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FIFA Klub-WM: Europas Arroganz im Fußball rächt sich bitter - ein Kommentar
- Veröffentlicht: 21.06.2025
- 10:55 Uhr
- Chris Lugert
Europa hält sich für den Nabel der Fußballwelt, muss bei der FIFA Klub-WM aber auf schmerzhafte Weise lernen, dass auch Vereine von anderen Kontinenten kicken können. Darin liegt auch eine Chance für den neuen Wettbewerb. Ein Kommentar.
Von Chris Lugert
Vor dem Start der FIFA Klub-WM war der Tenor eigentlich klar.
Europas Teams machen den Titelgewinn unter sich aus, die Vereine der anderen Kontinente sind bestenfalls Statisten, denen es Real Madrid, Manchester City und Co. voller Güte gestatten, mitzuspielen und sich im Glanz zu sonnen.
Rein sportlich ist dagegen auch nichts zu sagen, denn die besten Spieler der Welt spielen in Europa. Dort gibt es das große Geld zu verdienen. Doch beim Blick auf die Kader der europäischen Topteams zeigt sich schnell eine Bandbreite an Spielern aus aller Welt. Talente gibt es überall, nicht nur in Europa. Der alte Kontinent hat schlicht die Mittel, zuzugreifen.
Insofern war die Arroganz, mit der Europa teilweise auf die Klub-WM blickte, schon überraschend. Man bekam den Eindruck, das ganze Geld sei gleichbedeutend mit der alleinigen Entscheidungsgewalt über den Weltfußball. Doch die UEFA hat - inklusive des derzeit suspendierten Russlands - nur 55 Verbände. Die FIFA hingegen besteht aus 211 Verbänden.
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Als die FIFA mit Präsident Gianni Infantino die Reform der Klub-WM beschloss, kam die größte Kritik wie immer aus Europa. Zu viele Spiele seien es, das Turnier zu unwichtig, und überhaupt seien die Leistungsunterschiede zu groß. Subtext: Europa hat es gar nicht nötig, überhaupt daran teilzunehmen.
Insofern waren die ersten Tage des Turniers eine Wohltat.
Europas Topklubs stolpern reihenweise
Paris Saint-Germain verliert gegen Botafogo, der FC Chelsea gegen Flamengo, der FC Porto unterliegt Inter Miami, Real Madrid kommt gegen Al-Hilal nicht über ein Remis hinaus, Borussia Dortmund quält sich zu einem 0:0 gegen Fluminense, Inter Mailand spielt nur 1:1 gegen Monterrey - wer das als Kombi gewettet hat, kann sich entspannt zur Ruhe setzen.
Auch in anderen Ländern wird ordentlicher Fußball gespielt. All das Geld, das Europas Topklubs in den Orbit blasen, ändert nichts daran, dass auf beiden Seiten elf Spieler stehen. Und sieht man einmal vom Amateurklub Auckland City ab, ist bislang kein Klub den Nachweis seiner Tauglichkeit für diesen Wettbewerb schuldig geblieben.
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Für die Klub-WM an sich sind das gute Nachrichten. Die Bilder der zum Teil fast völlig leeren Stadien waren für die FIFA peinlich, doch das Geschehen auf dem Rasen ist eine Entschädigung dafür.
Und gerade die südamerikanischen Klubs mit ihren emotionalen Fanlagern sind eine Bereicherung. Sie vermitteln eine Leidenschaft, die gerade die Europäer immer mehr vermissen lassen.
Denn während der FIFA Geldgeilheit und eine Überkommerzialisierung des Fußballs vorgeworfen wird, macht Europa in dieser Hinsicht keiner etwas vor. Die Champions League als Gelddruckmaschine, Ablösesummen in absurden Dimensionen, Gehälter, Berater, TV-Rechte - längst ist der Fußball nur noch eine Ware.
Das aber liegt nicht an der FIFA, sondern an Europa. Dort fing das Treiben an, das sich wie ein Virus ausgebreitet hat.
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Klub-WM als nette Abwechslung
Die Klub-WM hingegen zeigt, dass es auch noch anders geht. Wer die Fans der Boca Juniors sieht und hört, wird daran erinnert, was den Fußball tatsächlich einmal ausgemacht hat: Menschen, die mit Feuereifer hinter ihrem Klub stehen. Und diese Emotionen den Zuschauern weltweit transportieren. Wie oft sieht man diese Bilder in der Champions League?
Es ist aus europäischer Sicht verständlich, dass man die Klub-WM kritisch sieht, doch die Motive sind entscheidend. Geht es wirklich um eine Mehrbelastung der Klubs? Oder befürchtet man eine Konkurrenz zur eigenen Champions League als Premiumprodukt des internationalen Vereinsfußballs? Denn nichts Geringeres als das soll die Klub-WM laut FIFA sein.
Europa mag nicht verstehen, warum es einen Mehrwert bringen soll, plötzlich gegen Klubs aus aller Welt spielen zu müssen. Die umgekehrte Betrachtungsweise ist die richtige. Den Klubs aus Amerika, Afrika oder Asien bringt es einen enormen Mehrwert, sich mit Europas Elite messen zu dürfen. Um sich selbst weiterzuentwickeln.
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Die Klub-WM ist dahingehend ein Durchbruch für ein kränkelndes System. Sie wird die europäische Hegemonie nicht brechen, aber anderen Kontinenten helfen.
Der Wettbewerb wird sich auf Dauer durchsetzen, Brasilien hat bereits Interesse angemeldet, die Auflage 2029 ausrichten zu wollen. In einem derart fußballverrückten Land wären die Stadien vermutlich auch voller als in den USA.
Europa nicht mehr der Mittelpunkt der Welt
Die FIFA und ihr Präsident Infantino haben die Aufgabe, den weltweiten Fußball unter Berücksichtigung möglichst aller Interessen voranzubringen. Gerade die Personalie des Schweizers steht aber sinnbildlich dafür, wie weit sich Europa vom Rest der Fußballwelt bereits entkoppelt hat. Hier ist er das Böse schlechthin, die Mehrheit der Fußballwelt feiert ihn allerdings.
Doch im Jahr 2025 spielt Europa nicht mehr die erste Geige - geopolitisch nicht und auch im Fußball muss der Kontinent erkennen, dass er nicht mehr das Monopol auf alle Entscheidungen besitzt. Es wäre allen Europäern - Fanvertretern, Journalisten, Vereinsoffiziellen - zu wünschen, dass sie von ihrem Thron herabsteigen und diesen Fakt anerkennen.
Die Ergebnisse haben es bereits gezeigt.