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100. Länderspiel für Deutschland

Toni Kroos' Karriere beim DFB: Weltstar und Sündenbock

  • Aktualisiert: 12.10.2020
  • 22:32 Uhr
  • ran.de / Thomas Gaber
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© getty

Toni Kroos spielt am Dienstag im Nations-League-Duell gegen die Schweiz (20:45 Uhr im Liveticker bei ran.de) zum 100. Mal für Deutschland. Er wurde Weltmeister und ist neben Manuel Neuer letzter verbliebener Weltstar der Mannschaft. Doch seine DFB-Karriere verlief keineswegs reibungslos.

München - Toni Kroos wird am Dienstag in den elitären Hunderter-Kreis der deutschen Nationalmannschaft aufgenommen. Er ist der 16. Spieler, dem diese Ehre zuteil wird. 

Die Rahmenbedingungen seines Jubiläums kann sich der 30-Jährige nicht aussuchen: Ein Spiel gegen die Schweiz an einem kalten Oktobertag (ab 20.45 Uhr im Liveticker bei ran.de) vor leeren Rängen in der Nations League.

Man muss es nicht ganz so rabiat wie Reiner Calmund sehen - "Nations League ist Scheißdreck" -, aber es ist nun mal der Wettbewerb, der im aufgeblähten Terminkalender des Fußballs als erster wieder von der Agenda genommen gehört.  

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Geschichtsträchtiges 50. Länderspiel

Es ist nur eine Randnotiz, aber man hätte Kroos einen würdigen Rahmen für sein 100. Länderspiel gewünscht.

So wie am 7. Juli 2014, als er das Trikot mit dem Adler auf der Brust zum 50. Mal überstreifte. Der Gegner hieß Brasilien, es ging um den Einzug ins WM-Finale. Beim legendären 7:1 von Belo Horizonte erzielte Kroos zwei Tore und bereitete zwei weitere Treffer vor. Vier Tage später wurde Deutschland zum vierten Mal Weltmeister.

Kroos hatte einen nicht gerade kleinen Anteil am WM-Titel, schließlich stand er in allen sieben Spielen in der Startelf. In der öffentlichen Wahrnehmung kamen einige seiner Kollegen aber besser weg.

Manuel Neuer, weil er Deutschland in den Spielen gegen Algerien und Frankreich im Turnier hielt.

Mats Hummels und Jerome Boateng, weil sie in der K.o.-Phase herausragend verteidigten und Hummels obendrein das Siegtor gegen Frankreich köpfte.

Oder Bastian Schweinsteiger, der blutende Gladiator im Finale gegen Argentinien.

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Schweden 2018, Italien 2012

Es ist angesichts Kroos' bemerkenswerte DFB-Karriere schon ein wenig absurd, dass retrospektiv zwei ganz andere Spiele hängen bleiben: das WM-Gruppenspiel gegen Schweden 2018 und das EM-Halbfinale gegen Italien 2012.

Sein geniales Freistoßtor in der fünften Minute der Nachspielzeit schürte die Hoffnung, dass der amtierende Weltmeister trotz der schwachen Leistungen gegen Mexiko und eben Schweden doch noch die Kurve bekommen würde. Es folgte das peinliche Aus gegen Südkorea.

WM in Russland 2018? Ach ja: Kroos-Freistoß in Minute 95 und das größte Debakel der DFB-Elf seit der WM 1978. Irgendwie gehört das zusammen. 

Im EM-Halbfinale 2012 wurde Kroos von Bundestrainer Joachim Löw "geopfert". Er sollte die Kreise von Andrea Pirlo stören und Italien somit quasi das Herz rauben. Vielleicht Löws schwerster taktischer Fehler seiner Bundestrainer-Laufbahn. Kroos musste nach der 1:2-Niederlage als Sündenbock herhalten; seine Zukunft in der Nationalmannschaft schien nachhaltig negativ beeinträchtigt, nachdem ihn Löw zu Pirlos Marionette degradiert hatte. 

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Löw: "Einmalig, was Klasse und Konstant angeht"

In seinen 99 Länderspielen waren viele gute dabei, aber Kroos' DFB-Karriere verbindet man eben nicht mit den großen Erfolgen.

Und das bei einem Spieler, der mit Real Madrid als Stammkraft von 2016 bis 2018 drei Mal in Folge die Champions League gewonnen, einen Passrekord nach dem anderen aufgestellt hat - im CL-Spiel 2017 gegen Tottenham kam Kroos auf 99 Prozent angekommene Pässe - und von dem Matthias Sammer sagt, dass er einer der "größten Dirigenten" sei, die "der deutsche Fußball je hatte". 

Neben Neuer ist Kroos der letzte verbliebene Weltstar in der Nationalmannschaft. Die Allesgewinner aus München müssen sich diesen Status erst noch erarbeiten. Seit der Ausbootung von Hummels, Boateng und Thomas Müller ist Kroos Löws verlängerter Arm auf dem Platz. Für den Bundestrainer ist Kroos "einmalig, was Klasse und Konstanz angeht". Er soll die peu a peu runderneuerte Mannschaft zur Europameisterschaft im nächsten Jahr führen.

Doch bislang fremdelt Kroos noch mit dieser Rolle. Er ist noch nicht der Fixpunkt im deutschen Spiel, den sich auch Löw von ihm erwartet. Mit Joshua Kimmich hat Kroos seit knapp zwei Jahren einen Spieler neben sich im Mittelfeld, der beim FC Bayern schon länger Führungsansprüche stellt und dies auch mit starken Leistungen und jeder Menge Titel unterfüttern kann. 

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Quantität für Kroos unwichtig - es zählt Qualität

Noch ist Kroos der Chef, Kimmich sein Kronprinz. Die Kompetenzverteilung ist klar geregelt. Dabei profitierte vor allem auch Kroos von Löws Maßnahme, Kimmich von der Verteidigerposition ins Mittelfeld zu ziehen. "Der Wechsel von Jo von außen nach innen hat uns eine andere Komponente gebracht. Ein Mannschaftsteil gewinnt keine Titel. Aber wir brauchen ein starkes Mittelfeld, um Spiele auf hohem Niveau zu gewinnen", sagt Kroos. 

In ihrem Temperament und in der Spielweise unterscheiden sich beide, ihre Qualitäten ergänzen sie sich aber gut. An seinem K&K-Duo wird Löw nicht rütteln auf dem Weg zur EM, die beiden sind unumstrittene Stammspieler. Passend, dass beide gegen die Schweiz jubilieren: Kimmich spielt zum 50. Mal für Deutschland. 

Dass er jetzt in den Hunderter-Klub einzieht, hat für Kroos keine große Bedeutung. "Mir ging es immer darum, gute Länderspiele zu machen. Die Qualität der Länderspiele war und ist mir immer wichtiger als die Anzahl der Spiele. Es geht um den Erfolg und nicht um die Anzahl. Ich werde mich damit nicht lange aufhalten. 100 Länderspiele hin oder her: es geht darum, weiter erfolgreich zu sein", sagte er der "Bild". 

Kroos hat fast alles gewonnen: Meisterschaften, nationale Pokale, Champions-League-Trophäen und den WM-Pokal. Was fehlt, ist der EM-Titel. 2021 könnte seine letzte Chance sein. Sollte ihm das gelingen, würde er in einen noch viel elitäreren Kreis vorstoßen.

Champions League bzw. Landesmeistercup, WM, EM und mindestens 100 Länderspiele - das haben bislang nur zwei geschafft: Franz Beckenbauer und Jürgen Kohler.

Thomas Gaber

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