DFB-Team: Gewinner und Verlierer der Testspiele
"Experimentieren und Ausprobieren"
Zehn Tage hatte Hansi Flick seinen ersten DFB-Kader des Jahres 2023 nun um sich. Der Bundestrainer hatte die erste Maßnahme nach der verkorksten WM unter das Motto "Experimentieren und Ausprobieren" gestellt.
Ein Sieg, eine Niederlage
Einen Sieg (2:0 gegen Peru) und eine Niederlage (2:3 gegen Belgien) spielte die wild zusammengewürfelte Mannschaft voller Neulinge – von denen nur der Dortmunder Marius Wolf wirklich massig Spielzeit erhielt - ein.
Gewinner und Verlierer
Für Flick standen defensive Stabilität und die Gewöhnung an das ungewohnte System mit zwei Stürmern im Mittelpunkt. Beides funktionierte mal mehr, mal weniger gut. Auch auf Spielerseite gab es Licht und Schatten. ran zeigt die Gewinner und Verlierer der Länderspiele.
Gewinner: Emre Can
Wenn es einen wirklichen Gewinner gab, dann den Dortmunder. Der 29-Jährige feiert eine extrem starke Rückkehr in den Kreis der Nationalmannschaft, nachdem er im WM-Jahr gar nicht berücksichtigt worden war. Als Stabilisator, Aggressive-Leader und Mentalitätsspieler überzeugte Can. Auch im Spielaufbau präsentierte er sich in guter Verfassung. Der BVB-Star konservierte seine Top-Form aus der Bundesliga ohne Probleme und dürfte Leon Goretzka fürs Erste den Rang abgelaufen haben.
Gewinner: Niclas Füllkrug
Zwei Tore gegen Peru, eins gegen Belgien. Insgesamt nun sechs Treffer in sechs Länderspielen. Der Bremer hat sich im Handumdrehen zum Gesicht des neuen DFB-Teams aufgeschwungen. "Solche Diskussionen nehme ich gar nicht wahr", wehrte er ab, als er darauf angesprochen wurde. Trotzdem dürfte dem 30-Jährigen gefallen, wie unumstritten er nur vier Monate nach seinem Debüt schon ist. Grund dafür sind nicht nur seine sportlich herausragenden Leistungen. "Lücke" geht voran. Nach jedem Spiel stellte er sich und stand ausführlich Rede und Antwort. Seine direkte, trockene Art kommt an. Nicht nur bei den Fans. Auch Flick scheint großer Fan zu sein.
Gewinner: Serge Gnabry
Die Form des Bayern-Stars war in den vergangenen Wochen und Monaten nicht die beste. Trotzdem berief ihn Flick – und wurde belohnt. Nachdem Gnabry gegen Peru über weite Strecken noch blass geblieben war, dreht er – besonders in der Schlussphase – gegen Belgien auf. Sein tolles Solo "war allein das Eintrittsgeld wert", wie "RTL"-Experte und Ex-Nationalspieler Steffen Freund begeistert kommentierte. Am Ende belohnte sich der 27-Jährige mit seinem 22. Länderspieltor. Chance genutzt. Nun gilt es, diese Form zu konservieren.
Gewinner: Marius Wolf
Der Dortmunder wurde für seine starke Form in den vergangenen Wochen belohnt und fand sich plötzlich als rechter Schienenspieler im deutschen Aufgebot wieder. Bekam in beiden Partien das Vertrauen und spielte von Beginn an. In seinem ersten Länderspiel gegen Peru überzeugte er auf ganzer Linie, legte sogar eins der beiden Füllkrug-Tore auf. Obendrauf gab's ein Lob vom Chef. In Belgiens Angriffswirbel verlor er dann mehr als einmal den Kopf und offenbarte Schwächen im Stellungsspiel und Zweikampfverhalten. Daran muss er arbeiten. Dennoch dürfte er ab sofort fester Bestandteil des Kaders sein.
Gewinner: Kevin Schade und Lukas Nmecha
Die beiden Jungstars kamen jeweils zu ihren Debüts und machten mit ihrer Unbekümmertheit Eindruck. Schade legte gegen Belgien das späte 2:3 auf, der Wolfsburger Nmecha riss im Verbund mit Can sogar das gesamte Spiel an sich, dirigierte, grätschte und sorgte für eine neue Temperatur auf dem Platz. Beide dürfen wiederkommen.
Gewinner: Leroy Sane, Jamal Musiala, Niklas Süle, Antonio Rüdiger und Co.
Keiner der alteingesessenen Kräfte war beim Länderspiel-Doppelpack mit von der Partie. Sie machten Platz für die Experimentier-Personalien des Bundestrainers oder mussten verletzt passen. Wirklich Sorgen um einen Platz im EM-Kader muss sich – Stand jetzt – aber niemand machen. Besonders Rüdiger und Musiala wurden schmerzlich vermisst. Flick weiß nun definitiv, was er an ihnen hat. Vermutlich aber war das auch schon vorher der Fall.
Verlierer: Florian Wirtz
Der Leverkusener soll auf lange Sicht gemeinsam mit Musiala zum Gesicht und Highlightspieler der deutschen Mannschaft werden. Derzeit kann er diesen Auftrag noch nicht ausfüllen. Nach dessen langer Verletzungspause wollte Flick das Supertalent offensichtlich mit aller Macht wieder integrieren – auch auf dem Platz. Das allerdings ging gründlich schief. Nach schwachem Auftritt gegen Peru hatte der Bundestrainer gegen Belgien schon nach einer halben Stunde genug gesehen. Völlig wirkungslos und ohne Bindung war der 19-Jährige geblieben. "Es ist halt so, er hatte heute nicht seinen besten Tag. Da muss er auch durch. Aber er ist so gut. Ich glaube, das spornt ihn eher noch an", meinte Flick. Nicht nur er hofft auf eine Trotzreaktion.
Verlierer: Joshua Kimmich
Es waren keine einfachen Tage für den Bayern-Star, der Deutschland in beiden Spielen erstmals als Kapitän aufs Feld führte. Seinen eigenen Anspruch konnte Kimmich aber besonders in der zweiten Partie nicht erfüllen, als er von Belgiens Superstar-Offensive um Kevin De Bruyne teilweise am Nasenring durch die Arena geführt wurde. "Das war ganz schlimm", befand er selbst. Sorgen um seinen Stammplatz und Status wird Kimmich sich aller Voraussicht nach dennoch nicht machen müssen. Genau wie im Verein, wo der 28-Jährige nach seiner Rückkehr auf Thomas Tuchel treffen wird. Sein Vertrauter Julian Nagelsmann wurde beurlaubt, während Kimmich unterwegs war. Wie gesagt, keine einfachen Tage.
Verlierer: David Raum
14 Flanken schlug der Leipziger in den beiden Testspielen, exakt zwei fanden einen Mitspieler. Diese Statistik sagt eigentlich schon alles über die offensive Darbietung Raums. Bemüht aber komplett glücklos präsentierte er sich. Hinzu kamen defensive Schwächen, besonders gegen überdurchschnittlich starke Belgier. Weil aber auch Linksverteidiger-Konkurrent Christian Günter kein wirkliches Upgrade bietet, dürfte es nicht überraschen, sollte der Bundestrainer in naher Zukunft weiter casten und Frankfurts Philipp Max einladen.
Verlierer: Thilo Kehrer
Der ehemalige Schalker war des Bundestrainers erste Wahl als Ersatz für den verletzten Nico Schlotterbeck. So erhielt der 26-Jährige gegen Peru ein paar Minuten Spielzeit, als der Dortmunder verletzt runter musste und ersetzte ihn gegen Belgien komplett. Nutzen konnte er diese Chance nicht. Gegen starke Belgier stand er weitestgehend auf verlorenem Posten. Wenn Antonio Rüdiger und Niklas Süle in den Kader zurückkehren, rückt der Mann von West Ham United ins dritte Glied zurück – jedenfalls in der Innenverteidigerhierachie.
Verlierer: Leon Goretzka
Ebenso wie Kimmich äußerte auch Goretzka leise Kritik an der Demission des eigenen Vereinstrainers. Die Vorgänge in München schienen den Mittelfeldspieler zu beschäftigen, denn sportlich erreichte der nun 50-fache Nationalspieler nicht das von ihm erwartete Niveau. Viel Stückwerk, kaum Automatismen. Goretzka konnte keine Eigenwerbung betreiben, ganz im Gegenteil zu seinem Konkurrenten Can. Zu allem Überfluss verletzte er sich und muss hoffen, bis zum Spitzenspiel gegen den BVB wieder fit zu sein.