Rückkehr in die Bundesliga deutet sich an
Abschied von Paris Saint-Germain? Ein nötiges Übel für Julian Draxler
- Aktualisiert: 10.09.2020
- 11:34 Uhr
- ran.de
Julian Draxler fühlt sich pudelwohl in Paris - doch sportlich hat er bei PSG keine Zukunft. Sein nächster Klub könnte gewaltigen Einfluss auf den Fortgang seiner Karriere haben.
München/Paris - Julian Draxler lebte gerade einmal drei Monate in Paris, da wurde er in einem Interview von "Le Parisien" nach einem gewissen Kylian Mbappe gefragt, und ob er Tipps für diesen jungen Stürmer habe, der bis dahin einen ähnlichen Lebenslauf wie der junge Draxler vorweisen konnte.
Liga-Debüt mit 17, erster Auftritt in der Nationalmannschaft mit 18.
Draxler sah sich nicht in der Rolle, Ratschläge zu verteilen, er sei selbst zu jung. Doch er sprach damals etwas aus, was ihn heute noch begleitet. "Wenn du so früh anfängst zu spielen und Leistung zu bringen, ist es am schwierigsten, die ständigen Erwartungen der Leute zu bewältigen."
PSG-Sportdirektor will Draxler wohl loswerden
Drei Jahre später kann man sagen, Mbappe hat jegliche Ansprüche erfüllt, manche sogar übertroffen. Draxler hat er längst überholt.
Nach einem furiosen Start im Trikot von Paris Saint-Germain und anschließend zwei ordentlichen Saisons an der Seine hat Draxler eine Spielzeit mit nur elf Liga-Einsätzen hinter sich. Sieben Mal stand er in der Startelf. An diesen enttäuschenden Statistiken tragen zum einen Verletzungsprobleme ihre Schuld, aber auch die schillernde Konkurrenz um Mbappe, Neymar und Angel Di Maria.
Im System von PSG-Trainer Thomas Tuchel ging Draxler im zweiten gemeinsamen Jahr in Paris immer mehr unter. Stand immer im Schatten der großen Offensivkünstler. In Paris erwarten sie jetzt nur noch eins von ihm: dass er sich einen neuen Verein sucht.
Zumindest soll das laut "L'Equipe" der Wille von Sportdirektor Leonardo sein. "Alle Klubs müssen verkaufen, um kaufen zu können", sagte der Kaderbauer bei "Canal Football Club".
Externer Inhalt
Selbst Förder Löw rät zum Wechsel
Der Klub würde sich das fürstliche monatliche Gehalt von 600.000 Euro sparen. Das Problem von Leonardo: Draxler mag Paris - und mit Sicherheit auch sein Gehalt.
Sehr schnell hatte sich der Mittelfeldspieler nach seinem Wechsel aus Wolfsburg Französisch angeeignet. Diese modebewusste Stadt und Draxler, der schon auf dem Cover der russischen Vogue war und sich vor einem Spiel einen Spritzer Parfüm als Glücksbringer gönnt, das passt sehr gut zusammen.
Auch Joachim Löw mag das süße Leben, allerdings bei Cabrio-Fahrten durch den Schwarzwald ausgelebt. Der Bundestrainer ist ein Fan von Draxler, durch Dick und Dünn nominierte er den Mittelfeldspieler. Seine mahnende Worte wiegen deswegen umso schwerer. Während der Länderspielpause sprach er mit Draxler und riet ihm zum Wechsel.
"Es wäre wichtig, einen Schritt zu machen, wo er regelmäßig spielt", sagte Löw. "Für Julian wäre es gut, wenn er Woche für Woche im Einsatz ist." Auch um seinen Platz im DFB-Team zu behalten. "Neymar, Mbappe – Thomas Tuchel setzt logischerweise auf diese Spieler."
Der Schritt weg von PSG würde Draxler "wahrscheinlich entscheidend helfen", meint Löw.
Draxler ist wählerisch
Löws Rat wirkt schlüssig, die Konkurrenz in Paris wird künftig nicht weniger schwach sein. Das aus Katar finanzierte Konstrukt dürfte sich nach dem Erreichen des Champions-League-Finals in seinem Weg bestätigt fühlen.
Zum erreichen des Endspiels steuerte Draxler wenig bei, nur 65 Minuten spielte er in der Königsklasse. Trotzdem sind Draxlers Ansprüche hoch, was einen möglichen Vereinswechsel angeht. Sportlich und finanziell soll es schon passen. Wer einmal Pariser Haute Couture getragen hat, gibt sich ungern mit weniger zufrieden.
Mehrere Anfragen aus der Premier League konnten den deutschen Nationalspieler laut "L'Equipe" nicht überzeugen, keines kam von einem der besten sechs Klub. Auch der AC Mailand soll schon abgeblitzt sein.
In Deutschland wird Hertha BSC und Bayer Leverkusen Interesse an Draxlers Diensten nachgesagt. Doch können Renommee und Portemonnaies überzeugen? "Es hilft uns nicht, wenn weiter jeden Tag diskutiert wird", wehrte Herthas Geschäftsführer Michael Preetz die Gerüchte ab, "wir versuchen, unsere Arbeit zu machen."
Draxlers Fähigkeiten sind unbestritten
Leverkusen könnte sich Draxler, dessen Vertrag im nächsten Sommer ausläuft, dank der Havertz-Millionen leisten - laut "Le10Sport" stellt sich PSG ein Ablöse von 20 Millionen Euro vor.
Sport-Geschäftsführer Rudi Völler gab sich noch zurückhaltend zu den Gerüchten:"Es ist klar, wie so etwas zustande kommt. Er hat gerade zwei Länderspiele gemacht, hat in Paris noch ein Jahr Vertrag, spielt nicht so oft, wie er gern würde, und der Bundestrainer rät ihm, den Verein zu wechseln."
Eine weitere Frage ist: Will Draxler überhaupt zurück nach Deutschland? Seine Fähigkeiten würden so manchen Bundesligisten schmücken, doch bei den vier Champions-League-Teilnehmern passt er wohl kaum ins Gehalts- bzw. Taktikkonzept.
In einem normalen Markt wäre PSG Draxler wohl längst losgeworden. Nun bleibt die Frage, ob sich in der der Corona-gebeutelten Branche ein Käufer findet. Mit 26 ist Draxler im besten Fußballalter, kann sich noch weiterentwickeln. Eingebunden in eine Mannschaft, die nicht mit den Egos von Mbappe und Neymar ausgefüllt ist, könnte er wieder aufblühen. Seine technischen Fähigkeiten, sein Dribbling, die Dynamik sind unbestritten.
Allerdings muss er den nächsten Schritt hin machen zum spielbestimmenden Spieler, wenn er nicht das Anhängsel "ewiges Talent" vor sich hertragen will. Es wird kein bequemer Schritt, doch es ist ein nötiges Übel, seine Komfortzone zu verlassen.
Der Nationalspieler tut gut daran, wählerisch zu sein. Der nächste Klub könnte einen gewaltigen Einfluss auf den Fortgang seiner Karriere haben.
Tim Brack
Du willst die wichtigsten Fußball-News, Videos und Daten direkt auf Deinem Smartphone? Dann hole Dir die neue ran-App mit Push-Nachrichten für die wichtigsten News Deiner Lieblings-Sportart. Erhältlich im App-Store für Apple und Android.