WM 2022
WM 2022: Naive WM-Momente mit Bale und Klinsmann
- Aktualisiert: 22.11.2022
- 12:26 Uhr
Trotz alkoholfreien Biers für acht Euro und eines Playstation- und Kino-Ambientes im Stadion stellt sich beim 1:1 zwischen den USA und Wales erstmals in Katar richtige WM-Stimmung ein. Doch auch dieses Spiel kommt nicht ohne Eklat aus, weil Regenbogenhüte walisischer Fans konfisziert werden.
Aus Katar berichtet Maik Rosner
ar-Rayyan – Als Gareth Bale hinterher als Man of the Match auf dem Podium saß, musste er selbst über seine Plattitüde lachen, die ihm gerade über die Lippen gekommen war. "Das Tor war genau das, was wir gebraucht haben", sagte der Kapitän der Waliser nach dem 1:1 (0:1) gegen die USA. Wirklich gerecht wurde er seinem verwandelten Foulelfmeter in der 82. Minute damit nicht. Denn für das Tor durfte ausnahmsweise die überstrapazierte Bezeichnung historisch verwendet werden.
Erstmals seit 64 Jahren und zum zweiten Mal überhaupt spielt Wales ja bei einer WM mit. Bale hatte also das erste WM-Tor für sein Land seit dem Turnier 1958 in Schweden erzielt. Damals hatte Wales sogar die Gruppenphase überstanden und das Viertelfinale erreicht, ehe es dem späteren Weltmeister Brasilien nach einem Tor des 17 Jahre alten Pelé 0:1 unterlag.
Nun dürfen die Waliser vor den weiteren Gruppenspielen gegen Iran und England hoffen, das Achtelfinale zu erreichen. Ohne Bales Ausgleich gäbe es diese Perspektive kaum noch, nachdem der kommende WM-Gastgeber USA zunächst klar überlegen agiert hatte und in Führung gegangen war (36.).
Bales Tor - Ein seltener Moment
Das Tor erzielt hatte Timothy Weah, Sohn von George Weah, der es als Stürmer von Paris Saint-Germain und dem AC Mailand 1995 zum Weltfußballer gebracht hatte und der seit 2018 Präsident seines Heimatlandes Liberia ist. Nun sah der Papa im Stadion, wie sein Sohn die USA in Führung brachte.
Schon das Tor von Weah junior hatte dem Ahmad Bin Ali Stadium am Montagabend einen beachtlichen Jubelsturm vieler US-amerikanischer Fans beschert. Doch nach Bales Ausgleich gab es für die mehreren Tausend walisischen Anhänger erst recht kein Halten mehr. Wie auf einem Wimmelbild ging es in ihrem Fanblock zu.
Es war einer der bisher seltenen Momente, in denen sich diese politisch so aufgeladene WM in Katar einfach mal nach Fußball anfühlte, fast ein bisschen unschuldig und naiv. Dazu passten auch Bales Phrasen auf dem Podium. Und dazu passte auch die zufällige Begegnung mit dem früheren Bundestrainer Jürgen Klinsmann kurz nach dem Abpfiff.
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Klinsmann: "Das interessiert mich nicht"
Ihm habe dieses Spiel Spaß gemacht, ohnehin gefalle ihm diese WM in Katar, sagte Klinsmann. Und all die Debatten um das umstrittene Turnier und um das Gebaren der Fifa? "Das interessiert mich ehrlich gesagt nicht. Ich mache mir lieber mein eigenes Bild", antwortete Klinsmann.
Sein Desinteresse an den Diskussionen über diese WM und den Fußball-Weltverband könnte auch daran liegen, dass der frühere deutsche Nationalstürmer für die sogenannte Technical Study Group (TSG) der Fifa arbeitet. Die TSG soll beobachten, wie sich der Fußball entwickelt, also das Spiel an sich.
Wie auf der Playstation
Wie sich der Fußball beim Drumherum entwickelt, auch das konnte man exemplarisch beim Spiel zwischen den USA und Wales begutachten. Das Stadion strahlte eine kühle Perfektion aus. Vor dem Spiel und in der Halbzeit führten 15 Rasensprenkler ein exakt abgestimmtes Wasserballett auf. Sogar die Dächer der Mannschaftsbänke sind durchgängige Videoleinwände, auf denen sich die animierten Nationalflaggen wie im Wind bewegen.
Beim Blick von oben von der Tribüne kann man fast den Eindruck gewinnen, man sitze vor einem Bildschirm und spiele gleich Fifa 22 auf der Playstation, so perfekt ist alles.
In den Stadiongängen im Zuschauerbereich kommt es einem eher vor, als gehe man gleich ins Kino. An den Imbissständen gibt es für die Fans neben Popcorn und Cola auch Sandwiches mit Spinat oder Fleisch sowie Wraps oder Veggie Sticks mit Hummus. Wer mag, kann sich auch ein alkoholfreies Bier des Fifa-Sponsors gönnen. Kostenpunkt umgerechnet acht Euro.Zudem gibt es natürlich Fifa-Shops, in denen man Fanartikel kaufen kann. Ein Katar-Shirt kostet hier 359 Riyals, umgerechnet rund 96 Euro. Und auf den Toiletten dieser Fußball-Konsumwelt läuft Mainstream-Popmusik.
Eklat um Hüte mit Regenbogenfarben
Beim Blick in den Himmel über dem Stadion musste man sich kurz daran erinnern, wo man hier eigentlich sitzt: Weit außerhalb von Katars Hauptstadt Doha, am Rande der Wüste, die gleich westlich vom Stadion beginnt. Trotzdem hatten es die Fans aus den USA und aus Wales geschafft, dass sich dieser Abend zumindest manchmal nach Fußball anfühlte und die Stimmung nach einer WM.
Doch auch dieses Spiel kam nicht ohne einen Eklat aus. Wie die ehemalige walisische Nationalspielerin und heutige Funktionärin sowie walisische Fußball-Botschaftertin Laura McAllister im Sender "ITV News" sagte, sei ihr mit anderen weiblichen walisischen Fußball-Fans der Stadioneinlass mit einem Hut in Regenbogenfarben verwehrt worden sei. Auf Twitter schrieb sie, dass einige Hüte konfisziert worden seien. Weiter berichtete McAllister: "Diese WM wird immer besser, aber wir werden weiter für unsere Werte einstehen."
Später hieß es, auch Männer mit entsprechenden Hüten seien betroffen gewesen. Auf Fotos war zu sehen, dass es einige Fans geschafft hatten, die Hüte mit ins Stadion zu bringen. Wegen der Vorfälle schrieb die walisische LGBTQ-Gruppe The Rainbow Wall auf Twitter sinngemäß: "Fifa, das kann nicht euer Ernst sein."