Offensiv schlimmer als defensiv
Historisches WM-Aus: Die Horror-Zahlen des DFB-Teams
- Aktualisiert: 28.06.2018
- 15:44 Uhr
- ran.de / Julian Reusch
Das historische WM-Aus der deutschen Fußball-Nationalmannschaft hinterlässt viele offene Fragen. Ein Blick in die Zahlen gibt aber schon reichlich Anhaltspunkte, woran es am Ende gelegen hat.
München – Aus. Ende. Vorbei. Das Unvorstellbare ist eingetreten. Das DFB-Team fliegt in der Vorrunde der WM 2018 raus. Als Gruppenletzter. Hinter Schweden, Mexiko und Südkorea. Als amtierender Weltmeister.
"Das letzte überzeugende Spiel war im Herbst 2017. Das ist ein bisschen lange her", formuliert es Mats Hummels nach dem 0:2 gegen Südkorea selbstkritisch. In der Tat liefert die Nationalmannschaft seitdem Magerkost ab. Ein Blick auf die nackten Zahlen offenbart das ganze Übel.
900 Pässe und 34 Schüsse für ein Tor
Mit nur zwei mickrigen Toren bei 68 Abschlüssen (kein Team schoss häufiger auf das Tor) verabschiedete sich die DFB-Elf aus dem Turnier in Russland. Statistisch brauchte die Mannschaft von Joachim Löw im Schnitt 900 Pässe und 34 Schüsse, um den Ball im Gehäuse des Gegners unterzubringen. Zum Vergleich: Die direkten Kontrahenten in der Gruppe - Mexiko, Schweden und Südkorea - schafften einen Treffer mit 152 Pässen und 7,75 Abschlüssen im Schnitt.
Die Chancenverwertung des DFB-Teams: Unglaubliche drei Prozent – kein Team ist da schlechter. Bei der WM 2014 waren es noch 14 Torschüsse pro Spiel und fast jeder vierte Versuch war ein Tor. Das ergeben die Zahlen des Datenlieferanten Opta.
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Nur fünf Großchancen - keine wird genutzt
Erschreckend auch die generelle Ideen- und Hilflosigkeit in der Offensive. In der kompletten Vorrunde erspielte sich der Weltmeister lediglich fünf Großchancen, vier davon alleine gegen Südkorea. Die Bilanz: Nicht eine wurde verwertet.
Dabei kann man der Mannschaft gar nicht vorwerfen, dass sie es nicht versucht hätte. Alleine im letzten Vorrundenspiel gab die DFB-Elf 28 Torschüsse ab – so viele wie keine andere Mannschaft in einem Spiel bei der WM. Zuletzt hat vor 20 Jahren ein Team bei einer WM mit so vielen Abschlüssen das Spiel noch verloren (Japan unterlag Jamaika mit 1:2).
Doch es fehlte nicht nur die Effektivität, auch die nominellen Stürmer blieben weit hinter ihren Möglichkeiten.
Kroos schießt häufiger auf's Tor als Werner, Gomez und Müller zusammen
Ein paar Belege dafür: Mittelfeldspieler Toni Kroos gab die meisten Torschüsse im kompletten Turnier ab (15) und damit mehr als Timo Werner (7), Mario Gomez (4) und Thomas Müller (3) zusammen. Dass Deutschland in keinem Gruppenspiel zur Pause führte, gab es zuletzt bei der WM 1986 (Quelle: Opta). Dass Deutschland gänzlich ohne Stürmer-Tor in der Vorrunde blieb, gab es indes noch bei keiner Weltmeisterschaft.
Doch nicht nur die Offensive, auch die Defensive war alles andere als sattelfest. Schon nach dem Mexiko-Spiel bemängelte Hummels: "Wenn sieben oder acht Mann offensiv spielen, ist die defensive Stabilität hinfällig. Das spreche ich oft intern an, das fruchtet aber offenbar nicht. Jerome und ich stehen oft alleine hinten."
Fünf Gegentore bekam die deutsche Nationalmannschaft in der Vorrunde – das gab es zuletzt bei der WM 1958. Überraschend ist diese Entwicklung dabei nicht.
Probleme haben sich angebahnt
Seit dem "letzten überzeugenden Spiel im Herbst 2017" – wahlweise einem 6:0 gegen Norwegen beziehungsweise einem 5:1 gegen Aserbaidschan – gab es in neun Spielen vier Niederlagen, drei Unentschieden und lediglich zwei Siege (keiner mit mehr als einem Tor Unterschied). Seit dem 0:0 gegen England (November 2017) gab es sogar kein Länderspiel mehr ohne Gegentor.
Da kann auch die überragende WM-Qualifikation (10 Spiele, 10 Siege, 43:4-Tore) nicht über die Probleme hinwegtäuschen.
Doch das alles kommt jetzt auch zu spät. Das Unvorstellbare ist ja bereits eingetreten.
Julian Reusch