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DFB-Team vor richtungsweisendem Spiel: Die Bundestrainerin braucht jetzt Mut!
- Aktualisiert: 03.08.2023
- 00:00 Uhr
- Justin Kraft
Das DFB-Team muss vor dem entscheidenden Spiel gegen Südkorea einige Probleme beheben, um in einem möglichen Achtelfinale der WM bestehen zu können. Was Martina Voss-Tecklenburg jetzt machen könnte. Eine Analyse.
Zufriedenheit und Optimismus umgeben das DFB-Team derzeit, obwohl die 1:2-Niederlage gegen Kolumbien ein großer Stimmungsdämpfer hätte sein können – oder gar müssen? Denn so positiv Martina Voss-Tecklenburg und ihre Spielerinnen in den Stunden und Tagen danach waren, so groß sollten die Sorgenfalten des Teams zumindest intern sein.
Denn die Niederlage war keine Ausnahme, sie war viel mehr das Resultat einiger Probleme, die sich schon weit vor dem Turnier angedeutet hatten. Noch hat die Bundestrainerin Zeit, diese Baustellen rechtzeitig zu schließen.
Doch das Spiel gegen Südkorea könnte bereits die letzte Chance sein. Im Achtelfinale warten, sollte sich das deutsche Team qualifizieren, vermutlich Frankreich oder Brasilien – zwei Mitfavoriten auf den WM-Titel.
Zumal es innerhalb eines Turniers für Trainerinnen und Trainer schwierig ist, Grundlegendes zu verändern. Und doch hat Voss-Tecklenburg nicht nur taktisch, sondern auch personell den einen oder anderen Hebel, um den Trend umzukehren.
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Die Frage wird vor allem sein, wie sehr sie ihr unerschütterliches Vertrauen in die eine oder andere Stammspielerin ablegen kann – und was sie bereit ist, taktisch womöglich zu riskieren.
DFB-Team: Lina Magull Teil der Lösung oder des Problems?
Natürlich tragen die Ausfälle in der Defensive dazu bei, dass es dem deutschen Team an Rhythmus fehlt. Doch es sind auch gestandene Spielerinnen auf dem Platz, die im Moment nicht ihre beste Verfassung haben. Darunter auch Schlüsselspielerinnen.
Bei Lina Magull ist das letzte Spiel, dem sie ihren Stempel aufdrücken konnte, schon etwas her. Die Mittelfeldspielerin sucht nicht nur ihre Form, sondern auch den Zugang zum Team. Oft wird sie überspielt, oft ist sie bemüht darum, Räume zu finden, die nicht schon von Mitspielerinnen besetzt werden. Dafür verlässt sie ihre Position auch ganz gern mal.
Gegen Kolumbien sammelte sie bis zu ihrer Auswechslung in der 70. Minute nur 49 Ballkontakte. Weniger als all ihre Kolleginnen im Mittelfeld, sogar weniger als Klara Bühl und Jule Brand auf den Außenpositionen. Ungewohnt für die Kapitänin des FC Bayern München. Normalerweise ist sie in der Lage, das Spiel auf jeder Position an sich zu reißen. Bisher schafft sie das nicht und entwickelt so auch wenig Zug zum Tor.
Voss-Tecklenburg hätte mit Laura Freigang oder Sydney Lohmann Alternativen auf der Bank sitzen, die etwas dynamischer und offensivstärker sind als Magull. Vielleicht würde dadurch mehr Druck auf das gegnerische Tor entstehen. Am Sonntag erspielte sich die DFB-Elf bis auf den Elfmeter kaum nennenswerte Chancen. Wenn die Zehnerposition dominanter besetzt werden könnte, würde das vielleicht auch Alexandra Popp helfen, die sich im Moment viel fallen lassen muss, um das Spiel dort zu beleben.
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DFB-Team: Auch bei Sara Däbritz läuft es unrund
Doch zur Bewertung von Magulls Leistungen zählt auch dazu, dass sie im Aufbauspiel wenig eingebunden wird. Sara Däbritz hat immer mal wieder gute Aktionen in ihrem Spiel, schafft es darüber hinaus aber oft nicht, dem Aufbauspiel entscheidende Impulse zu geben. Das Mittelfeldzentrum der Deutschen verwaist zu oft, gegen Kolumbien war Lena Oberdorf teilweise mit der Last des Ballbesitzes überfordert, weil sie keine Unterstützung bekam.
Die Abstimmung zwischen den drei Mittelfeldspielerinnen passt noch nicht. Es wäre eine Überlegung wert, Däbritz gegen Lena Lattwein zu tauschen und so auf ein Duo zu vertrauen, das beim VfL Wolfsburg eingespielt ist. Oberdorf und Lattwein waren absolute Erfolgsgaranten für ihr Team.
Sie kennen sich gut und könnten dem deutschen Spiel mehr Stabilität geben. Zumal auch beide sehr zweikampfstark sind. Spätestens im Achtelfinale wäre das ein wichtiges Attribut, wenn es darum geht, mögliche Kontersituationen zu verteidigen. Däbritz gewann gegen Kolumbien nur die Hälfte ihrer Zweikämpfe, musste häufig hinterherlaufen.
Magull und Däbritz genießen zu Recht große Anerkennung bei der Bundestrainerin. Doch in den letzten Wochen und Monaten schienen sie das Mittelfeldspiel nicht voranbringen zu können. Insofern wäre es eine Überlegung wert, das Zentrum neu zu strukturieren.
Die Abwehr bleibt wackelig
Und dann wäre da noch die Defensive. Viele Optionen hat Voss-Tecklenburg nicht mehr – zumindest für das Spiel gegen Südkorea. Sara Doorsoun hat eine muskuläre Läsion im linken Oberschenkel erlitten, wird mindestens bis zum Achtelfinale ausfallen. Der Fitnessstand von Marina Hegering ist zudem unklar.
Gegen Kolumbien rückte Sjoeke Nüsken an die Seite von Kathrin Hendrich. Sollte Hegering noch nicht für einen Einsatz bereit sein, werden die beiden wohl auch am Donnerstag spielen. Viel wichtiger wird es aber sein, die defensiven Außenbahnen endlich zu schließen. Dass Svenja Huth keine Rechtsverteidigerin ist, hatte Vorbereitungsgegner Sambia ebenso offenbart wie jetzt Kolumbien.
Defensiv agiert sie zu überhastet, öffnet immer wieder Räume für schnelle Gegenspielerinnen. Sophia Kleinherne ist zwar keine Außenverteidigerin auf Weltklasseniveau, könnte hier aber defensive Stabilität reinbringen. Huth könnte dann eine Position vorrücken, wo Brand und Bühl auf einen starken Auftritt gegen Marokko einen durchwachsenen folgen ließen. Inkonstanz, die nicht unbekannt ist. Umso wichtiger wäre Huth in der Offensive – auch und gerade im Zusammenspiel mit Popp.
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DFB-Team: Mut zur Veränderung ist gefragt
Wahrscheinlich wird Voss-Tecklenburg nicht zu viel verändern wollen. Das ist in einem Turnier auch oft keine schlechte Idee. Insofern wäre es eventuell kontraproduktiv, würde sie all diese Anpassungen auf einmal vornehmen.
Klar ist aber auch, dass es aktuell nicht läuft und dass es zu einfach wäre, das alles auf einen schlechten Tag zu reduzieren. Deutschlands Probleme mit gut organisierten Defensivreihen sind bekannt, ihre Anfälligkeit bei Ballverlusten ebenfalls. Es wäre fahrlässig, die eine oder andere Änderung nicht ernsthaft zu diskutieren.
Noch sind es ein paar Stunden, vielleicht Tage, um den weiteren Turnierverlauf zu retten. Dafür müssen aber alle gemeinsam raus aus der Komfortzone. Nur mit Zufriedenheit und Optimismus wird es diesmal nicht funktionieren.