bundestrainer schmunzelnd: "Er ist immer da, wo es brennt und wo man sein muss." Neben Torhüter Manuel Neuer wenigstens eine verlässliche Größe für den möglicherweise grauen und beschwerlichen Herbst der Weltmeister.