• Darts
  • Tennis
  • Alle Sportarten

Anzeige
Anzeige

ranSicht zu Mesut Özil: Viel Wahrheit, aber auch einige Fehler

  • Aktualisiert: 23.07.2018
  • 13:22 Uhr
  • ran.de / Julian Reusch
Article Image Media
© Getty Images
Anzeige

Mesut Özil ist nicht nur aus der Nationalmannschaft zurückgetreten, er erhebt auch schwere Vorwürfe gegen den DFB, die Medien und am Ende auch die Fans. Viele Ansichten teilt unser Redakteur Julian Reusch, doch in einigen Aussagen liegt der Mittelfeldspieler seiner Meinung nach schlicht falsch.

München – Wut. Enttäuschung. Unverständnis. Aggression. Von allem ein bisschen schwingt bei seiner emotionalen Statement-Trilogie mit, an deren Ende Mesut Özil nicht nur aus der Nationalmannschaft zurückgetreten ist, sondern auch schwere Vorwürfe gegen DFB-Präsident Reinhard Grindel, Medien, Sponsoren und Fans erhebt.

Er verspüre ein Gefühl von Rassismus und Respektlosigkeit, heißt es unter anderem. Er sei allzu oft als Sündenbock hingestellt, seine Verdienste vergessen worden.

Anzeige
Die Chronologie in der "Erdogan-Affäre"
News

Özil tritt aus DFB-Team zurück & attackiert Grindel

Mesut Özil hat die Konsequenzen aus den Entwicklungen um seine Person gezogen und ist aus dem Nationalteam zurückgetreten. Das erklärt der Mittelfeldspieler via Twitter.

  • 22.07.2018
  • 22:43 Uhr

In vielen Punkten hat der 29-Jährige sicher recht. Bei ihm ging es nicht mehr um die sportliche Leistung, eigentlich war er bei Niederlagen schon immer das Gesicht des Scheiterns. Sei es seine Körpersprache, seine Defensivarbeit, das Schweigen bei der Nationalhymne – Kritikpunkte wurden immer gefunden.

Auch in den sozialen Netzwerken gehen viele Kommentare unter die Gürtellinie. Dass er sich da rassistisch beleidigt fühlt, ist zutiefst menschlich und erschreckend zugleich. Es zeigt, dass das Thema Integration noch auf vielen Ebenen nicht abgeschlossen ist.

Doch in seinen Aussagen gibt es auch einige Stellen, die Angriffsfläche bieten.

1. Causa Erdogan-Foto: "Mein Beruf ist Fußballspieler, nicht Politiker, und unser Treffen hatte nichts mit einer politischen Botschaft zu tun"

Nein, diese immer gern genommene Aussage von Spielern, die sich vergaloppiert haben, ist zu einfach. Die ganze Welt wusste, dass zu dieser Zeit Wahlkampf in der Türkei war, an deren Ende das Präsidialsystem Erdogan weitreichende Befugnisse einräumte. So blauäugig kann niemand sein, der in seinem Umfeld Manager, Berater und Agenturen hat.

Externer Inhalt

Dieser Inhalt stammt von externen Anbietern wie Facebook, Instagram oder Youtube. Aktiviere bitte Personalisierte Anzeigen und Inhalte sowie Anbieter außerhalb des CMP Standards, um diese Inhalte anzuzeigen.

Übrigens: Schon in seinem ersten Statement schreibt er selbst: "Ich bin mir sicher, dass die Queen und Premierministerin Theresa May die Ansicht teilen, dem politischen Amt Respekt entgegenzubringen, als sie Erdogan in London empfingen." Erst will er Politik und Fußball strikt trennen, vergleicht sich dann aber mit Personen, die sich aus politischen Gründen mit Erdogan treffen? Das geht nicht zusammen und führt ihn auch argumentativ in eine Sackgasse.

2. "Verschiedene deutsche Zeitungen nutzen meine Herkunft und das Foto mit Präsident Erdogan als rechte Propaganda, um ihre politischen Interessen durchzusetzen"

Diese Aussage ist völlig absurd. Keine große deutsche Zeitung hat seine Herkunft jemals kritisiert. Und wenn er das wirklich glaubt, warum führt er keine Beispiele an? Das hat er durch Nennung von Namen an anderen Stellen (Lothar Matthäus, Reinhard Grindel, SPD-Politiker Bernd Holzhauer) doch auch gemacht.

Anzeige
Anzeige

3. Zu Grindel: "Als Sie noch Mitglied des Bundestags waren, haben Sie gesagt, dass islamische Kultur zu verwurzelt ist in deutschen Städten. Das ist unvergessen und nicht zu vergeben"

Natürlich sind solche Aussagen eine Ohrfeige für alle deutschen Nationalspieler mit türkischen Wurzeln und wahrscheinlich hat der Mittelfeldspieler in vielen Punkten seiner Grindel-Kritik recht. Doch es drängt sich die Frage auf, warum Özil das JETZT zum Thema macht? Diese Aussagen datieren aus dem Jahr 2004. Schon als Grindel 2013 zum Schatzmeister im Verband aufstieg, wurde das Thema an den DFB herangetragen. Wenn es für Özil so wichtig ist, warum ist er nicht spätestens dann zurückgetreten, als Grindel noch vor der EM 2016 Präsident wurde?

4. Statement nur auf Englisch veröffentlicht

Mesut Özil ist eine globale Marke, er spielt bei einem englischen Verein. Trotzdem ging es in seinem Statement um den DFB und Deutschland. Allein um Zweideutigkeiten in einem so wichtigen Thema zu verhindern, hätte er seine Aussagen zumindest auch auf deutsch veröffentlichen müssen. So bleibt zumindest Interpretationsspielraum. Sein Rassismus-Vorwurf macht den Eindruck, dass es ein Pauschalurteil ist. Wahrscheinlich ist das nicht so gemeint. Es ist einfach unglücklich gelöst. 

5. Keine Selbstkritik

In allen drei Statements fehlt vor allem eins: Die Einsicht, selbst Fehler gemacht zu haben. Es wird gegen alles und jeden geschossen, doch das eigene Verhalten wird nicht reflektiert. Es wird lediglich versucht zu erklären.

Am Ende bleibt vor allem das Gefühl übrig, dass es nur Verlierer gibt. Allein die Tatsache, dass ein solch begnadeter Kicker aus solchen Gründen aus der Nationalmannschaft zurücktritt, sollte jeden Einzelnen traurig stimmen. 

Den DFB. Den Spieler. Die Medien. Die Fans. Das Management. Und jeder Einzelne sollte sich hinterfragen, ob er nicht auch etwas zu dieser Entwicklung beigesteuert hat. 

Julian Reusch

Du willst die wichtigsten Fußball-News direkt auf dein Smartphone bekommen? Dann trage dich für unseren WhatsApp-Service ein unter http://tiny.cc/ran-whatsapp


© 2024 Seven.One Entertainment Group